Mannheim. 2011 begann die Karriere des Rappers Cro Fahrt aufzunehmen – mit dem zig millionenfach geklickten Lied „Easy“. Der Clou dabei: Das dazugehörige Mixtape, in diesem Fall eine Art Testballon oder Appetitmacher für das Rap-Publikum, wurde wie die Vorgänger „Meine Musik“ (2011) und „Trash“ (2009) als Download verschenkt. Und – das war neu – trotzdem groß vermarktet vom Stuttgarter Label Chimperator Productions um Sebastian Andrej Schweizer, der heute einer der Vorzeigeabsolventen der Mannheimer Popakademie ist.

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Nun sind neun Songs daraus, darunter „Easy“ und frühe Live-Lieblinge wie „Rockstar“, „Hi Kids“ oder „Wir waren hier“, als LP veröffentlicht worden. Das lila Vinyl macht viel her auf dem Plattenteller und klingt relativ gut; Mixtapes werden produktionstechnisch oft einfach gehalten. Dementsprechend klingen die Beats etwas blechern. Aber man hört das enorme Händchen für eingängige Hits, das dem Rapper mit der Pandamaske mehr als 50 Einträge in den Single-Charts eingebracht hat. Vor allem ist die Frische zu spüren, mit der der damals 21-Jährige namens Carlo Waibel mit unverblümtem, aber positivem Stil frische Luft in den dumpf gewordenen Deutsch-Rap blies.
„Rückblickend hätten wir sehr viel Geld verdienen können"
Schweizer war von dem Konzept, „Easy“ erstmal zu verschenken, voll überzeugt: „Wir hatten das schon häufiger gemacht, einfach weil wir nicht so viel Geld hatten. Für uns war die kostenlose Vertriebsform der beste Weg“, erklärt der Label-Chef beim Hip-Hop-Portal mzee.com. Die Idee war auch nicht komplett neu – sie seien aber anders mit dem Free-Download umgegangen: „Wir behandelten das als ,richtiges’ Release: Wir klärten Interviews im Voraus, es gab Vorab-Videos, eine Release-Party.“ „Plötzlich hätten sich die Radios bei ihnen gemeldet statt andersherum. „Rückblickend hätten wir natürlich sehr viel Geld verdienen können, wenn wir für das Tape etwas verlangt hätten – wer weiß aber, ob dann alles so gekommen wäre?“
Cro selbst folgte dabei seinem Bauchgefühl, wie er 2014 im Interview mit dieser Redaktion erklärte: „Ich war einfach der Meinung, dass wir am Anfang ködern müssen. Mich kannte ja keiner, ich war ein Niemand.“ Das habe zunächst noch nicht ganz so funktioniert – „aber dann wurde es heißer – und wir haben es einfach genauso gemacht (...) Der Basti kam dann noch auf die Idee, bei ,Easy’ drei starke Songs für das Album zurückzuhalten, was ich total bescheuert fand . . . Ich glaube, da wäre jeder Musiker dagegen: Ein gutes Lied zu haben und es nicht zu veröffentlichen. Aber nach dem ,Easy’-Mixtape’ hatten wir alle!“
Lob von Michael Herberger
Ex-Söhne-Mannheims-Bandleader Michael Herberger, heute Leiter des Musikstudiengangs Musikbusiness an der Popakademie, bewertet die gelungene Aktion aus heutiger Sicht auf Nachfrage positiv: „Cro konnte sich mit dem kostenlosen Download von ,Easy’ damals die nötige Aufmerksamkeit und damit auch die Fanbase schaffen. Vor allem, da sein Label den Song wie eine kommerzielle Single behandelt hat, was die kostenintensiven Promotion und Marketingmaßnahmen betrifft.“
Weltweit würden heute pro Tag mehr als 100 000 Songs auf den Streamingportalen veröffentlicht: „Dadurch sind auffällige Aktionen noch wichtiger geworden, um aus der Masse herauszustechen“, so Herberger. Musik zu veröffentlichen sei durch die Digitalvertriebe für jedermann einfach geworden. Ebenso das Do-it-yourself-Marketing – „denn die wichtigsten Promotiontools sind inzwischen die sozialen Medien. Allen voran TikTok“, erklärt Herberger, unter dessen Vorgänger Hubert Wandjo Schweizer studiert hat.
Der 45-Jährige blieb übrigens konsequent vorausschauend und verabschiedete sich 2018 angesichts der Dominanz von gestreamten Playlists und einzeln veröffentlichten Songs im Hip-Hop vom Album-Konzept. Im selben Jahr wechselte Cro unter das Dach der Universal Music Group. Aber Chimperator blieb flexibel, denn heute sind Künstler mit Hang zu starken Alben wie OG Keemo, Maeckes oder Tua die Aushängeschilder des 1999 gegründeten Labels.
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