Herr Fuchs, Sie geben nun das letzte Stück Macht ab. Wie schwer fällt Ihnen das Loslassen?
Manfred Fuchs: Das fällt mir überhaupt nicht schwer. Ich habe mich mental darauf vorbereitet - schon als ich aus dem börsennotierten Konzern ausgeschieden bin, und jetzt eben aus der Familiengesellschaft. Ich habe so viele andere Interessen: In meinem „zweiten Leben“, das ich führe, bin ich mit großer Begeisterung Maler und Künstler.
Frau Fuchs, was bedeutet es für Sie, mit dieser neuen Aufgabe betraut zu sein? Es gibt ja das Klischee mit den großen Fußstapfen . . .
Susanne Fuchs: Zunächst einmal möchte ich sagen: Ich gehöre wohl zu den größten Bewunderern meines Vaters und bin ihm unendlich dankbar für das, was er für das Unternehmen und die Familie getan hat. Die Fußstapfen sind riesig. Ich habe einen Heidenrespekt vor dieser neuen Aufgabe. Jetzt muss ich mich eben reinknien - so wie im Aufsichtsrat. Ich denke, ich bin sehr hartnäckig. Und wenn ich etwas nicht verstehe, frage ich. . .
Zu Manfred und Susanne Fuchs
- Manfred Fuchs wurde 1939 in Mannheim geboren. Er studierte Betriebswirtschaftslehre und übernahm bereits 1963 - nach dem frühen Tod seines Vaters - den elterlichen Betrieb. Er machte aus Fuchs (früher Fuchs Petrolub) den größten Schmierstoffhersteller der Welt. 2017 zog sich Manfred Fuchs nach 54 Jahren aus dem Unternehmen zurück.
- Susanne Fuchs wurde 1964 in Mannheim geboren. Sie promovierte in Veterinärmedizin, danach folgte ein betriebswirtschaftliches Studium. Seit 2017 sitzt Susanne Fuchs im Aufsichtsrat des Konzerns.
Davor haben Sie keine Scheu?
Susanne Fuchs: Nein, denn es gibt keine dummen Fragen. Ich möchte alles bis ins kleinste Detail verstehen. Das ist mein Arbeitsstil. Ich bin nicht der zweite Manfred Fuchs, ich werde nicht meinem Vater nacheifern. Mir ist es wichtig, ehrlich und authentisch rüberzukommen.
Sie haben von Haus aus etwas ganz anderes studiert.
Susanne Fuchs: Ich bin von Haus aus Tierärztin, stimmt. Ich habe zunächst in mehreren Kleintierkliniken gearbeitet und mich dann mit einem Zytologie- und Hämatologie-Labor selbstständig gemacht, weil es damals mit kleinen Kindern schwierig gewesen ist, in einer Tierklinik zu arbeiten. Nach dem Umzug nach England bin ich noch einmal umgeschwenkt - und habe als Lehrerin in einer privaten Grundschule, einer Prep School, gearbeitet. Bis mich eines Tages mein Vater anrief und meinte: Du könntest jetzt mal einen BWL-Kurs machen, um dein Erbe zu verstehen. Daraus wurde der MBA, der Master of Business Administration. Jetzt bin ich mit großem Stolz Familienunternehmerin.
Irgendwann ist der Ruf der Familie also doch stärker gewesen.
Susanne Fuchs: Ich trauere der Tiermedizin nicht mehr nach. Das war ein anderer Lebensabschnitt.
Als Unternehmer fährt man nicht mit dem Ferrari oder dem Bentley in die Fabrik!
Herr Fuchs, Sie haben einmal gesagt, ein Unternehmer soll Bescheidenheit und Anstand leben. Was halten Sie von exzentrischen Managern wie Tesla-Chef Elon Musk?
Manfred Fuchs: Der Grundsatz der Bescheidenheit beseelt unsere gesamte Familie. So hat uns schon mein Vater, der das Unternehmen gegründet hat, erzogen. Dazu gehört, nach außen hin angemessen aufzutreten und kein Spektakel zu veranstalten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Betrieb haben ein feines Gespür für eine unangemessene Lebensart. Als Unternehmer fährt man nicht mit dem Ferrari oder dem Bentley in die Fabrik!
Was machen Sie anders, vor allem im Hinblick auf die Beschäftigten?
Manfred Fuchs: Früher haben wir weltweit Fabriken und Tochtergesellschaften besucht und mit den Beschäftigten gesprochen. Wir haben nie jemanden „einbestellt“. Mein Sohn Stefan macht das bis heute so, in Mannheim kennt er viele Beschäftigte mit Namen.
