Eines gleich vorweg: Nein, ich bin kein Faschings-Muffel und ja, ich gönne jedem seinen Spaß.
Vielleicht ist es ein Stück weit auch Corona geschuldet, aber wohl eher ist es die Entwicklung als solche. Wenn ich mein Fazit ziehe, über Faschingsumzüge in der aktuellen Kampagne, dann bleibt da (leider) nur: Äußerst laut, stickige Luft, viel Schmutz, Abfall, Scherben, große Traktoren und extrem viele Jugendliche, meist nicht mehr nüchtern.
Beim Umzug am Samstag, 18. Februa 2023 in Königheim fiel dies besonders auf.
Einige Fußgruppen und Tanzgarden waren mit dabei, die dadurch ihre Tradition pflegten. Musikkapellen waren es zwei oder doch drei, die den Mut hatten mit zu laufen, allerdings ganz vorne, denn sonst hätten sie akustisch keine Chance. Ach ja, herrliche Guggenmusik gab es – diese können es zumindest mit den lauten Bässen und Verstärkern auf den XXL-Traktoren aufnehmen.
Was ich vermisst habe: Gemeindepolitik, Lokalkolorit – es gab nicht einen Wagen, welcher ein Thema der Großgemeinde aufs Korn genommen hat. In früheren Zeiten war es üblich, dem Rathaus-Oberhaupt bei dieser Gelegenheit auf humorvolle Weise den Spiegel vorzuhalten.
Die Wagen, teilweise aufwändig, auch originell, wirklich super gemacht. Die Jugend darauf, eher trinkfreudig und partygeil. Als Zuschauer rufe ich den vorbeifahrenden Wagen natürlich Helau und Ahoi zu, wenn ich dann allerdings einigen etwas „betröppelt“ dreinschauenden Wagen-Mitläufern munter zuwinke und sie um etwas mehr Begeisterung bitten muss, dann frage ich mich tatsächlich, ob da nicht etwas falsch läuft? Ebenso mit Blick auf den ganzen Müll und Schmutz, der auf Umzügen auch von Jugendlichen hinterlassen wird – wer weiß, ob es nicht dieselben sind, die gestern noch für Klima- und Umweltschutz demonstrierten?
Dann wäre da noch die sanitäre Situation. Von mehreren Seiten wurde die zu geringe Zahl von Toiletten / Toilettenwagen bemängelt. Weibliche Umzugsteilnehmer durften mit Erlaubnis einer Geschäftsfrau deren WC in den Geschäftsräumen nutzen. Männer haben es in diesem Fall natürlich einfacher – wenn es nicht mehr anders geht, wird eben in die Brehmbach uriniert: Während des Umzugs, hemmungslos, vor Zuschauern. O-Ton eines Anwohners: „Mir ist es lieber, er pinkelt in die Bach, anstatt an meine Hauswand.“
Mit Kopfschütteln registriere ich diese Entwicklung. Eine Entwicklung, die mit Fasching im eigentlichen Sinne nicht mehr viel zu tun hat, bei der ein Stück Tradition verloren geht.
Spaß, gute Laune, Musik, Tanz, bunt, schrill, einfach Farbe in den Alltag bringen. Die fünfte Jahreszeit, eine Gelegenheit die Obrigkeit mit Ironie und Humor auf so manche Begebenheit des vergangenen Jahres hinzuweisen.
Ich bin mir durchaus bewusst, dass die Umzüge für die Organisatoren eine logistische Herausforderung darstellen und gleichzeitig eine unverzichtbare finanzielle Einnahmequelle sind.
Es braucht eine gute Planung sowie jede Menge Helfer vor, während und nach dem Event. Trotz akribischer Vorbereitung gibt es wohl immer Verbesserungspotenzial
Bitte nicht falsch verstehen, ich habe nichts gegen Umzüge. Wenn dem so wäre, könnte ich ihnen ganz einfach fern bleiben. Ich schaue sie mir gerne an, zumindest war das in der Vergangenheit so und wenn in der Großgemeinde Königheim der Faschingsumzug stattfand, war ich als Zuschauer immer dabei, ja und tatsächlich auch schon mal mit einem Wagen.
Mir tun die Verantwortlichen und Anwohner leid, die nach dem Umzug ans Aufräumen gehen, um den ganzen Müll auf Straßen, Grünstreifen und Vorgärten zu entfernen. Noch Wochen später glitzern die Scherbensplitter aus den Ritzen des Kopfsteinpflasters.
Unterm Strich bleibt mir nur: Etwas weniger wäre auch hier mehr und in Bezug auf den Lärmpegel zitiere ich einen Song von Reinhard Mey: „Da lob ich mir ein Stück Musik von Hand gemacht…“
Irmgard Stang, Gissigheim