Mannheim. Genießen ist im Profisport generell schwierig. Denn in diesem schnelllebigen Geschäft wartet stets die nächste Herausforderung. Und so blickt Joel Birlehm am Donnerstagabend schon wieder voraus, obwohl er gerade erst mit den Rhein-Neckar Löwen in der Handball-Bundesliga mit 32:28 (17:15) gegen den SC DHfK Leipzig gewonnen hat. „Ich habe früher viele Spiele der Löwen gegen den THW Kiel im Fernsehen verfolgt. Auch das, als sie Meister geworden sind. Diese Rivalität ist historisch“, sagt der Torwart nur wenige Minuten, nachdem er das Feld als einer der Sieggaranten neben Juri Knorr (zehn Tore) und Jannik Kohlbacher (acht Treffer) verlassen hatte.
Joel Birlehms EM-Bewerbung
Birlehm zeigte gegen die Sachsen elf Paraden und damit zweifelsohne eine starke Leistung, die auch Bundestrainer Alfred Gislason registriert haben dürfte. Statistisch gesehen ist der gebürtige Herforder momentan sogar der beste deutsche Bundesliga-Torwart (Fangquote 34 Prozent), was als Empfehlungsschreiben für die EM im Januar durchgeht. Sollte man zumindest meinen.
Birlehm kennt vermutlich diese Zahlen. Er ist ein vom Ehrgeiz Getriebener. Und so spricht der 26-Jährige gleich nach seinem starken Auftritt gegen Leipzig von „drei, vier Bällen“, bei denen er sich „etwas anderes vorgenommen“ hatte. Nun lässt die Formulierung „etwas anderes vorgenommen“ viel Interpretationsspielraum. Man kann sich jedoch sicher sein, dass er meinte: „Die muss ich halten.“ Oder besser gesagt: „Die muss ich auch noch halten.“
Wenn Birlehm sich die Bilder erneut ansieht, wird er vermutlich zum gleichen Schluss kommen. Der Torwart strebt stets nach Verbesserung, vielleicht sogar nach Perfektion. Und doch war sein Auftritt ein Signal in Richtung des Bundestrainers, der zuletzt neben Andreas Wolff noch Silvio Heinevetter und Birlehms Club-Kollegen David Späth nominiert hatte. So kurz vor der EM mag das ein Fingerzeig sein. Mehr aber auch nicht. Birlehm macht sich ohnehin keine großen Gedanken um das Nationalteam, sondern geht damit bei aller Strebsamkeit dann doch recht entspannt um. Das versichert er immer wieder, was jedoch erst einmal nichts heißen muss. Ihm nimmt man es aber ab.
Auch Personalfrage macht das Duell gegen den THW Kiel spannend
Und so hofft der Schlussmann zwar, für die Heim-EM im Januar berücksichtigt zu werden, seine pragmatische Herangehensweise an das Thema bleibt aber unverändert: Nominierungen für die Auswahl des Deutschen Handballbundes sieht der 26-Jährige - und das betont er konsequent - stets als Bonus und somit als logische Folge für gute Leistungen im Verein. Und die will er weiterhin bringen. Schon am Sonntag (14 Uhr) in der ausverkauften Mannheimer SAP Arena gegen den THW Kiel. Wenn er denn darf.
Trainer Sebastian Hinze hatte zuletzt angekündigt, in den Partien gegen Leipzig, Kiel und Benfica Lissabon auf der Torwartposition zu rotieren und stets nur zwei seiner drei Topkeeper in den Kader zu holen. Späth schaute gegen Leipzig zu und steht demnach vor einer Rückkehr ins Aufgebot. Bleiben Birlehm und Mikael Appelgren. Keine Frage: Auch diese Personalfrage macht das Duell gegen die Norddeutschen so spannend. Mal ganz abgesehen davon, dass Spiele zwischen den Löwen und Kiel seit Jahren mit Brisanz versehen sind. Auch diesmal. Allerdings unter neuen Vorzeichen.
„Es ist ein Topspiel gegen einen Topgegner, auch wenn die Tabelle das momentan nicht hergibt“, gibt Löwen-Kapitän Patrick Groetzki selbstkritisch mit Blick auf seine Mannschaft zu, die einen durchschnittlichen Saisonstart erwischte. Noch schlechter machten es allerdings die Kieler, die am Donnerstag auch bei der TSV Hannover-Burgdorf verloren und mit 12:10 Punkten bislang noch mehr hinter den eigenen Erwartungen zurückgeblieben sind als die Löwen (13:9). Das Aufeinandertreffen zwischen dem Pokalsieger und dem Meister ist diesmal ein Duell im Schatten der Spitze.
„Die Kieler sind noch mehr unter Druck als wir“, sagt Groetzki. Er weiß um das Selbstverständnis des Rekordmeisters, der „angeschlagen noch ein bisschen schwieriger“ zu besiegen sei. Vertraut man dieser Theorie des Kapitäns, war die THW-Niederlage in Hannover also nicht unbedingt von Vorteil für die Löwen.
Wie schnell es im Sport außerdem gehen kann, zeigte die vergangene Woche. Da scheiterte Fußball-Rekordmeister Bayern München im Pokal erst sensationell an Drittligist Saarbrücken, um wenige Tage später im Liga-Gipfel Borussia Dortmund zu demontieren.
Die Sache mit den Siebenmetern
Löwen-Spielmacher Juri Knorr erwartet deshalb „wütende Kieler“, deren Fehlstart für Groetzki aber nicht überraschend kommt: „Von den fünf besten Spielern der Welt waren zwei in Kiel - und beide sind weg mit Niklas Landin und Sander Sagosen. Das ist ein großer Umbruch.“ Dessen Folgen sich nun zeigen.
Über die Meisterschaft muss im Norden niemand mehr reden. Selbst die Qualifikation für die Champions League wird schon schwierig. Erst recht bei einer Niederlage in Mannheim. „Wir werden auch gegen Kiel unsere Chance bekommen“, ist Groetzki überzeugt, versieht seinen Optimismus allerdings auch mit einer Einschränkung: „Es wäre ganz gut, wenn wir die Siebenmeter besser werfen als gegen Leipzig.“ Nur drei von acht Strafwürfen verwandelten die Mannheimer, die in dieser eigentlich einfachen Disziplin schon seit dem ersten Spieltag große Probleme haben.
„Ich könnte mich vielleicht auch einmal als Schütze anbieten“, witzelt Birlehm. Der Schlussmann sorgt sich allerdings, nach einem Strafwurf nicht schnell genug wieder im eigenen Tor zu stehen. Er blickt eben immer voraus.
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