Mannheim. Auf Initiative der europäischen Hotelallianz Hotrec und über 30 nationalen Verbänden – darunter der Hotelverband Deutschland (IHA) - fordern mehr als 10.000 Hotels Schadenersatz von Booking.com. Die Betriebe werfen dem weltgrößten Hotelbuchungsportal vor, sie über Jahre daran gehindert zu haben, günstigere Direktpreise anzubieten. Wie stehen Hoteliers in Mannheim und Umgebung zu dem Buchungsportal?
Hinter vorgehaltener Hand wird Booking.com von Hoteliers schon mal als „notwendiges Übel“ bezeichnet. Man habe lange unter unfairen Bedingungen und überhöhen Kosten gelitten, heißt es. Mittlerweile gibt es die Bestpreisklausel zwar nicht mehr. Doch die Marktmacht des Portals ist vielen unheimlich. Gleichwohl sind sie auf den Vertriebskanal angewiesen. Wer nicht auf Booking.com auftaucht, ist für Kunden fast unsichtbar. Ein Hotel allein würde niemals gegen die Plattform ankämpfen – aus Angst, von der Plattform verbannt zu werden. Auch deshalb wirbt der Hotelverband Deutschland (IHA) mit: „Gemeinsam für Schadenersatz“.
Mannheimer Hotel Mack macht bei Klage gegen Booking.com mit
„Auch wir beteiligen uns an der Klage und hoffen, dass es einen positiven Abschluss gibt“, erklären Christian und Ingo Binz, Geschäftsführer des Hotel Mack in der Mannheimer Innenstadt. „Wir sind dankbar, dass Hotrec und der Hotelverband Deutschland diesen Weg gegangen sind, und drücken die Daumen.“ Als multinationaler Konzern sei Booking sehr groß und mächtig, „die geben die Richtung vor, da spielt leider viel Geld eine Rolle. Die Marge ist gigantisch“, so Mack.
Die Brüder, die das Drei-Sterne-Haus mit langer Familientradition führen, rechnen mit einem längeren Verfahren. „Trotzdem begrüßen wir die Initiative.“ Das Problem mit den Bestpreisklauseln bestehe schon länger, es sei ein „Kampf gegen Windmühlen“.
Einige Leistungen können nur direkt beim Hotel gebucht werden
Ihre Gäste, die über das Portal gebucht haben, weisen sie auf die Problematik hin: „Wir klären unsere Gäste auf, dass sie über unsere Homepage buchen sollen, weil es für sie günstiger ist. Aber viele wissen das nicht“, sagen die Geschäftsführer. In einem kleinen, privat geführten Hotel wie ihrem sei die Ansprache an die Gäste möglich. Viele große Hotelketten könnten das nicht leisten oder wollten dies möglicherweise nicht. Da einigen das Personal fehle, seien sie dankbar, dass Buchungen über das Buchungsportal kämen. Doch Booking.com sind auch Grenzen gesetzt: Wer im Hotel Mack einen Garagenplatz zubuchen möchte, kann das ausschließlich direkt über das Hotel.
Die Ariva Hotel GmbH, ein Tochterunternehmen der Mannheimer Diringer & Scheidel-Gruppe, ist mit ihren vier Häusern auf Booking.com vertreten, darunter das Radisson Blu und das Hilton Garden Inn. Allerdings will sich Ariva nicht zu den Erfahrungen mit der Plattform äußern. „Aufgrund der aktuellen Lage und der rechtlichen Unsicherheiten verzichten wir im Moment auf die Teilnahme an der Sammelklage“, sagt Geschäftsführer Achim Ihrig. Derzeit prüfe man noch den Sachverhalt.
Das Hotel Kurpfalzstuben in Mannheim beteiligt sich ebenfalls nicht an der Klage. Dennoch begrüßt Andrea Hechler, die Tochter von Geschäftsführerin Ursula Hochlenert, das Verfahren. Sie hofft, dass die großen beteiligten Hotelketten der Klage mehr Nachdruck verleihen als kleinere Betriebe wie ihrer.
Marktführer Booking.com
Laut einer Studie von Hotrec und der Fachhochschule Westschweiz Wallis wurden 2023 europaweit 29,1 Prozent aller Übernachtungen über Online-Buchungsportale (OTAs) abgewickelt.
Innerhalb dieses Segments hält die Booking Holdings laut Studie einen Marktanteil von 71 Prozent – in Deutschland 72,3 Prozent .
