Handball

Rhein-Neckar Löwe Juri Knorr weiter angeschlagen

Die deutschen Handballer müssen in der EM-Quali möglicherweise ohne Juri Knorr auskommen. Die mit Spannung erwartete WM-Analyse des Deutschen Handballbundes wird unterdessen zur Geheimsache erklärt.

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Marc Stevermüer
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Juri Knorr schlägt sich mit gesundheitlichen Problemen herum. © Soeren Stache/dpa

Eine Mauertaktik gibt es im Handball eigentlich nicht. Zumindest auf dem Feld. Denn das Regelwerk sieht vor, dass die Mannschaften angreifen und aufs Tor werfen müssen. Ein torloses Unentschieden? Unmöglich. Was einerseits den Sport so unterhaltsam macht, andererseits aber keinesfalls bedeutet, dass die Abwehr unbedeutend ist. Im Gegenteil.

Dass eine Mauertaktik aber sehr wohl vorkommen kann, zeigt der Deutsche Handballbund (DHB) am Dienstagmittag in Hannover. Er beweist es sogar recht eindrucksvoll. Auf dem Podium des Mannschaftshotels sitzen Bundestrainer Alfred Gislason und Sportvorstand Ingo Meckes. Und beide vermeiden es, auf Nachfragen zum Ergebnis der WM-Analyse zu antworten. Stattdessen: höchste Geheimhaltungsstufe und verbaler Catenaccio zu den Gründen für das Turnier-Ende im Viertelfinale.

Fokus auf die EM-Qualifikation

Meckes lässt lediglich wissen, dass es wichtig sei, „intern die Weichen zu stellen und Lehren zu ziehen“. Der leicht genervt wirkende Gislason wiederum „will jetzt nicht anfangen, darüber zu reden“, was ihm in der Analyse aufgefallen sei. Und er möchte seine Schlussfolgerungen auch nicht „breittreten“. Immerhin räumt der Isländer aber ein: „Es gibt sicherlich einiges, was wir besser machen müssen.“

Keine Frage: Das hört sich zumindest ein wenig selbstkritischer als noch vor wenigen Wochen an. Denn unmittelbar nach dem Viertelfinal-Aus bei der WM im Januar gegen Portugal hatte der Isländer noch verlauten lassen, dass das „Turnier kein Rückschritt“ gewesen sei. Eine Einschätzung, die nicht jeder teilte. Doch was der DHB nun wirklich denkt, wird offensichtlich ein Geheimnis bleiben.

„Wir haben nicht viel Zeit, um nach hinten zu schauen“, richtet Gislason ohnehin viel lieber den Blick in die Zukunft. Erstmals seit der WM hat der Bundestrainer seine Mannschaft gerade wieder um sich geschart, in der EM-Qualifikation steht in dieser Woche ein Doppelpack gegen Österreich an. Zunächst muss die DHB-Auswahl am Donnerstag (18 Uhr/live im Stream beim ZDF) in Wien ran, am Samstag (16.30 Uhr/live im Stream beim ZDF) stehen sich beide Teams in Hannover gegenüber.

Ersatzgeschwächt in die Spiele gegen Österreich

Die Deutschen gehen ersatzgeschwächt in die Duelle. Justus Fischer musste kurzfristig verletzungsbedingt absagen, die angeschlagenen Renars Uscins und Juri Knorr stehen laut DHB frühstens beim Rückspiel zur Verfügung. Knorr spielte am Sonntag noch in der Bundesliga mit den Rhein-Neckar Löwen beim THW Kiel, schlägt sich aber wie schon bei der WM mit gesundheitlichen Problemen herum. „Bei Juri ist nicht zu erwarten, dass es schlimmer wird. Wir machen uns keine Sorgen“, gibt Nationalmannschaftsmanager Benjamin Chatton zumindest leichte Entwarnung.

Bundestrainer Alfred Gislason möchte seine WM-Analyse nicht mit der Öffentlichkeit teilen. © Soeren Stache/dpa

Doch ob mit oder ohne Knorr. Die Deutschen sind gegen Österreich der Favorit. Und nach den zwei Auftaktsiegen über die Schweiz (35:26) und die Türkei (36:29) kann sich der Olympia-Zweite bereits vorzeitig für die EM qualifizieren, die im Januar 2026 in Dänemark, Schweden und Norwegen ausgetragen wird. Dass die deutsche Mannschaft dort antreten wird, daran besteht ohnehin kein Zweifel. Notfalls wird die Teilnahme im Mai gegen die Türkei und die Schweiz klargemacht. Zu gut ist das DHB-Team für diese Nationen, weshalb es auch jetzt weniger um die Qualifikation, sondern um die Frage geht: Was ist bei der EM im nächsten Jahr drin?

Nach Olympia-Silber im Sommer 2024 bestand die berechtigte Hoffnung, künftig dauerhaft zum Kreis der Halbfinal-Teilnehmer zu gehören. Bei der WM in diesem Jahr war dann aber im Viertelfinale Schluss - was durchaus passieren kann. Zumal das Aus in der Verlängerung gegen Portugal dramatisch war. Doch es gab ja noch sechs andere Spiele, fünf davon gegen ausnahmslos kleinere Nationen, mit denen die Deutschen - vom krassen Außenseiter Tunesien einmal abgesehen - jedes Mal ihre Probleme hatten. Zudem hatte das DHB-Team gegen Weltmeister Dänemark keine Chance. Unter dem Strich erinnerte das Turnier an die Heim-EM 2024, als die Deutschen zwar ins Halbfinale einzogen - aber auch nur vier von neun Spielen gewannen. So richtig dolle war es also nicht.

Gislasons Aufgabenliste

Für Gislason gilt es in den nächsten Monaten, mehrere Aufgaben zu lösen. Für die Junioren-Weltmeister Fischer und Nils Lichtlein hat er immer noch kaum Verwendung, obwohl sich der diesmal verletzt fehlende Fischer seit Saisonbeginn in blendender Verfassung befindet und dreimal zum Bundesliga-Spieler des Monats gewählt wurde (September, Oktober, November). Im Dezember und Februar heimste der 21-jährige Rückraum-Rechtshänder Marko Grgic diesen Preis ein, er führt momentan auch die Bundesliga-Torschützenliste an. Doch Gislason setzte bislang selten auf ihn. Und nicht zuletzt wird ganz dringend und vor allem kurzfristig ein Vertreter für Uscins gesucht. Auf dem 22-Jährigen lastete zuletzt zu viel Verantwortung, er musste fast immer durchspielen. Doch Alternativen sind rar gesät.

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Franz Semper ist gerade mal wieder verletzt, Kai Häfner hat seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft erklärt und der routinierte Fabian Wiede wird von Gislason ignoriert, seitdem der Europameister von 2016 mehrfach eine Turnierteilnahme abgesagt hatte. Für die Partien gegen Österreich hat der Bundestrainer deswegen Max Beneke in den Kader genommen. Beim Bundesligisten Füchsen Berlin kommt der 21-Jährige allerdings nur sporadisch zum Einsatz. Außerdem rutschte der formstarke Gummersbacher Miro Schluroff kurzfristig ins Team und dürfte als Rechtshänder auf der Linkshänderposition im Rückraum zum Einsatz kommen. Mehr Möglichkeiten gibt es gerade nicht.

„Das sind die Besten, die wir haben“, sagt Gislason, dessen Worte allerdings keinesfalls wie eine Klage klingen. Jedes Hindernis ist schließlich eine Chance. Jede Enttäuschung ebenfalls. Man darf also auf die WM-Lehren gespannt sein.

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

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