Interview

Warum brauchen wir „Smart Meter“, Herr Schönberg?

Das Mannheimer Unternehmen PPC entwickelt intelligente Messsysteme, mit denen man viel Strom sparen kann. CEO und Gesellschafter Ingo Schönberg erklärt, wie die Geräte funktionieren.

Von 
Walter Serif
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PPC-Gründer und Gesellschafter Ingo Schönberg mit einem Smart Meter in der Hand. © Christoph Blüthner

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Mannheimer Unternehmen PPC verkauft Smart Meter für effizientes Energiemanagement.
  • Smart Meter senken Stromkosten und entlasten das Netz.
  • PPC ist Marktführer mit 1,4 Millionen verkauften Geräten.

Mannheim. Ingo Schönberg ist Gründer und Vorstandschef des Mannheimer Unternehmens PPC. Es ist Marktführer bei intelligenten Messsystemen, den Smart Meter Gateways.

Herr Schönberg, was halten Sie als Verfechter der Energiewende vom Kurs der neuen Bundesregierung?

Ingo Schönberg: Die Koalition passt jetzt Dinge an, die vielleicht ein bisschen aus dem Ruder gelaufen sind. Eines ihrer Ziele ist es ja, dass die Netzinfrastruktur auch dem rasanten Ausbau der Erneuerbaren Energien folgt. Das heißt, der Ausbau der Netze und deren Digitalisierung muss jetzt beschleunigt werden, um den Boom von Sonnen- und Windenenergie fortsetzen zu können.

Die neue Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hat ja eine gewisse Schwäche für fossile Brennstoffe, vor allem für Erdgas.

Schönberg: Da bin ich zwiegespalten. Wir wissen natürlich, dass wir zur Sicherung unserer Energieversorgung auch gesicherte Kapazität aus Gaskraftwerken brauchen. Ob das dann aber wirklich 40 Stück mit einer Gesamtleistung von 20 Gigawatt sein müssen, das sollte man genauer prüfen. Denn jedes Gaskraftwerk, das langfristig zu viel im Netz ist, sorgt dafür, dass weniger kostengünstige erneuerbare Energien genutzt werden.

Obwohl bereits mehr als die Hälfte des Stroms aus Sonnen- und Windenergie besteht, ist der Strompreis in Deutschland noch immer sehr hoch. Das fördert nicht gerade die Akzeptanz der Energiewende, oder?

Schönberg: Für die hohen Preise sind nicht die Erneuerbaren Energien verantwortlich. Bei 40 Cent je Kilowattstunde Strom sind 13 Cent Steuern und Umlagen, elf Cent Netzentgelte und nur die Hälfte der verbleibenden 16 Cent für Stromvertrieb entfallen auf Beschaffung zum Börsenpreis Strom. Im internationalen Vergleich sind Steuern und Umlagen hoch. Berlin will ja die Stromsteuern senken …

… aber nicht für alle und auch nicht sofort …

Schönberg: … das stimmt und ist bedauerlich. Die Bundesregierung hat aber immerhin erkannt, dass wir das Stromnetz beschleunigt digitalisieren müssen und so die Netzinvestitionen nachhaltig senken und Zugang zu günstigen Tarifen ermöglichen können.

Und da kommt Ihr Unternehmen mit den Smart Meter Gateways ins Spiel. Erklären Sie doch mal, welche Rolle diese Geräte bei der Energiewende spielen.

Schönberg: Die große Herausforderung der Energiewende ist ja, dass die Stromerzeugung mit Wind und Sonne wetterabhängig ist und sie deshalb schwankt. Außerdem nutzen die Endkunden jetzt vermehrt auch neue Verbraucher wie Wallboxen fürs Elektroauto und Wärmepumpen mit neuen Lastprofilen. Erzeugung und Verbrauch laufen daher nicht synchron im Takt und das ist für Markt und Netzbetrieb anspruchsvoll. Hohe Preisspitzen oder negative Preise sind die Folge und der Netzbetrieb kommt an seine Grenzen. Wir brauchen deshalb mehr Flexibilität und Speicherung auf beiden Seiten. Das intelligente Messsystem mit unserem Smart Meter Gateway ermöglicht es, den Stromverbrauch und die Stromerzeugung bei Bedarf zu steuern und so Angebot und Nachfrage besser zu synchronisieren. Der Endkunde lädt dann zum Beispiel sein E-Auto nicht von 17 bis 19 Uhr auf, sondern macht dies in der Nacht und auch bei der Nutzung der Wärmepumpe hat der Verbraucher Optionen zur Flexibilisierung. Smart Meter ermöglichen Endkunden günstigere Strombeschaffung und erlauben dem Netzbetrieb in seltenen kritischen Betriebszuständen einzugreifen statt teuer Netze für Spitzen auszubauen.

