Mannheim/Darmstadt. Dr. Jörg Raupach scheint ein tüchtiger Mann zu sein, man könnte fast sagen: umtriebig. Es wirkt jedenfalls, als arbeite er als Richter an mehreren Amtsgerichten gleichzeitig: Darmstadt, Nürnberg, Osnabrück, Flensburg, Krefeld. Dort tut der fleißige „Richter“ vor allem eins: Er schreibt Rechnungen.
Problematisch an Dr. Raupachs Arbeitseifer: Die Rechnungen, die mit seinem Namen unterzeichnet sind, sind gefälscht. Wer darauf reinfällt und zahlt, überweist das Geld nicht ans Amtsgericht, sondern auf das Konto von Betrügern. Dr. Jörg Raupach? Den gibt es weder am Amtsgericht Darmstadt noch an einem der anderen genannten Amtsgerichte. Die Betrüger nutzen den Namen, um den gefälschten Rechnungen einen möglichst seriösen Anstrich zu verleihen.
Rechnungen von Betrügern sind in schönstem Amtsdeutsch formuliert
Timo Bähr hat schon mehrere solcher Fake-Rechnungen bekommen. Die letzte kam kurz nach der Gründung seines zweiten Start-ups. Das Viernheimer Unternehmen bietet eine App an, die Verbraucherinnen und Verbrauchern hilft, ihren Energieverbrauch zu verfolgen und zu optimieren.
Dass es sich bei den Rechnungen an sein junges Unternehmen um Betrugsversuche handelt, hat Bähr zum Glück jedes Mal erkannt. Dabei sieht vor allem das jüngste Schreiben auf den ersten Blick schon ziemlich echt aus: mit Wappen auf dem Briefkopf, einer Zentralen Zahlstelle aus Frankfurt als Absender und einem im schönsten Amtsdeutsch formulierten Absatz. Der informiert darüber, was bei Zahlungsverzug droht. Gefordert werden 759 Euro für eine Handelsregisterbekanntmachung. Unterzeichnet: „Hochachtungsvoll Dr. Jörg Raupach, Richter am Amtsgericht Darmstadt“.
Ein Einzelfall ist die Fake-Rechnung, die Bähr nach der Gründung seines Unternehmens EHW+ bekommen hat, keinesfalls: Seit Jahren warnen Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern quer durch die Republik Unternehmen vor dem Schreiben, das in vielen Fällen nahezu identisch ist.
Nur das Amtsgericht variiert, an dem der unterzeichnende Richter - mal heißt er Dr. Jörg Raupach, mal anders - angeblich arbeitet. Es ist angepasst an die jeweilige Region, in der die potenziellen Opfer ihren Sitz haben. Auch die Bankverbindungen, auf die das Geld überwiesen werden soll, unterscheiden sich. Mal ist ein spanisches Konto angegeben, mal ein italienisches oder niederländisches.
Das Tückische: Sehr häufig kommen die Fake-Rechnungen, wenn Unternehmen tatsächlich gerade einen Eintrag oder eine Änderung im Handelsregister haben vornehmen lassen. Auch bei Timo Bähr war das der Fall. Die Betrüger verfolgen Neueintragungen oder Änderungen im öffentlich einsehbaren Handelsregister - und versuchen der echten Rechnung mit einer gefälschten zuvorzukommen, in der Hoffnung, dass die Betroffenen darauf hereinfallen.
Bei ausländischer IBAN sollten die Alarmglocken schrillen
Bei Timo Bähr war das nicht der Fall. Er hat in allen Fällen schnell gemerkt, dass es sich bei den Schreiben um einen Betrugsversuch handelt, unter anderem wegen der ausländischen Bankverbindung. Sie gehört auch nach Angaben der Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar zu den offensichtlichsten Merkmalen einer Fake-Rechnung. Erkennbar werde das daran, dass die IBAN dann nicht mit DE, sondern mit einem anderen Länderkürzel beginnt: IE zum Beispiel für Irland oder ES für Spanien. Allerdings seien zuletzt auch Schreiben mit deutscher Kontonummer in Umlauf gewesen, warnt die IHK.
Auf ihrer Internetseite listet die Kammer außerdem weitere Punkte auf, bei denen Unternehmen misstrauisch werden sollten. Dazu zählt unter anderem die Höhe des geforderten Betrags: für echte Eintragungen oder Änderungen im Handelsregister seien üblicherweise 200 bis 300 Euro fällig, die Betrüger fordern oft deutlich mehr. In Bährs Fall war es mehr als Doppelte.
Auch ein sehr kurzfristiges Zahlungsziel von nur wenigen Tagen sei ein Hinweis auf eine Fälschung, so die IHK Rhein-Neckar. Echte Rechnungen für Handelsregistereintragungen kämen zudem immer von der Kosteneinzugsstelle für Justiz, zum Beispiel der Landesoberkasse Baden-Württemberg. In Timo Bährs Fall wäre die echte Rechnung für den Handelsregistereintrag direkt durch das Amtsgericht Darmstadt ausgestellt worden - und nicht von einer Zentralen Zahlstelle wie in der Fake-Rechnung, erklärt ein Sprecher des Gerichts in Darmstadt. Dort wäre dann auch das Landeswappen von Hessen abgebildet - auf dem gefälschten Schreiben an Bähr prangt stattdessen das Landeswappen von Nordrhein-Westfalen im Briefkopf. Doch ob da jeder Betroffene sofort darauf achtet?
Beim Amtsgericht Darmstadt landen unterdessen immer mal wieder gefälschte Rechnungen, die vermeintlich im Auftrag der Behörde verschickt worden sein sollen. „Wenn das passiert, stellen wir jedes Mal Strafanzeige“, sagt Gerichtssprecher Karsten Markert.
Bei der Staatsanwaltschaft Darmstadt, bei der die Strafanzeigen eingehen, ist das Phänomen der falschen Gerichtskostenrechnungen entsprechend bekannt. Zwar liegen einem Sprecher zufolge keine genauen Zahlen dazu vor, weil solche Fälle bei der Behörde nicht gesondert statistisch erfasst würden.
Die Täter sind bisher nur schwer zu fassen
„Die Anzahl der Verfahren dürfte aber jährlich im hohen zweistelligen Bereich liegen“, teilt Oberstaatsanwalt Robert Hartmann, Pressesprecher der Behörde in Darmstadt, auf Anfrage mit. Hartmann zufolge ist es bisher noch nicht gelungen, die Täter zu ermitteln, die hinter den Fake-Rechnungen stecken.
„Einziger Ermittlungsansatz ist oftmals das angegebene Konto, welches aber in der Regel im Ausland geführt wird, so dass Ermittlungen dazu erschwert und meist nicht erfolgversprechend sind“, so Hartmann. Die Konten würden meist auch unter falschen Personalien eröffnet, „so dass die Ermittlungen nicht erfolgreich verlaufen.“
Die Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar appelliert unterdessen an Unternehmen, auf keinen Fall Geld auf das angegebene Konto zu überweisen, wenn die oben genannten Kriterien auf eine Zahlungsaufforderung zutreffen.
Betroffene sollten das Schreiben stattdessen ignorieren. Möglich sei auch, sich mit einer Kopie der Fake-Rechnung an die Kammer zu wenden oder direkt an den Deutschen Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität. Die Vereinigung hatte in der Vergangenheit ebenfalls wiederholt vor gefälschten Kostenrechnungen im Zusammenhang mit Handelsregisterbekanntmachungen gewarnt.
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