Odenwald-Tauber. Eine Einigung über die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP), eines der wesentlichsten Steuerungsmittel für die Landwirtschaft, wurde Ende Juni auf Ebene der Europäischen Union erreicht. Gleichzeitig wurden auf Bundesebene die Gesetze zur Umsetzung der ersten Säule der GAP in Deutschland beschlossen. Damit wird festgelegt, für welche Leistungen unter welchen Bedingungen welche Agrarhilfen in den nächsten Jahren fließen. „GAP“ ist ein kompliziertes und abstraktes Thema, das viele Fragen aufwirft. Antworten gibt Landwirtschaftsminister Peter Hauk im Gespräch mit den FN.
Herr Minister Hauk, die GAP-Verhandlungen waren zäh. Welche Auswirkungen haben die nun getroffenen Entscheidungen für die Landwirte im Neckar-Odenwald- und Main-Tauber-Kreis?
Minister Peter Hauk: Ja, das waren langwierige Verhandlungen Das liegt aber auch daran, dass die Voraussetzungen in den einzelnen Ländern denkbar unterschiedlich sind.
Die Landwirtschaft im Neckar-Odenwald-Kreis und Main-Tauber-Kreis ist eben eine andere als die beispielsweise in Niedersachsen. Hier prallen Welten aufeinander, nämlich die der familiengeprägten Strukturen bei uns und die der agrarindustriellen Strukturen dort. Umso mehr bin ich froh, dass ein guter Kompromiss gelungen ist.
Was sind denn die wichtigsten Neuerungen in der neuen Förderperiode?
Hauk: Zur Stärkung des Umweltschutzes sollen 25 Prozent der Gelder der Direktzahlungen für sogenannte freiwillige Öko-Regelungen bereitgestellt werden. In Deutschland soll das vor allem der Förderung der Biodiversität dienen. Da die Landwirtinnen und Landwirte in Baden-Württemberg schon seit Jahrzehnten in großer Zahl freiwillige Agrarumwelt-, Klimaschutz- und Tierwohlmaßnahmen umsetzen, bin ich mir sicher, dass wir auch bei den Öko-Regelungen eine hohe Teilnahme erreichen werden.
Mit der umfangreicheren Förderung der ersten Hektare werden vor allem kleine und mittlere Betriebe gestärkt, auch im Main-Tauber- und Neckar-Odenwald-Kreis. Davon profitieren besonders wir und die Bayern. Mit den steigenden Finanzmitteln für die „zweite Säule“ von GAP bauen wir in Baden-Württemberg sukzessive die Maßnahmen zur Entwicklung der ländlichen Räume, der Agrarumwelt-, Klima- und Tierwohlprogramme aus. Und wir verstärken die Investitionen in eine Modernisierung und Ökologisierung der Landwirtschaft.
Die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP)
Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) gehört zu den wichtigsten Aufgabenfeldern der europäischen Politik. Hauptziel der EU-Mitgliedstaaten ist es, mit der GAP eine gemeinsame Politik zur Sicherung der Nahrungsmittelversorgung zu erreichen, ländliche Räume zukunftsfähig zu gestalten und natürliche Ressourcen zu erhalten.
In den Jahren 2014 bis 2020 standen rund 6,2 Milliarden Euro für die Agrarförderung in Deutschland zur Verfügung. Diese EU-Mittel teilen sich auf zwei Säulen auf. Die erste Säule bildet die Direktzahlungen an Landwirte, welche unter Erfüllung bestimmter Auflagen in der Bewirtschaftung Flächenprämien gewährt bekommen. Die zweite Säule stellt Mittel für gezielte Förderprogramme, beispielsweise zur Stärkung des Ländlichen Raums oder zur umweltschonenden Flächenbewirtschaftung, bereit.
Alle EU-Mitgliedsstaaten müssen für die neue GAP-Förderperiode ab 2023 erstmals Nationale Strategiepläne für die erste und zweite Säule der GAP entwickeln.
Ende Juni 2021 konnte auf EU-Ebene eine Einigung zur Umsetzung der GAP ab 2023 erreicht werden. Gleichzeitig wurden auf Bundesebene die GAP-Gesetze zur Umsetzung der 1. Säule der GAP in Deutschland beschlossen.
Damit wird festgelegt, für welche Leistungen, unter welchen Bedingungen und welche Agrarhilfen in den nächsten Jahren fließen.
