Mannheim. Vor zwei Jahren hat die „Liste der gottbegnadeten Künstler“ schon einmal für Diskussionen gesorgt: Das Deutsche Historische Museum in Berlin hatte die von Hitler und Goebbels 1944 aufgelisteten Kunstschaffenden, die Privilegien genossen und nicht zum Kriegsdienst herangezogen wurden, ins Zentrum einer Ausstellung gestellt. Vorgeführt wurde vor allem, wie die Karrieren der Künstler dann in der Bundesrepublik verliefen. Und es wurde darauf hingewiesen, dass viele Werke bildender Kunst, die in der Zeit des Nationalsozialismus entstanden und das Gefallen der Machthaber fanden, noch heute den öffentlichen Raum deutscher Städte prägen.
Ein Skandal?
Über 300 entsprechende Werke hat das Museum angeführt; drei davon, zwei Plastiken von Philipp Harth und eine von Bernhard Bleeker, stehen, wie diese Redaktion berichtete, in Mannheim: neben der Kunsthalle und im Luisenpark. Ein Skandal? Eher ein Umstand, der zur sachlichen Auseinandersetzung anregen kann, etwa darüber, ob die Werke mit entsprechenden Kommentaren versehen werden sollten. Zu einer solchen Diskussion möchte auch der israelische Künstler Itamar Gov anregen. Mit Formen des kollektiven Gedächtnisses beschäftigen sich seine Arbeiten, so auch „Breker CCTV“, eine Videoinstallation, welche die Mannheimer Kunsthalle, kuratiert von Pia Goebel, jetzt in ihrem Studio im Neubau zeigt.
16 Werke auf 16 Bildschirmen vereint die Installation, vermittelt buchstäblich Ansichten des Diskussionswürdigen - und stellt Arno Breker deshalb ins Zentrum, weil er wie kein anderer auf der Liste für jene martialischen, heroisierenden Darstellungen steht, die man bis heute als typisch für die in NS-Deutschland entstandene Bildkunst empfindet. Dass übrigens der von der Kunstgeschichte als viel bedeutender eingestufte, realistischere Georg Kolbe gleich nach Breker auf der Liste stand, war ein Umstand, der Gov dann zu seiner Arbeit inspirierte.
Was kann die Kunst dafür, dass sie auch von ästhetisch nicht allzu sensiblen Gemütern geschätzt wird? Und geht von den heroisierenden Darstellungen womöglich noch heute eine negative Suggestivkraft aus? Solche Fragen legt Itamar Gov nahe - und lässt auf der Tonspur eine ganze Palette von Emotionen spürbar werden, die man mit den Bildwerken vielleicht verbinden kann. Es beginnt mit Stille, dann folgen Umweltgeräusche wie Vogelgezwitscher oder das Rauschen des städtischen Verkehrs, ehe bedrohliche, schrille Töne kurz vor dem Ende die Oberhand gewinnen.
Kunst mit mehr Weitblick
Vor nicht allzu langer Zeit war es noch gängig, angesichts von Künstlern wie vor allem Arno Breker oder auch Josef Thorak summierend von „Nazi-Plastik“ zu sprechen. Aus Gründen der Differenzierung nimmt man heute davon Abstand. Auch verdächtige, martialische Werke transportieren nicht geradewegs Nazi-Ideologie. Das Verhältnis von Ästhetik, Zeitgeist und Geschichte ist komplexer, erst recht, wenn man Vorgeschichten und Nachwirkungen mit in den Blick nimmt. Itamar Govs Arbeit trägt dazu bei, dass Diskussionen im Kontext der Kunst mit mehr Weitblick geführt werden.
Bis 26. November in der Kunsthalle, Internet: www.kuma.art
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