Die Welt ist viel schneller geworden, eine Krise jagt die nächste . . Wie empfinden Sie das?
Susanne Fuchs: Wir leben von der Globalisierung - und trotzdem gibt es viele Weltmächte, die eine Rolle rückwärts in eine überwiegend nationale Richtung einlegen wollen. Das bereitet mir schon Kopfzerbrechen.
Manfred Fuchs: Die Globalisierung ist für uns Deutsche eine Quelle des Wohlstands und der Beschäftigung gewesen.
Aktuell wird vor allem über den Umgang mit China gestritten.
Susanne Fuchs: China ist uns in der Elektromobilität weit voraus. Die deutschen Hersteller haben dort große Herausforderungen. Für viele Chinesen ist es nicht mehr toll und und kein Statussymbol mehr, einen deutschen Wagen zu fahren. Das China-Bashing in Deutschland dient diesem Thema nicht.
Manfred Fuchs: Dieses China-Bashing unterstützen wir keinesfalls. China ist ein riesiger Markt. Es ist nicht an uns, den Menschen dort vorzuschreiben, wie sie zu leben und zu arbeiten haben. Es ist eine andere Welt, eine andere Kultur. Das müssen wir respektieren.
Sie beneiden Ihren Bruder vermutlich nicht um den täglichen Druck im operativen Geschäft, oder?
Susanne Fuchs: Stefan ist anders als wir, er ist immer sehr ruhend. Er sagt immer: In der Ruhe liegt die Kraft.
Wie ist es für Sie als stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende, den eigenen Bruder zu kontrollieren?
Susanne Fuchs: Davor hatte ich ehrlich gesagt am Anfang Respekt. Ich fand diese Konstellation nicht sonderlich geschickt, weil ich ein gutes Verhältnis zu meinem Bruder habe. Doch es läuft optimal: Wir reden oft über einzelne Themen, telefonieren vor oder nach einer Aufsichtsratssitzung. Zudem haben wir mit Christoph Loos einen unabhängigen und souveränen Aufsichtsratsvorsitzenden.
Nach dem Rückzug vom Vorstandsvorsitz bin ich aus meinem Büro raus. Mein Sohn fand das etwas komisch. Aber für mich hat das Symbolkraft - jemand anderes hat nun das Sagen.
Ihr Vater hat einmal gesagt, Familienunternehmer haben die Pflicht, den Betrieb für die nächste Generation zu erhalten. Stimmen Sie zu?
Susanne Fuchs: Absolut, genau das ist doch das Essenzielle. Wenn die Familie nicht mehr so wie jetzt mehr als 50 Prozent des stimmberechtigten Kapitals hält, wären wir ein potenzieller Übernahmekandidat.
Manfred Fuchs: Praktisch schuldenfrei, Jahr für Jahr eine hohe Generierung von freiem Cashflow. Eine ideale Situation für einen Interessenten.
Susanne Fuchs: Deshalb organisieren wir regelmäßig ein Wochenende mit der gesamten Familie, damit sich alle kennenlernen und austauschen. Das ist unglaublich wichtig - gerade in der vierten Generation, die sich mit einem Familienunternehmen oft nicht mehr so verbunden fühlt wie die vorherigen Generationen. Ich zum Beispiel bin früher mit meinen Cousinen und Cousins wandern gewesen. Heute sind meine Kinder gut mit den Kindern meines Bruders befreundet. Aber viele andere junge Mitglieder der Familie aus Nürnberg, München oder Shanghai sehen sich zumindest ein Mal im Jahr - eben an diesem besagten Wochenende.
Wie ist es an Weihnachten oder an Geburtstagen - gibt es auch eine private Familie Fuchs? Oder ist das Unternehmen allgegenwärtig?
Susanne Fuchs: Nein, solche Anlässe sind dann auch privat. Früher hast du auf Feiern tatsächlich mit Stefan viel über Berufliches geredet . . .
Manfred Fuchs: . . . das mag er aber gar nicht. Inzwischen sagen wir: „Komm, das bereden wir morgen.“
Wie war es damals, als Sie den Vorstandsvorsitz an Ihren Sohn Stefan Fuchs weitergegeben haben? Ist es Ihnen schwergefallen, sich aus dem Tagesgeschäft herauszuhalten?
Manfred Fuchs: Wie ich vorhin schon sagte, ich habe mich mental drauf eingestellt. Gott sei Dank haben wir eine Nachfolgegeneration in der Familie, die gewillt, qualifiziert und geeint ist.
Susanne Fuchs: Als ich vor einigen Jahren in den Aufsichtsrat eingezogen bin, habe ich nach der Hauptversammlung meine Eltern besucht. Mein Vater stand in der Malerhose da, völlig glücklich. Du redest mir in meine Arbeit nie rein.
