Wirtschaft

Wie Mustafa Baklan zu einem der erfolgreichsten Unternehmer Deutschlands wurde

Wie Integration über wirtschaftlichen Erfolg gelingen kann, zeigt Mustafa Baklan. Der Unternehmer gründete Suntat und den Verband türkischer Unternehmer Rhein-Neckar e.V. - das zahlte sich aus

Von 
Ilgin Seren Evisen
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Ein Bild aus den 90er-Jahren: Suntat-Gründer und Netzwerker Mustafa Baklan mit seinen vorwiegend aus der Türkei importierten Produkten. © Mustafa Baklan

Mannhiem. Was anfangs als Ort zur Vernetzung migrantischer Unternehmer gedacht war, ist längst einst der erfolgreichen Wirtschaftsprojekte der Region. Der Verband türkischer Unternehmer Rhein-Neckar und sein Vorsitzender Mustafa Baklan leisten seit über zwei Jahrzehnten Pionierarbeit in der Entstehung eines regionalen migrantischen Clusters.

Als Vater Adigüzel Baklan seinen Sohn Mustafa 1972 aus der Stadt Corum am türkischen Schwarzmeer nach Mannheim holte, ahnte noch niemand, dass der 16-Jährige ein deutsch-türkisches Lebensmittelimperium begründen würde. Mit einem monatlichen Lohn von 900 Mark baute Vater Baklan nicht nur sein Leben in Mannheim auf, er unterstützte auch seine Familie in Corum.

Bildung war für die Familie Baklan der Schlüssel zum Erfolg

Zwar war Familie Baklan arm, aber Bildung galt als Schlüssel zum Erfolg. Tagsüber arbeitete der junge Mustafa und besuchte nach dem Job Sprachkurse an der Abendakademie. Sein Ehrgeiz und sein Eifer zahlten sich aus: Kurze Zeit später beendete er erfolgreich seine Elektroschweißer-Ausbildung, mit 17 sprach er verhältnismäßig gut Deutsch und hatte sein Schweißer-Zertifikat in der Tasche.

Mit 18 bot mir mein Chef 1200 Mark an, das war mehr als mein Vater trotz langjähriger Berufserfahrung verdiente
Mustafa Baklan Unternehmer

In der Mannheimer Firma Erwin Fehl auf dem Großmarkt in Mannheim begann er seinen neuen Job als Paketierer und stieg zum gefragtesten Mitarbeiter des Chefs auf. Anders als seine Kollegen sprach Baklan schon gut Deutsch und bekam im Unternehmen eine Sonderrolle als Übersetzer für seine türkischen Kollegen. „Mit 18 bot mir mein Chef 1200 Mark an, das war mehr als mein Vater trotz langjähriger Berufserfahrung verdiente“, feiert Baklan seinen ersten beruflichen Erfolg.

Ankunft in Mannheim war Kulturschock

Als Vertriebsexperte, Paketierer und in anderen Rollen im Betrieb erwarb er Berufserfahrungen, die ihn beim Aufbau seines eigenen Unternehmens von Nutzen sein würden. Einen Kulturschock, so Baklan, erlebte er damals nicht nur bei der Ankunft in Mannheim. Schon der Beginn der Schule in Ankara und sein Umzug aus Corum in die türkische Hauptstadt sei für den Jungen aus einem kleinen Dorf ein Schock gewesen. Die Ankunft in einem anderen Land, einer Industriestadt wie Mannheim, sei ein weiterer geworden. Damals lebte er mit seinem in einem Wohnheim für Gastarbeiter.

Morgens um 1, 2 bis 4 Uhr hörte man die Wecker klingeln. Alle verließen die Wohnheime und machten sich auf den Weg zur Arbeit.
Mustafa Baklan Unternehmer

„Meine erste Adresse in Mannheim lautete Hafenstraße 68“, so Baklan, der mit großer Bewunderung über den Arbeitseinsatz und Fleiß der „Ersten Generation“ spricht. „Morgens um 1, 2 bis 4 Uhr hörte man die Wecker klingeln. Alle verließen die Wohnheime und machten sich auf den Weg zur Arbeit“, beschreibt der Mannheimer Unternehmer seine ersten Eindrücke aus den 70er-Jahren. Schnell Geld sparen und zurück in die Heimat, lautete das Credo der ersten Generation.

Hummus, Weinblätter und Yufka: Lebensmittel für die Gastarbeiter

Auch Baklan strebte eine Rückkehr in die Türkei an. Damals reagierte er auf die wachsende Nachfrage nach türkischen Lebensmitteln und importierte diese nach Mannheim. Schnell stellte der junge Unternehmer fest, dass die importierten Produkte nicht EU-Normen entsprachen oder keine Qualitätskontrollen durchlaufen hatten. Daher gründeten Baklan und seine Geschwister in den 80er Jahren eigene Produktionsstätten in der Türkei.