In der Mannheimer Zentrale von PPC werden die Smart Meter Gateways entwickelt und getestet. © Christoph Blüthner

Wie viel Geld lässt sich denn einsparen, wenn ein Kunde einen Smart Meter und damit einen flexiblen Stromtarif hat?

Schönberg: Die jährlichen Stromkosten für ein E-Auto mit 10.000 Kilometer Fahrleistung belaufen sich auf rund 600 bis 750 Euro. Bei einem Voll-Flex-Tarif mit nächtlichem Laden kann schnell die Hälfte eingespart werden. Das Sparpotential ist also enorm.

Lohnt sich ein Smart Meter auch für jemanden, der kein E-Auto oder eine Wärmepumpe hat, und damit deutlich unter einem Verbrauch von 6000 Kilowattstunden im Jahr liegt? In diesem Fall ist der Einbau eines Smart Meters ja nicht Pflicht.

Schönberg: Ich finde schon, dass sich das lohnt. Ein „dummer“ Zähler, der ja nichts kann, kostet 25 Euro im Jahr. Sie müssen dann dem Energieversorger den Zählerstand mitteilen, falls der nicht jemanden bei Ihnen vorbeischickt. Mit einem Smart Meter Gateway geht das automatisch. Als optionaler Einbaufall mit dem gesetzlich verankerten vorgezogenen „Einbau auf Kundenwunsch“ zahlt der Endkunde 35 Euro mehr, wenn er auf den gegebenenfalls erst später erfolgenden Regelausbau wartet sogar nur fünf Euro mehr. Das holt man leicht mit attraktiven Tarifen und Preisgarantie wieder raus. Bei einem Pflichteinbau mit Ladesäule kostet es zwar 75 Euro mehr, aber es gibt für die Steuerbarkeit einen Netzentgeltbonus von rund 150 Euro. Damit macht der Kunde ja schon ein Plus von 75 Euro. Zusätzlich kann er bei einem flexiblen Tarif auf Viertelstundenbasis mit Ladestrommanagement einige 100 Euro einsparen.

Inwieweit können Smart Meter die Schwankung bei der Stromerzeugung ausgleichen und damit das Netz entlasten?

Schönberg: Zunächst einmal gibt es ja eine Art Energiewende-Deal zwischen den Endkunden und den Netzen. Jeder kann seine erneuerbare Anlage oder Wallbox anschließen, wenn sie mit einem Smart Meter steuerbar ist. Wenn dann in den Spitzenzeiten zu viel Energie in den Netzen ist, kann der Netzbetreiber die Leistung beim Verbraucher dimmen. Denn leider kann nicht beliebig viel Strom in den Straßen von Mannheim weitergeleitet werden, wenn der Wind im Norden bläst und die Preise am Markt niedrig sind oder umgekehrt alle lokal auch die höchste Sommerspitze ihrer Solaranlage einspeisen wollen. Durch die Smart Meter lassen sich die Stromnetze einfach besser auslasten und Erneuerbare besser mit neuen Lasten synchronisieren. Das senkt natürlich auch die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten.

Ein Elektriker montiert einen digitalen Stromzähler mit einem Smart-Meter-Gateway zur Datenübertragung. © picture alliance/dpa

Kann es sein, dass der Netzbetreiber die PV-Anlage ganz abschaltet oder das Aufladen der E-Batterie stundenlang blockiert?

Schönberg: Nein, abgeschaltet wird nie, es wird immer nur die Leistung etwas reduziert. Dann könnte der Kunde sein E-Auto zum Beispiel für kurze Zeit nicht mit 22, sondern mit nur elf Kilowatt laden.