Manfred Fuchs: Nach dem Rückzug vom Vorstandsvorsitz bin ich aus meinem Büro raus. Mein Sohn fand das etwas komisch. Aber für mich hat das Symbolkraft - jemand anderes hat nun das Sagen. Übrigens halten sich meine beiden Kinder sehr an ihre Verschwiegenheitspflicht. Die erzählen mir gar nichts.
Susanne Fuchs: Nach Aufsichtsratssitzungen darf ich auch gar nichts sagen. Schließlich gibt es eine strikte Corporate Governance (Richtlinien zur Unternehmensführung, Anm. d. Red.).
Welche persönlichen Eigenheiten fallen Ihnen ein?
Susanne Fuchs: Mein Vater hat wirklich nie gejammert, außer einmal: Als wir vom alten Bürogebäude umgezogen sind und er sich von seinen alten Akten trennen musste.
Manfred Fuchs: Ich brauche eben meine Akten auf Papier, um mir etwas zu veranschaulichen. Die heutigen Vorstände haben gar keine Akten mehr. Alles digital.
Susanne Fuchs: Homeoffice magst du auch nicht.
Manfred Fuchs: Das ist wahr.
Gibt es im Nachhinein etwas, das Sie anders gemacht hätten, Herr Fuchs?
Manfred Fuchs: Tatsächlich ist mir einmal ein Projekt unheimlich wichtig gewesen. Im Aufsichtsrat habe ich die letzte Karte gezogen. Ich sagte zu den anderen Mitgliedern: „Sie entscheiden hier über mein Vermögen!“ Der Vorsitzende erwiderte schnell, das gehöre nicht hierher. Denn wir stünden in der Pflicht aller Aktionäre, nicht nur in der Pflicht der Familie. Damit war die Sache geklärt. Und ich habe dieses Argument nie mehr gebracht. Vorstand und Aufsichtsrat liefern sich ein wertvolles Kräftespiel, das Unternehmen auf einem guten Weg begleitet und vor Fehlentscheidungen bewahrt. Bei uns ist der Aufsichtsratsvorsitz immer familienunabhängig gewesen, und das bleibt auch so. Das dient der Unabhängigkeit und der Professionalität.
Was sind denn noch wichtige strategische Schritte, die das Unternehmen aus Ihrer Sicht in den kommenden Jahren gehen muss?
Susanne Fuchs: Zum einen die Digitalisierung. Wir vereinheitlichen unsere Prozesse gerade weltweit als Vorbereitung zur Umstellung auf SAP S/4 HANA. Zum anderen die Elektromobilität. Wir machen zehn Prozent unseres Geschäfts mit Pkw-Motorenölen. In der Mobilitätswende sehen wir für einen Spezialisten wie Fuchs Wachstumschancen.
Manfred Fuchs: Wir müssen die hohe Spezialisierung und das Nischengeschäft weiterführen, zudem die breite Aufstellung.
Susanne Fuchs: Vor Kurzem habe ich mir unsere Kühlflüssigkeiten für Computer in Datencentern zeigen lassen. Oder die Schmierung von Diabetesspritzen. Schon faszinierend.
Peilt Fuchs den Leitindex Dax an?
Susanne Fuchs: Das planen wir nicht explizit, wir sind im M-Dax momentan in einer guten Position. Aber sie haben recht: Das Strategie-Programm Fuchs 2025 ist aufgesetzt, irgendwann werden wir ein großer Konzern sein. Vielleicht stellt sich diese Frage dann.
Herr Fuchs, Sie haben sich sehr stark in den Neubau der Mannheimer Kunsthalle eingebracht. Wie ist es für Sie, vor der Kunsthalle zu stehen?
Manfred Fuchs: Ich bin glücklich. Der Neubau ist großartig geworden. Die Sammlungsbestände sind sehr bedeutend.
Susanne Fuchs: Wir feiern ja auch mit der Familie deine Verabschiedung in der Kunsthalle.
Wie können wir uns den Privatmann Manfred Fuchs vorstellen? Sie sind ja bald völlig frei.
Susanne Fuchs: Da bin ich auch mal gespannt.
Manfred Fuchs: Hauptsächlich möchte ich zuhause mehr Zeit mit meiner Frau verbringen - und mich der Kunst und der Musik widmen. Schöne Urlaube werden wir auch machen. Dabei verzichte ich wahrscheinlich erstmals aufs Skilaufen. Immerhin werde ich schon bald 85.
Susanne Fuchs: Ach, bei schönem Wetter steigst du bestimmt wieder auf die Skier.
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