Bio-Lebensmittel

So waren die Anfänge von Deutschlands erster Alnatura-Filiale in Mannheim

Götz Rehn kann sich noch genau erinnern, wie der erste Alnatura-Bio-Markt bei der Eröffnung ausgesehen hat. Das war vor 35 Jahren in Mannheim. Jetzt ist er wieder an den Ursprungsort zurückgekehrt. Ein Marktrundgang

Von 
Christian Schall
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Alnatura-Chef Götz Rehn in der Alnatura-Filiale in Mannheim. © Michael Ruffler

Mannheim/Darmstadt. Götz Rehn kann sich noch genau erinnern, wie der erste Alnatura-Markt bei der Eröffnung ausgesehen hat. „Hier rechts vom Eingang, entlang der Fenster, standen die großen Tonnen, die mit Bio-Roggen, Weizen, Reis, Flocken oder Nudeln gefüllt waren. Im hinteren Teil links gab es eine große Abteilung mit Naturtextilien, und auf der rechten Seite war die Obst- und Gemüseabteilung.“

Genau 35 Jahre später ist der Gründer und Geschäftsführer von Alnatura wieder an dem Ort, an dem alles begann. Drei Jahre nach der Unternehmensgründung hatte Rehn am 1. Oktober 1987 seinen ersten Bio-Markt eröffnet - mitten in der Mannheimer Innenstadt. Es war ein aufregender Beginn, wie er sich erinnert: „In der Eröffnungsnacht haben wir noch bis drei Uhr morgens den Laden hergerichtet. Die Familie und viele Freunde haben tatkräftig geholfen, sogar die Mitarbeiter des Architekturbüros haben Bio-Karotten geputzt.“ Um sieben Uhr stand Rehn dann wieder im Laden und begrüßte die ersten Kunden.

Bio-Markt als erster Unverpackt-Laden

Die großen Tonnen waren ausgediente Weinfässer, die der Händler renovieren und mit großen Baumwollsäcken auskleiden ließ. Die lose Ware konnten sich die Kunden nach ihrem Bedarf abfüllen. „Wir waren sozusagen der erste Unverpackt-Laden“, sagt Rehn. Um das Obst und Gemüse zu kühlen und vor allem frisch zu halten, entschied er sich für ein spezielles Verfahren, das damals selten war: In zeitlichen Abständen wurde Wasserdampf über die Auslage gesprüht.

In der Anfangszeit führte das Unternehmen noch eine große Abteilung mit Naturtextilien und Holzspielzeug. In der Vorweihnachtszeit gab es Modenschauen im Schaufenster, und Passanten konnten beim Drechseln des Holzspielzeugs zuschauen. „Wir wollten eine Art lebendiges Schaufenster schaffen“, blickt der 72-Jährige auf die Anfangsjahre zurück.

Beides gehört mittlerweile genauso der Vergangenheit an wie die großen Weinfässer, die aus dem Ladenbild verschwunden sind. Auch die Sprühdüsen für Obst und Gemüse sind längst abgebaut. „Das hat nicht so gewirkt, wie ich mir das vorgestellt hatte, die Qualität war nicht gut genug.“

Alnatura

Das Unternehmen wurde 1984 als Firma „Konzeption und Vertrieb natürlicher Lebensmittel Dr. Rehn“ in Fulda gegründet. 1987 eröffnete in Mannheim die erste Filiale.

Heute betreibt Alnatura 147 Filialen in 71 deutschen Städten. Hinzu kommen fast 13000 Filialen von Handelspartnern in 15 europäischen Ländern.

Alnatura beschäftigt rund 3700 Menschen, darunter 310 Auszubildende. Im Geschäftsjahr 2020/21 wurde ein Nettoumsatz von 1,15 Milliarden Euro erzielt. cs

Und überhaupt hat sich vieles verändert, wie bei einem Marktrundgang mit dem Unternehmensgründer deutlich wird. Der Laden ist deutlich gewachsen und mit ihm das Sortiment, in dem der Schwerpunkt eindeutig auf Lebensmitteln liegt. Das lässt sich gleichermaßen auf Supermärkte mit konventionellen Lebensmitteln übertragen. Auch dort ist das Warenangebot deutlich ausgebaut worden, weil der Bekanntheitsgrad vieler Produkte zugenommen hat, die in den 1980er Jahren noch fremd und exotisch waren.

