Wir treffen Casper, bürgerlich Benjamin Griffey, auf eine Saftschorle in einem Park in Berlin-Friedrichshain. Der 41-jährige Rapper ist seit „XOXO“ 2011 ein Star und hat nach nur einem Jahr schon wieder ein Album gemacht. „nur liebe, immer.“ heißt es und klingt luftiger, lässiger und auch poppiger, als man es von dem in Westfalen und den US-Südstaaten aufgewachsenen Musiker gewohnt ist. Neben den neuen Liedern gab es vor allem ein Gesprächsthema: Caspers bevorstehendes Stadionkonzert.
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Casper, nächstes Jahr am 15. Juni spielst Du im Bielefelder Fußballstadion. Es ist zugleich Dein einziges Konzert 2024. Man übertreibt wohl eher nicht, wenn man sagt, dass diese Show für Dich eine ganz besondere sein wird?
Casper: Seit ich Kind war, ist es mein größter Traum gewesen, einmal in diesem Stadion zu spielen. Als fußballfanatischer Junge wollte ich nichts sehnlicher, als für Arminia Bielefeld aufzulaufen. Das hatte sich dann irgendwann erledigt, aber der Traum ist geblieben – und bald wird er wahr.
Freust Du Dich schon auf die Show?
Casper: Oh ja. Ich bin überglücklich und super aufgeregt. Ich habe sowieso vor jedem Konzert Lampenfieber, und vor diesem ganz besonders. In Zeiten, in denen alles permanent verfügbar ist, finde ich es gut, sich quasi selbst zu verknappen und zu sagen: Ich mache im nächsten Jahr nur eine Show, und wer die sehen will, muss kommen. Dass das Konzert innerhalb von weniger als einem Tag ausverkauft war, hat mich dann aber doch überrascht.
Wie wird es Dir am 16. Juni gehen?
Casper: Das ist die große Frage. Ich kann noch überhaupt nicht sagen, wie ich mich fühlen werde, wenn ich das große Ziel erreicht habe. Bin ich euphorisch? Fühle ich mich leer? Keine Ahnung. Für danach habe ich noch gar keine Pläne. Ich bin selbst gespannt, wie es dann mit mir weitergeht.
Mit „verliebt in die stadt die es nicht gibt“ hast Du Bielefeld auch gleich noch einen musikalischen Liebesbrief geschrieben.
Casper: Schon, wenn ich in Bielefeld aus der Bahn steige und über den Bahnhofsvorplatz laufen, habe ich dieses Gefühl, Zuhause zu sein. Ich fühle mich der Stadt, in der ich studiert und gelebt habe und in der viele meiner Freunde leben, einfach sehr verbunden. Ich habe beim Schreiben viel an Herbert Grönemeyers „Bochum“ gedacht. Die Idee für so einen Song gab es schon sehr lange, nur bin ich es nie angegangen. Jetzt, mit dem Stadionkonzert vor der Brust, habe ich mich nochmal richtig reingekniet.
Ist Herbert Grönemeyer ein Vorbild für Dich?
Casper: Ja. Ich wünsche mir, auch so sein zu können wie Herbert. Er hat eine klare Haltung, ist sich immer treu und wahrhaftig geblieben, und zugleich interessiert er sich nach wie vor sehr für junge Künstlerinnen und Künstler. Er lässt sich gern überraschen und hört nicht auf, neugierig zu sein.
„Ich wollte nie die Stimme einer Jugend sein“, sagst Du in „wimpernschlag“. Hast Du Dich mit Deiner eigenen Vorbildfunktion arrangiert?
Casper: Mittlerweile ja, aber das hat sehr lange gedauert. Heute denke ich, es ist in Ordnung, diese Rolle zu haben und auch auszufüllen.
Wie füllst Du die Rolle aus?
Casper: Mir ist wichtig, dass ich nicht unerreichbar erscheine. Sondern auf Augenhöhe mit dem Publikum bleibe. Ich trage zum Beispiel auf der Bühne keine Klamotten, die sich nicht jeder leisten kann.
Wie kommt es überhaupt, dass Du nur ein Jahr nach „Alles war schön und nichts tat weh“ schon wieder ein Album veröffentlichst?
Casper: Das letzte Album war ein richtiges Mammutwerk, so groß und konzeptionell. Ich wollte danach eine Pause machen, aber dann nahm ich an so einem Camp teil, wo man anderen Musiker*innen hilft, Songs zu schreiben. Dort ist ganz nebenbei und aus Versehen „sommer“ entstanden. Schnell gab es noch weitere Stücke, und plötzlich war ich im Fluss. Alles passierte wie von selbst. Ich fand es schön, dieses Mal nicht so sehr über Konzepte, sondern nur über Songs nachzudenken. Eigentlich war es wieder so wie am Anfang. Wir saßen zusammen in einem Raum, manchmal entstand ein Lied, manchmal nicht, alles war leicht und entspannt.