Nun stehen 1,53 Milliarden Euro für Baden-Württemberg bereit. Das ist eine Menge Geld. Wie wird es verteilt?
Hauk: In der nächsten Förderperiode von 2023 bis 2027 wollen wir unsere vielfältigen und bewährten Förderprogramme weiterentwickeln und auch neue innovative Programme etablieren. Mit den 1,53 Milliarden Euro wollen wir insbesondere unseren ländlichen Raum und unsere bäuerlichen Familienbetriebe bei der Bewältigung aktueller Herausforderungen stärken.
Was heißt das konkret?
Hauk: Mit den Mitteln aus dem europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums in Höhe von 705 Millionen Euro und der Kofinanzierung des Landes und des Bundes ist eine gute Finanzierungsbasis für die geplanten 17 baden-württembergischen Förderprogramme gesichert. Dazu zählt auch die Förderung über „Leader“ mit seinen vielen sinnvollen Projekten im ländlichen Raum. Auch dafür schafft GAP die Grundlage.
Was bringt GAP dem einzelnen Landwirt?
Hauk: Im Detail wird insbesondere für unsere bäuerlichen Familienbetriebe eine gute Balance zwischen Investitionsförderung und Risikomanagement, Unterstützung über angepasste Weiterbildung und Beratung zu aktuellen Themen, wie Klimaschutz, Pflanzenschutzmittelreduktion und digitale Landwirtschaft angeboten.
Außerdem wollen wir die Betriebe verstärkt bei Investitionen zu Anpassungen in den Bereichen Tierwohl und Emissionsminderung unterstützen. Die Förderung vorbeugender Maßnahmen gegen Extremwetterereignisse gehört ebenfalls dazu.
Stichwort Klimaschutz: Wie wird sich der Fahrplan zur Stärkung der Landwirtschaft auf Klima und Umwelt auswirken?
Hauk: Klimaschutz ist nicht nur ein Gebot der Stunde, sondern auch ganz zentral in der GAP verankert. Ich bin davon überzeugt, dass die GAP bis 2027 klimaschutzwirksame Innovationen mit familienbetrieblicher Landwirtschaft ideologiefrei verbindet. Eines muss dabei klar sein: Klimaschutz geht nur im Miteinander und Klimaschutz muss in der Bevölkerung verankert sein. Ohne die Landwirte ist Klima- und Umweltschutz sowie der Erhalt unserer Kulturlandschaft nicht möglich, das steht für mich fest. Gerade deshalb war es so wichtig, den Bäuerinnen und Bauern durch die neue GAP weitere Anreize zur Stärkung der Biodiversität und Artenvielfalt an die Hand zu geben. Mit der Aussaat von mehrjährigen Blühmischungen und einer mehrgliederigen Fruchtfolge gelingt das bereits sehr gut. Solche Anbaumethoden werden weiter mit Hilfe innovativer Technik zunehmen.
Können die Landwirte all diesen Anforderungen und Maßnahmen gerecht werden oder ist eine Beschleunigung des Strukturwandels im landwirtschaftlichen Bereich zu befürchten?
Hauk: Ich hoffe, dass viele Betriebe durch die GAP-Reform neue Perspektiven bekommen. Schließlich bietet sie auch Entwicklungsmöglichkeiten, beispielsweise in den Bereichen Direktvermarktung und Ferien auf dem Bauernhof.
Grundsätzlich gilt: Hinter jeder Herausforderung verbergen sich auch Chancen. Ich denke, an dieser Stelle müssen wir den Blick weiten und auf die ganze Bevölkerung schauen. Klima-, Umwelt- und Naturschutz gehen alle an. Jeder wird mit damit verbundenen Mehrkosten leben müssen. Das ist eine echte Gratwanderung zwischen dem, was möglich ist und dem, was die Bevölkerung überfordern könnte. Ich denke: Für die Landwirtschaft ist es der richtige Weg, den wir mit der GAP bis in das Jahr 2027 einschlagen.
Wir setzen weiter auf Anreize und Förderung statt auf Verbote und wir geben alles dafür, die Bauernfamilien auf diesem Weg zu begleiten. Die Pandemie hat schließlich gezeigt, wie wichtig gesunde Nahrungsmittel sind und wie beruhigend es ist, zu wissen, dass genügend Vorräte vorhanden sind.
Landwirtschaftliche Familienbetriebe sind in Baden-Württemberg unabkömmlich. Bild: MLR/KD Busch
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