Tauberbischofsheim. Das Lächeln ist zurück in ihrem Gesicht. Die Augen leuchten. In ihren Worten schwingt die Zuversicht mit. Leonie Ebert sieht das Ende ihrer langen Verletzungspause am Horizont. „Ich habe schon wieder Vertrauen in mein Knie“, erzählt sie im FN-Gespräch. Viele, viele Stunden elenden Schindens im Kraftraum und in der Reha liegen hinter ihr. Der Kreuzbandriss im rechten Knie ist so gut wie verheilt. Die in wenigen Tagen 25 Jahre alt werdende Florett-Fechterin des FC Tauberbischofsheim schuftet für ihr Comeback. Zwar beginnt nun die Saison, doch sie will nichts überstürzen: „Ich steige erst dann wieder ein, wenn der Arzt und mein Knie sagen: Bereit!“
Rückblende: Anfang Dezember des vorigen Jahres war sie beim Weltcup in Novi Sad im Einzel noch Dritte geworden und hatte sich einen Tag später während des Team-Weltcups das rechte Knie verdreht. Die Bilder des MRT in der Heimat brachten schnell Gewissheit: Kreuzbandriss. „Im ersten Moment war das eine Vollkatastrophe, weil acht Monate später die Olympischen Spiele auf dem Terminplan standen“, blickt sie zurück. Sie war top in Form: 2022 zuvor war Leonie Ebert noch zum ersten Mal Europameisterin geworden – und dann dieses Malheur. In ihren Augen erlischt für wenige Sekunden der Glanz, wenn sie an diese dunklen Tage im vergangenen Dezember zurückdenkt. Aber sie hellen sich gleich wieder auf: „In ein tiefes Loch bin ich dann gar nicht gefallen, weil nach zwei Tagen klar war: Eine OP ist unumgänglich, um die vollständige Stabilität des Knies wieder zu gewährleisten.“
Zur Person Leonie Ebert
Geboren: 4. Oktober 1999.
Waffe: Florett.
Schule: Abitur am Deutschhaus-Gymnasium in Würzburg.
Beruf: Sportsoldatin.
Erster Verein: TG Würzburg.
Aktueller Verein: FC Tauberbischofsheim.
Größte Erfolge: Europameisterin 2022 im Einzel, Bronze mit der Mannschaft. Deutsche Meisterin 2019 im Einzel und mehrfach mit der Mannschaft. Kadettenweltmeisterin 2015. Olympia-Teilnahme 2021.
Nach der Operation bei einem Spezialisten in Innsbruck glomm der Stängel der Olympia-Hoffnung für kurze Zeit. Es sei möglich, wurde ihr gesagt, Ende Juli in Paris zu starten, doch das Programm sei sehr stramm. „Für mich setzte sich aber schnell die Erkenntnis durch, dass es doch besser ist, langsam zu machen, schließlich will ich nach Paris noch an zwei Olympischen Spielen teilnehmen“, berichtet sie von ihrer inneren Findungsphase. Es war ihr zu riskant, für Paris alles zu riskieren und so möglicherweise die kommenden beiden Olympia-Zyklen aufs Spiel zu setzen. Bei ihrer Entscheidung half ihr die Gewissheit, dass man mit dem Team die Qualifikation durch ihre Verletzung nicht mehr zu einem guten Ende bringen konnte.
Mit 15 Jahren erstmals bei WM
Mit diesem Entschluss, so schwer sie auch fiel, ist sie bis heute im Reinen. „Es war das erste Mal in meiner aktiven Laufbahn, dass ich mal Zeit hatte, meinen Körper zur Ruhe kommen zu lassen.“
Seit ihrem 13. Lebensjahr ist sie im Grunde das ganze Jahr über auf den Planchen dieser Welt im Einsatz. Ihr überaus großes Talent war für alle schnell sichtbar. Der damalige Bundestrainer Andrea Magro nahm sie unter seine Fittiche, wollte den Rohdiamanten zur besten Florettfechterin der Welt schleifen. „Der kleine Tiger“, wie er sie liebevoll nannte. Magro nominierte Leonie Ebert im zarten Alter von 15 Jahren erstmals für eine Aktiven-WM – das war 2015 in Moskau. Richtig gut focht sie damals nicht. Erwartungen und Druck waren wohl doch zu groß. Dennoch entwickelte sie sich Schritt für Schritt weiter und startete 2021 erstmals bei Olympischen Spielen (Platz 14).