Leicht und entspannt ist auch Dein Kollege Cro. Hast Du ihn deshalb als Duettpartner mit auf „sommer“ geholt?
Casper: Wir kennen und mögen uns seit langem. Bei Cro wirkt alles immer wunderbar unangestrengt, das passt tatsächlich gut zu meinem Album, auf dem alles easy ist und fließt. Obwohl wir als Menschen verschiedener kaum sein könnten, finde ich es erstaunlich, wie gut wir uns immer unterhalten, wenn wir uns sehen.
Was unterscheidet Euch konkret?
Casper: Er macht einfach drauflos und sprudelt vor Kreativität. Ich bin ein Mensch, der sich sehr viele Gedanken macht und eher zu viel als zu wenig grübelt.
Über Dein Grübeln geht es in „sowas von da (hellwach)“. Wird das eigentlich besser mit den Jahren?
Casper: Teils, teils. Ich habe mehr Nachsicht mit anderen Menschen, bin nach außen nicht mehr so empfindsam und schnell verletzt und alles in allem entspannter. Aber in meinem sehr sensiblen Inneren toben dieselben Kämpfe wie immer. Ich versuche, mich auch nicht dagegen zu wehren. Die Zerrissenheit ist wichtig und zentral für meine Kunst, vielleicht sogar für mein mentales Wohlbefinden.
Du sagst in dem Lied, dass kein Yoga und keine Work-Life-Balance Dir helfen, wenn Du Abstand und Ruhe willst. Was hilft denn?
Casper: Ich durchlebe hin und wieder Phasen, in denen sich meine psychischen Gesundheitsprobleme körperlich auswirken. Dann bleibt mir die Luft weg oder ich denke, ich bekomme einen Herzinfarkt. Oft habe ich beim Arzt gesessen, der mir natürlich bescheinigt hat, dass körperlich alles in Ordnung ist, und gedacht „Ich möchte diese eine Tablette haben, und dann ist alles gut“. Aber diese Tablette gibt es nicht.
Der erste Song Deines Albums, „echt von unten“ ist sehr filmisch. Du erzählst aus Deiner recht krassen Kindheit und Jugend.
Casper: Das Stück ist eher zielführend gemeint. So nach der Devise „Das und das ist passiert, und jetzt schau, wo wir angekommen sind: im Stadion“. Die Kernaussage ist: Breite Brust, gegen alle Wahrscheinlichkeiten.
Du bist in Lemgo geboren, mit einem Monat mit Deinen Eltern in die USA ausgewandert, die Ehe scheiterte, im anschließenden Zusammenleben mit Deinem Stiefvater hast Du Gewalterfahrungen gemacht, mit elf bist Du mit Deiner Mutter und Deiner Schwester zurück nach Deutschland gezogen. Und jetzt singst Du: „Ich bin keiner dieser Deutschrap-Deppen, ich kaufe Häuser, keine Goldketten.“
Casper: Im Herzen bin ich immer noch der Junge aus Ostwestfalen-Lippe (lacht). Uns wird ein gewisser Geiz nachgesagt, und ich lebe mit der irrationalen Angst, dass morgen alles vorbei sein könnte. Ich will nie wieder zurück in die Studentenzeiten, wo uns der Strom abgedreht wurde. Vor allem aber ist das eine gut klingende, herrlich selbstbewusste und witzige Zeile.
Dennoch: Wenn Du Dir etwas kaufst, ist es ein Investment?
Casper: Ich trage keine Uhren, also kaufe ich mir keine. Ich habe keinen Führerschein, also brauche ich kein teures Auto. Am liebsten gebe ich Geld für Erlebnisse mit den Menschen aus, die ich gern und lieb habe. Wenn zum Beispiel ein Freund in Bielefeld Geburtstag feiert, dann fahre ich da hin und buche mir ein Hotel. Oder ich besuche meine Familie in den USA. Überhaupt liebe ich es, die Welt zu sehen. Jetzt im Winter werden wir eine große Segelreise machen, ein Monat Karibik, von Insel zu Insel. Das ist für mich kein sinnlos verprasstes Geld, sondern ein Abenteuer fürs Leben.
Hört man sich die neuen Songs an, fällt auf, dass Du ganz schon viel Mist gebaut hast in der Jugend. Wie genau geht das, ein Auto in sechs Sekunden mit dem Tennisball zu knacken?
Casper (lacht): Das muss ja nicht zwingend ich gewesen sein. Aber es ist wirklich so, dass die Dorfjugend oft wilder ist als die Stadtjugend. Wir waren eine gute Bande und keine Kinder von Traurigkeit.
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