Die Smart-Meter-Pflicht betrifft Haushalte, die einen Jahresstromverbrauch von mehr als 6000 Kilowattstunden haben, einen flexiblen Tarif mit ihrem Stromanbieter vereinbart haben sowie die Nutzer von PV-Anlagen, Ladesäulen oder Wärmepumpen. Bis zum Ende des laufenden Jahres ist eine Quote von 20 Prozent für heutige Fälle gesetzlich vorgeschrieben. Ist das realistisch?

Schönberg: Die 20-Prozent-Quote in diesem Jahr wird im Mittel erreicht, auch wenn kleinere Versorger noch etwas hinterherhinken. Abgeschlossen ist der Rollout 2032, mit gleichzeitig deutlich ansteigenden Pflichtfällen aus der Energiewende. Wir haben in Deutschland etwa 22 Millionen Gebäude und nahezu jedes wird im Vollausbau ein Smart Meter Gateway erhalten. Gegenwärtig haben im gerade begonnenen Rollout zwei Millionen ein intelligentes Messsystem. Aber inzwischen werden bereits zwei Millionen Geräte im Jahr installiert. In acht Jahren müssten dann alle 20 Millionen geplanten Einbaufälle angeschlossen sein. In deutschen Immobilien gibt es 54 Millionen Stromzähler. In Mehrfamilienhäusern mit zum Beispiel zehn Mietern reicht ein einziges Smart Meter Gateway für alle Zähler.

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Schönberg: In der Energiewende brauchen wir Steuerbarkeit und das Smart Meter Gateway greift ja in eine kritische Infrastruktur ein. Da braucht es hohe Cybersicherheit. Das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik prüft und zertifiziert unsere Smart Meter Gateways und wir sind sogar formal ein systemkritisches Unternehmen. Und das muss auch so sein.

Haben andere Länder auch Smart Meter?

Schönberg: Jein. In Frankreich werden zum Beispiel nur die Zählerstände digital ausgelesen. Mit dem Smart Meter Gateway kombinieren wir aber das Zähler-Auslesen mit der für die Energiewende benötigten Steuerungsfunktion und Netzzustandserfassung in einem Gerät. Mit diesem Smart Grid Ansatz sind wir im internationalen Vergleich technologischer Vorreiter und erste Länder wie die Niederlande folgen gerade.

Und wie läuft dann das Geschäft mit den Smart Metern?

Schönberg: Vor 17 Jahren haben wir quasi als Start-up begonnen und ein klassisches Tech-Unternehmen hochgezogen. Mittlerweile arbeiten hier in Mannheim rund 130 Leute, das sind vor allem Produktexperten. Bei unserem Fertiger Weptech in Landau arbeiten 250 Beschäftigte in der Fertigung. Unser Umsatz liegt bei rund 150 Millionen Euro im Jahr.

Ingo Schönberg

Ingo Schönberg ist Gründer, Gesellschafter und seit 2001 Vorstandsvorsitzender von Power Plus Communications (PPC) in Mannheim .

Er studierte I ngenieurswissenschaften und Betriebswirtschaft in Dortmund und Hagen.

Ab 1996 übte Ingo Schönberg verschiedene Führungspositionen bei der Mannheimer MVV Energie aus, der Einstieg in die Telekommunikationsbranche erfolgte 2000 bei der früheren MVV-Tochter Manet, die inzwischen zu den Pfalzwerken in Ludwigshafen gehört.

Und wie sieht es mit der Umsatzrendite aus, ist die zweistellig?

Schönberg: Das sind wir und wachsen jährlich mit 30 bis 40 Prozent im Umsatz und sind als hochattraktives Unternehmen der Prototyp eines Hidden Champions im Mittelstand. Wir wurden dafür auch schon vielfach als Innovator ausgezeichnet. Wir investieren viel Geld in Entwicklung, Technologie und Innovation. Und dabei vor allem in die Smart Meter Software und in Plattformlösungen im Ökosystem unsere Produkte, so zum Beispiel in Lösungen für bi-direktionales Laden gemeinsam mit E.ON und BMW. Die Smart Meter Gateways verkaufen wir an Energieversorger wie die Mannheimer MVV oder an Dienstleister wie Enpal oder Octopus.

Wie viele Smart Meter haben sie denn schon verkauft?

Schönberg: 1,4 bis 1,5 Millionen Geräte und wir bauen die Produktion für 2026 auf über eine Million pro Jahr aus. PPC ist Markführer.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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