Rehn nennt einige Beispiele: „Vor 35 Jahren wusste doch niemand, was Grüner Tee ist. Auch Avocados hatten wir nicht im Angebot. Und selbst Mozzarella war bis vor rund 15 Jahren mühsam zu verkaufen.“ Im Bio-Segment kam ein weiterer Aspekt hinzu: „In den Anfangsjahren unseres Unternehmens gab es noch kein großes Interesse der Menschen an Bio-Produkten, der Markt dafür war entsprechend klein.“

Bewusste Ernährung und mehr Wert auf Bio-Qualität

Das hat sich in den vergangenen dreieinhalb Jahrzehnten gewandelt. Viele Menschen essen bewusster und legen mehr Wert auf Bio-Qualität. Trotzdem ist der Bio-Anteil am Lebensmittelmarkt immer noch klein, wie Götz Rehn mit Zahlen belegt: „Nur rund sieben Prozent des Lebensmittelumsatzes entfallen auf den Bio-Bereich.“ Zwei Drittel davon würden bei den großen Handelsketten umgesetzt.

Diese sind für Alnatura, neben den eigenen Läden, ein wichtiger Vertriebskanal. Rund 12 900 Filialen in 15 Ländern umfasst das Netz der Handelspartner. Inzwischen ist das Bio-Sortiment unter der Marke Alnatura nach Unternehmensangaben auf mehr als 1300 Produkte gewachsen. „Das ist das weltweit größte Bio-Sortiment einer Marke“, berichtet Rehn.

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Doch auch darin gibt es ständige Verschiebungen, weil sich die Geschmäcker der Kundschaft verändern: „Nehmen Sie die Milchersatzgetränke, das ist heute ein Riesen-Sortiment. Oder Kokosprodukte, die bieten wir in allen Varianten an.“ Selbst bei vermeintlichen Klassikern wie Honig oder Apfelsaft ändert sich das Kaufverhalten. „Früher hatten wir zwei Regalblockmeter Honig, heute gerade noch knapp einen. Honig ist nicht mehr so nachgefragt wie damals.“ Statt zu reinen Säften werde mehr zu Schorlen gegriffen. „Jährlich laufen etwa 1500 Artikel im Alnatura Markt aus oder werden neu eingeführt.“

Dass dem ersten Markt in Mannheim einmal 146 weitere folgen werden, war beim Start 1987 nicht unbedingt zu erwarten. Der Anfang war schwer und holprig, der Bio-Pionier hatte mit vielen Vorbehalten zu kämpfen. „Die Widerstände waren damals groß“, sagt Rehn rückblickend. „Es war schwer, das notwendige Investitionskapital zu erhalten.“ Ohne Eigenkapital, mit 600 000 Mark Schulden sei er gestartet, und er habe gewusst: „Entweder es funktioniert - oder Pech gehabt.“

Erste Filiale in Mannheim war Zufall

Die höchste Hürde war, eine Ladenfläche für das neue Handelskonzept zu finden. „Einen Bio-Laden? Um Gottes Willen, nein“, hat er landauf, landab von Vermietern zu hören bekommen, wenn er sich für eine Immobilie näher interessiert hat. „Ewig“ hat er nach einer Verkaufsfläche gesucht. So ist es eher dem Zufall zu verdanken, dass die Standortwahl für die erste Filiale auf Mannheim fiel. Dort war Rehn beim Vermieter mit seinem Konzept auf offene Ohren gestoßen. Direkt nebenan hatte damals auch ein vegetarisches Restaurant eröffnet.

Die Kritik an seinem Vorhaben hat Rehn nie richtig verstanden: „Wichtig war, dass die Kunden gekommen sind und positiv reagiert haben. Dafür bin ich dankbar.“ Dass sein Konzept nicht die schlechteste Idee war, zeigt sich daran, dass beide Betriebe an gleicher Stelle auch heute noch Nachbarn sind.

Redaktion Redakteur in der Wirtschaftsredaktion

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