„Jetzt ist der Druck ganz weg. Aktuell lebe ich im Moment und möchte einfach wieder richtig Spaß am Fechten haben“, sagt sie. Und wieder leuchten ihre Augen. Langsam arbeitet sie sich an ihr Comeback heran. Krafttraining, Athletik, Beinarbeit und Lektionen - das sind derzeit die Trainingsinhalte. Richtig gefochten hat sie noch gar nicht. Wie schon gesagt: Sie nimmt sich alle Zeit, die sie benötigt. Dabei entspricht das gar nicht ihrem Naturell. „Ich bin extrem ungeduldig“, gibt Leonie Ebert zu.
Um wieder ganz die Alte zu werde, also unter die Top 10 der Weltrangliste vorzudringen und um internationale Titel zu fechten, benötigt sie aber auch wieder eine sehr starke Trainingsgruppe im Bundesstützpunkt Tauberbischofsheim. Doch das scheint im Moment ein Problem. Nach Informationen der FN steht Bundestrainer Giovanni Bortolaso vor dem Absprung, Leandra Behr hat ihre Laufbahn beendet und Anne Sauer trainiert in Bonn. Derzeit besteht die Gruppe neben Ebert noch aus Aliya Dhuique-Hein (TBB), Carlotta Morandi (TBB/Berlin) und Kim Kirschen (Berlin). Das sind allesamt gute Fechterinnen, aber noch nicht auf dem Weltniveau, das Ebert für ihr Training benötigt. „Anderen Nationen geht es auch so wie Deutschland. Die haben auch kleine Trainingsgruppen, deshalb wollen wir hier allesamt enger zusammenarbeiten“, erklärt Leonie Ebert. Der Bundesstützpunkt in Tauberbischofsheim biete hierzu weiter ideale Voraussetzungen.
Vorbild für FC-Nachwuchs
Dem FC Tauberbischofsheim wird sie auch weiter treu bleiben. „Ich glaube weiter daran, dass man hier etwas entwickeln kann. Außerdem ist der Austausch mit Anja Fichtel sehr, sehr gut für mich“, sagt die Florettfechterin. Die Doppel-Olympiasiegerin von 1988 spricht über Leonie Ebert äußerst positiv: „Leonie ist für ihr Alter schon sehr reflektiert. Das zeigt sich auch darin, wie sie mit ihrer Verletzung umgegangen ist. Das ist auch ein Erfolg im Leistungssport, nicht immer nur erste und zweite Plätze. Deshalb traue ich ihr auch noch viel zu in ihrer Karriere.“ Zum Austausch mit Leonie Ebert sagt Anja Fichtel: „Es passt einfach zwischen uns. Wir finden immer Themen, über die wir uns unterhalten.“
Und auch FC-Präsident Klaus Dieter Rupp ist froh, solch eine Spitzenfechterin wie Ebert im Verein zu haben: „Leonie ist ein Vorbild für alle unsere Fechter, was den Erfolg angeht, und zwar durch Trainingsfleiß, Disziplin, und den absoluten Willen zum Erfolg. Darüber hinaus ist Leonie ein sympathischer und offener Mensch.“
Übrigens: Ein bisschen Olympiafeeling im Sommer hatte Leonie Ebert dann doch noch. Sie war als Expertin der Fecht-Wettkämpfe von Paris beim TV-Sender Eurosport am Mikrofon. Und auch da strahlte sie schon wieder…
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