Booking.com verweist dagegen darauf, dass Direktbuchungen mit 50,9 Prozent weiterhin den größten Anteil am Gesamtmarkt ausmachen.
Das Portal hat seinen Sitz in Amsterdam (Niederlande).
Auch die Zimmer des Drei-Sterne-Hotels in der Nähe des Hauptbahnhofs können über Booking.com gebucht werden. Das soll auch so bleiben, denn einen Rückzug „kann man sich nicht mehr leisten“, erklärt Andrea Hechler. „Booking.com ist sehr groß geworden, sie sind bekannt, haben ein großes Netzwerk und geben viel Geld für Werbung aus.“ Dass das Portal sehr beliebt ist, kann sie nachvollziehen: „Es ist einfach, benutzerfreundlich und gut aufgestellt.“
„Booking.com hat seine Position als Online-Vermittler kontinuierlich ausgebaut und ist ein wichtiger Vertriebspartner für vertraglich nicht gebundene Bucher, auch für unsere Hotels“, erklärt ein Sprecher der Atlantic Hotel Gruppe, die ein Haus in der Heidelberger Bahnstadt betreibt. Die erhöhten Kosten müsse letztlich der Gast mittragen. Der Sprecher hebt hervor: „Die günstigsten Raten sind in der Regel direkt über die Hotelwebsites buchbar.“ Nichtsdestoweniger sei „dieser Online-Vermittler“ als Vertriebskanal nicht mehr wegzudenken.
Atlantic Hotel Gruppe schon bei erster Sammelklage dabei
Den Angaben nach erhält auch das Atlantic Hotel Heidelberg einen sehr großen Teil der individuellen Buchungen über Booking.com. In Heidelberg steigen viele englischsprachige Touristen und Geschäftsreisende ab, die es gewohnt sind, über solche Portale zu buchen. Sicher trägt auch der internationale Klang des Namens dazu bei, dass viele Gäste aus dem Ausland booking.com nutzen.
Die Atlantic Hotel Gruppe hatte sich schon im Jahr 2020 der ersten Sammelklage gegen booking.com „daBeisein“ über den Hotelverband Deutschland (IHA) angeschlossen. Dazu sind laut Dehoga Gerichtsverfahren vor dem Bezirksgericht Amsterdam oder dem Landgericht Berlin anhängig. Hotels, die an „daBeisein“ teilgenommen haben, brauchen sich für die jetzige gesamteuropäische Sammelklage Hotels nicht mehr zu registrieren.
Bestpreis-Garantie jetzt für die Direktbuchung
Das Hotel Alte Rebschule im pfälzischen Rhodt bei Edenkoben hat sich der Sammelklage bisher nicht angeschlossen. „Für uns ist das kein Thema, weil wir früher sowieso überall den gleichen Preis für unsere Zimmer berechnet haben – egal, wo sie gebucht wurden“, sagt Geschäftsführerin Sonja Schäfer. Vor rund eineinhalb Jahren sei man allerdings dazu übergegangen, die Preise tagesaktuell anzupassen. In diesem Zuge habe man auch eine Bestpreis-Garantie für Direktbuchungen eingeführt: Gäste, die ihr Zimmer direkt beim Hotel buchen, bekämen seither immer den besten Preis.
So kostet eine Übernachtung im Doppelzimmer für zwei Personen mit Halbpension Anfang August beispielsweise 309 Euro, wenn sie direkt über die Internetseite des Hotels gebucht wird. Bei Booking.com werden für dasselbe Angebot 319 Euro fällig. Wie viel die Alte Rebschule an die Plattform abgeben muss, wenn dort eines ihrer Zimmer gebucht wird, will Schäfer nicht genau sagen. Aber: „Mit den 10 Euro Preisaufschlag ist die Gebühr nicht abgedeckt.“
„Man ist da schon sehr ausgeliefert“
Insgesamt spiele Booking.com für den Pfälzer Betrieb keine besonders große Rolle. „Die allermeisten Gäste buchen ihr Zimmer direkt bei uns“, sagt Schäfer. Die Buchungsplattform nutze man vor allem, um die eigene Sichtbarkeit noch etwas zu stärken. Allzu abhängig davon wolle man aber nicht sein: „Man ist da schon sehr ausgeliefert, schon allein, weil man gar keinen direkten Kontakt zum Kunden hat, wenn er uns über Booking.com bucht.“
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