Mannheim. Wenn Sebastian Hinze in der Stadt unterwegs ist, wird der Trainer des ThSV Eisenach fast immer an das letzte Spiel seiner Mannschaft erinnert. „Es gibt eine direkte Rückmeldung. Offen und ehrlich – und das ist doch schön“, sagt der Trainer über die Einwohner der handballverrückten Stadt in Thüringen: „Hier leben kaum Menschen, die keinen Bezug zum Club haben. Ich kann meine Trainingsklamotten auch eigentlich immer tragen.“ Weil Hinze sowieso erkannt wird.
Seit Juli ist er Trainer in Eisenach, zuvor war der 46-Jährige von 2022 bis 2025 für die Rhein-Neckar Löwen verantwortlich und wurde mit dem Club 2023 Pokalsieger. Am Samstag (19 Uhr) kehrt der gebürtige Wuppertaler mit seinem neuen Verein zurück nach Mannheim und freut sich, „ein paar bekannte Gesichter“ zu sehen. Mit Sportchef Uwe Gensheimer tauscht er sich immer noch regelmäßig aus: „Er steht weit oben in meiner Anruferliste.“
„Einfach kann jeder“, sagt Hinze zur Gesamtsituation in Eisenach
Nach dem Ende der vergangenen Saison organisierte Hinze direkt den Umzug, tankte Energie am Tegernsee und in Portugal, um sich dann voller Tatendrang in die neue Aufgabe zu stürzen. In Eisenach hat er eine Wohnung am Waldrand bezogen, abends geht der 46-Jährige gerne „am Fuße der Wartburg ein Stündchen mit dem Hund spazieren. Das ist wunderbar.“
Ganz in der Nähe liegt auch das Trainingszentrum der Thüringer, die mit 2:4 Punkten in die Saison gestartet sind. Dem Auftaktsieg über den SC DHfK Leipzig folgten Niederlagen gegen die Spitzenclubs SC Magdeburg und MT Melsungen. „Wenn uns jemand vor drei Wochen gesagt hätte, dass wir eines unserer ersten drei Spiele gewinnen, hätten wir das genommen“, geht für Hinze die Ausbeute in Ordnung, auch wenn er im Kopf hat, dass gegen Melsungen mehr drin war. Andererseits ist ihm die schwierige Gesamtlage der Eisenacher ebenfalls bewusst.
Mit Simone Mengon und Ivan Snajder folgten vor der Saison zwei Stammkräfte dem Ex-Trainer Misha Kaufmann zum TVB Stuttgart, Filip Vistorop ging zur HSG Wetzlar, Malte Donker zu GWD Minden und kurz vor dem Trainingsauftakt verlor der ThSV auch noch seinen einzigen Unterschiedsspieler: Marko Grgic, in den vergangenen zwei Jahren der große Garant für den zweimaligen Klassenerhalt, wechselte kurzfristig zur SG Flensburg-Handewitt.
Hinze hatte den deutschen Nationalspieler fest eingeplant, letztendlich drängte aber Grgic auf einen Wechsel. Und eine Ablösesumme kassierten die Eisenacher auch noch. „Durch Markos Weggang hat sich unsere Situation natürlich verändert. Alles ist noch ein wenig komplizierter geworden. Aber in Eisenach wird oft gesagt: ,Einfach kann jeder!‘ Und das ist auch so. Wir müssen damit umgehen und arbeiten konzentriert weiter“, sagt Hinze, der in Eisenach einen XXL-Umbruch meistern muss.
Viele Spieler ohne oder mit nur wenig Bundesligaerfahrung stehen im Kader, in der Vorbereitung hätte es auch das „eine oder andere Fragezeichen“ gegeben, gibt der Trainer zu. Drei Niederlagen kassierten die Eisenacher beim Wartburg Cup gegen Skanderborg-Aarhus (Dänemark), den SC Magdeburg und den TBV Lemgo Lippe. Doch Hinze verfiel nicht in Panik, sondern bewahrte die Ruhe. Was typisch für ihn ist. Der 46-Jährige war noch nie sonderlich anfällig für große Emotionen in die eine oder andere Richtung, sondern gehört zu den sachlichen Vertretern seiner Zunft. So war es schon im Abstiegskampf mit dem Bergischen HC oder auch beim Pokalsieg mit den Löwen. Und so ist es jetzt auch in Eisenach, wo nun schon im dritten Jahr in Folge Bundesliga-Handball gespielt wird.
Große Aufgabe für Hinze in Eisenach
Ex-Trainer Kaufmann führte den Club erst überraschend ins Oberhaus und danach zweimal sensationell zum vorzeitigen Klassenerhalt. Der Schweizer übertraf sämtliche Erwartungen und legte die Messlatte für seinen Nachfolger besonders hoch. Sollte man zumindest meinen. Doch Hinze will sich nicht vergleichen, zumal sich ohne Leistungsträger wie Grgic die Ausgangslage dramatisch verändert hat. „Bei allen hier im Verein gibt es eine realistische Selbsteinschätzung“, weiß Hinze, dass es nur um den Klassenerhalt gehen kann.
Zusammen mit den Aufsteigern GWD Minden und Bergischer HC zählen die Eisenacher zu den Abstiegskandidaten, für die Thüringer könnte der Faktor Zeit allerdings ein Vorteil sein. Denn Hinze sieht im Training, wie seine junge Mannschaft wöchentlich dazulernt, besser wird, sich findet. Mit dem 22-jährigen Max Beneke kam ein wurfgewaltiger Rückraum-Linkshänder, der schon für die Auswahl des Deutschen Handballbundes aktiv war – hinter Superstar Mathias Gidsel bei Meister Füchse Berlin in der vergangenen Saison aber auch nur wenig Einsatzzeit bekam.
Keine Frage: Beneke ist ein Rohdiamant, der geschliffen werden muss. Und der jetzt in Eisenach nicht nur viel spielt, sondern auch regelmäßig trainiert. Beim Hauptstadtclub war das wegen der Zusatzbelastung in der Champions League und den vielen Reisetagen kaum möglich. Nun wird er täglich gefordert und gefördert. Von Hinze, der „riesengroße Lust“ auf diese Aufgabe hat.
„Max gibt uns jetzt schon sehr viel. Aber das wird noch mehr“, verspricht der Trainer, der mit dem 40-jährigen Paradiesvogel und Ex-Nationaltorwart Silvio Heinevetter auch einen routinierten Spieler im Kader hat. „Bei der Saisoneröffnung“, verrät Hinze, „haben die ,Jungs‘ ihn Opa genannt.“ Am Samstag wollen die Eisenacher nun die Löwen alt aussehen lassen.
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