Mit dem Beginn von Kooperationen mit Lebensmittelketten wie Edeka weitere er die Reichweite seiner Produkte 1999 aus. Hummus, Weinblätter, Yufka: Die erste Generation der Gastarbeiter hatte nun Zugang zu Lebensmitteln, die sie aus ihrer Heimat kannte und vermisste. Inzwischen befinden sich Produkte von Suntat (früher: Baktat) in allen Supermärkten Europas und sind aus diesen nicht wegzudenken. Über tausend Beschäftigte in Deutschland und in der Türkei tragen die Erfolge des Unternehmens mit. Mit der Einbeziehung der gesamten Familien in der Türkei und in Deutschland ist Suntat ein klassisches Familienunternehmen, mit allen Herausforderungen, die diese mit sich bringen.

Baklan ist einer der erfolgreichsten Unternehmer Deutschlands

Mustafa Baklan, der Migrant aus Corum, ist inzwischen einer der erfolgreichsten Unternehmer Deutschlands und ein Philanthrop, der wegen seines karitativen Engagements weit über die Grenzen Mannheims Anerkennung genießt. „Was ich konnte, was ich wusste, wollte ich an andere Unternehmer weitergeben“ erklärt der Mannheimer seine Motivation für die Gründung des Verbandes der türkischen Unternehmer Rhein-Neckar e.V. 1995. Buchhaltung, Hygiene, Qualitätsmanagement, Arbeitsschutz – Inhalte, die jeder Unternehmer draufhaben muss.

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„Meine erste Motivation zur Gründung des Unternehmerverbandes war der Wissenstransfer“, so Baklan. Die Generation der ersten Gastarbeiter verfügte über gefragte Gründerkompetenzen wie Risikobereitschaft und Handelsfertigkeiten. Was sie brauchte, waren wichtige Kenntnisse zu deutschen Arbeitsnormen und zum Aufbau eines Unternehmens.

Vernetzung zwischen Unternehmern

Den Erfolg der gelungenen Vernetzung dutzender regionaler Unternehmen im Verband erklärt sich Baklan mit unternehmerischem Ehrgeiz, aber auch Solidarität. Die Gemeinde der Mannheimer Türken habe er stets als solidarisch und hilfsbereit erlebt. Dank einer Förderung durch Mittel der EU gelang dem Verband mit Unterstützung der Wirtschaftsförderung Mannheim die Gründung eines Deutsch-Türkischen Wirtschaftszentrums.

Anders als in Köln, wo das Prestigeprojekt nur wenige Monate andauerte, konnten die türkischen und deutschen Unternehmer der Region das Deutsch-Türkische Wirtschaftszentrum 13 Jahre lang erfolgreich betreiben. Auch dieses von Baklan initiierte Projekt stellte die Vernetzung deutscher und türkischer Unternehmer und Start-ups der Region sicher und förderte die branchenübergreifende Zusammenarbeit.

Baklans Verdienst für die regionale Wirtschaft ist nicht nur die Gründung eines Lebensmittelimperiums. Früher als andere Unternehmer erkannte er das Gründungspotenzial türkischer Mitbürger. „Wer seinen Job verliert, verliert in der Community sein Gesicht“, erklärt er eines der Gründungsmotive von türkischen Migranten.

Nachfolgeregelung läuft wie am Schnürchen

Auch diese meist familiengeführten migrantischen Unternehmen verloren in der Pandemie wichtige Kunden, nicht wenige wurden insolvent. Dass mit dem Anstieg der Inflation die Kaufkraft sinke, belaste auch migrantische Unternehmen stark. Die Digitalisierung, Künstliche Intelligenz sowie gestiegene Strompreise seien auch bei den Netzwerkveranstaltungen des Verbandes heiß diskutierte Themen.

Unsere Kinder und Enkelkinder werden ja von klein auf in die Organisation betrieblicher Abläufe miteinbezogen, für sie ist es selbstverständlich, eines Tages das Unternehmen zu übernehmen.
Mustafa Baklan Unternehmer

Anders als deutsche Familienbetriebe, die oft vor der Herausforderung stehen, geeignete Nachfolger für die Unternehmensführung zu finden, laufe das bei den migrantischen Firmen wie am Schnürchen. „Unsere Kinder und Enkelkinder werden ja von klein auf in die Organisation betrieblicher Abläufe miteinbezogen, für sie ist es selbstverständlich, eines Tages das Unternehmen zu übernehmen“, so Baklan.

Seit 28 Jahren unterstützt der Verband türkischer Unternehmer Rhein-Neckar Gründer der Region mit Netzwerkveranstaltungen sowie Workshops. Das rege migrantische Gründungswesen der Region zeigt, wie nachhaltig migrantische Gründer, die meist mehrsprachig sind, den Wirtschaftsstandort stärken und Innovationen vorantreiben.

Der 16-jährige Mustafa Baklan plante einst, innerhalb von fünf Jahren Geld für einen Minibus in der Türkei anzusparen und dann in sein Dorf zurückzukehren. Der 67-jährige Mannheimer Unternehmer wünscht sich für die Zukunft, dass Unternehmer mit türkischen Wurzeln nicht mehr nach ihrer Einschätzung der Politik in der Türkei gefragt, sondern als Deutsche wahrgenommen werden und ihren Exotenstatus verlieren.

Mustafa Baklan, der auf zahlreiche unternehmerische Erfolge zurückblickt, möchte sich im Alter noch einen Jugendwunsch erfüllen: „Die Sache mit dem Minibus in der Türkei geht mir nicht aus dem Kopf“, schmunzelt er.

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