Odenwald-Tauber. Sie rückt immer näher, die Asiatische Hornisse. Am 24. April wurde das Insekt in Creglingen gesichtet, am 15. Mai fand man Königinnen dieser invasiven Art in Adelsheim und Osterburken. Am 7. Mai entdeckte Olaf Henn aus Laudenberg ein Nest und eine Königin. „Ich habe den Geräteschuppen in meinem Garten nach Wespen kontrolliert“, erzählte er. „Da habe ich ein Nest gefunden, das sah ganz anders aus.“ Es war braun, ein Insekt saß darauf, das davonflog, als Henn sich näherte. Ein paar Tage später fand er ein weiteres, helles Nest. Er fotografierte das Insekt beim Nestbau und schickte die Aufnahmen an den Naturschutzbund und die „Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg“ (LUBW). Und dann kam die Bestätigung: Es handelte sich um die Asiatische Hornisse.
Das Gefährliche an diesem Insekt besteht darin, dass es sich deutlich schneller vermehrt als die unter Artenschutz sehende Europäische Hornisse. Außerdem ist es in seinem Jagdverhalten deutlich aggressiver. Die Asiatische Hornisse kann Bienen und andere Insekten im Flug fangen. Sie beißt ihnen Kopf und Hinterteil ab und bringt das Muskelfleisch zur Aufzucht ihrer Nachkommen in ihr Nest. Im Gegensatz zur Europäischen Hornisse brummt sie nicht, wenn sie fliegt.
Belagerung von Fluglöchern der Biene
Wie Andreas Sigmund, Geschäftsführer des Kreisbauernverbands Neckar-Odenwald und selbst Imker, auf FN-Anfrage erläuterte, belagern die Tiere scharenweise Einfluglöcher von Bienenkästen oder dringen gar in die Stöcke ein. Auf diese Weise belagerte Bienen verlassen daraufhin ihre Heimstatt nicht mehr. Sie werden durch Mangelernährung geschwächt und stellen das Legen von Eiern ein. Derartig dezimierte Völker drohen, nicht über den Winter zu kommen. Wie Carolin Rein von der „Landesanstalt für Bienenkunde“ und Hornissenfachbeater Harald Wiedemann feststellten, benötige die Asiatische Hornisse pro Volk rund elf Kilogramm an Insektenfleisch. Das entspreche etwa 110 000 Honigbienen und damit vier bis fünf Völkern.
Die Asiatische Hornisse
„Ein neuer Bienenschädling bedroht die Bienenvölker“, schreibt das landeseigene „Staatliche Tierärztliche Untersuchungsamt Aulendorf“ in einer Information über die Asiatische Hornisse. Sie verfügt über folgende Merkmale:
- Aussehen: Schwarze Grundfärbung, breiter orangener Streifen am Hinterleib und feine gelbe Binde am ersten Segment; gelbe Beinenden, Kopfvorderseite orange.
- Aktivität: Nur am Tag aktiv.
- Ernährung: Larven, Insekten, Nektar, Obst, proteinreiche Nahrung für Larven. Der Anteil der Bienen an der Nahrung kann im Herbst auf 70 Prozent steigen.
- Volksstärke: Pro Volk bis zu 13 000 Individuen pro Jahr. 2000 Arbeiterinnen gleichzeitig. 500 bis 1000 Jungköniginnen.
- Typische Jagdstrategien bei Bienenvölkern: Sie lauert im Schwebeflug vor den Fluglöchern der Bienenkästen. Sie attackieren heimkehrende Bienen. Beutemachende Hornissen benutzen unterschiedliche Flugrouten zurück zum Nest. Das erschwert das Auffinden ihrer Nester.
- Behausung: Das Gründungsnest ist zehn bis 20 Zentimeter groß und befindet sich an einer geschützten Stelle, zum Beispiel in Garagen, Scheunen oder Dachvorsprüngen. Das Sekundärnest ist 80 bis 100 Zentimeter groß und befindet sich meist in Bäumen in zehn bis 30 Metern Höhe. Darin leben 1000 bis 2000 Tiere.
- Unterscheidung zur geschützten Europäischen Hornisse: Diese hat einen blassgelben Hinterleib mit schwarzen Streifen. Ihre Kopfvorderseite ist gelb, die Kopfoberseite rot. Brust und Beine sind schwarz und rotbraun. Sie ist auch nachts flugaktiv. Im Gegensatz zur Asiatischen Hornisse hört man einen tiefen Brummton, wenn sie fliegt.
Die Asiatische Hornisse wurde in Europa das erste Mal 2004 im französischen Bordeaux entdeckt. Vermutlich wurde sie mit einem Containerschiff eingeschleppt. Inzwischen hat sie sich in ganz Frankreich sowie in Portugal und Belgien ausgebreitet. Sie wurde in Spanien, Italien, in der Schweiz, in Luxemburg, den Niederlanden, in Ungarn, Österreich und Großbritannien nachgewiesen. Seit 2014 ist sie auch im Westen Deutschlands heimisch. Einzelne Exemplare wurden in Hamburg und Berlin gesichtet. Nach den Angaben von Experten breitet sich die Asiatische Hornisse pro Jahr um 80 Kilometer aus. Wie Carolin Rein und Harald Wiedemann erläuterten, zählte man 2022 in Baden-Württemberg 15 Nester und - nach Einführung der Meldeplattform im Frühjahr 2023 - allein im vergangenen Jahr mehr als 550 Nester und 1915 Nachweise des invasiven Insekts.
Im August des vergangenen Jahres erreichte die Asiatische Hornisse den Neckar-Odenwald-Kreis. In Unterschwarzach wurde am 2. Juni 2023 ein Tier gesichtet, im August 2023 im Höllgrund und am 30. April 2024 ein Tier in Neunkirchen.
Das ist dem Online-Portal des LUBW zu entnehmen. Dort kann man Funde des Insekts und seiner Nester melden und Bilder hochladen. Nahezu täglich findet man in der Landkarte neue Fundstellen. Beidseitig des Rheins ist die invasive Tierart schon flächendeckend heimisch geworden. Und auch für den Raum Heidelberg wurden viele Tiere gemeldet.
Schutzkleidung bei Entfernung des Hornissen-Nestes tragen
Dem Laudenberger Olaf Henn war sofort klar, welche Gefahr von der Asiatischen Hornisse ausgeht. 20 Meter neben seinem Geräteschuppen hatte ein Jungimker vier Bienenstöcke aufgestellt – sozusagen ein gedeckter Tisch für das invasive Insekt. „Wenn die Asiatische Hornisse hier bei mir heimisch geworden wäre, wäre das fatal gewesen“, sagte Henn. In Frankreich, wo das Insekt schon seit zwanzig Jahren auftritt, ist nach Angaben von Rein und Wiedemann ein Verlust an Bienenvölkern in Höhe von 30 bis 80 Prozent zu verzeichnen.
Was tun gegen den Bienenschädling? „Es gibt derzeit kein zugelassenes Mittel“, sagte Harald Wiedemann bei einem Vortrag vor Imkern. Mit Gift könne man Nester nicht bekämpfen, da die Gefahr bestehe, dass auch andere Tiere geschädigt würden, zum Beispiel Vögel. Deshalb müsse man die in mindestens zehn Meter Höhe in Baumkronen gebauten Nester mit einem Hubsteiger oder einer Drehleiter abnehmen. Die Nester könne man schockgefrieren und damit die Hornissen töten, oder abflammen.
Bei der Entfernung eines Nestes muss man Schutzkleidung und auch eine Schutzbrille tragen, da die Hornissen ihr Gift in Richtung der Augen spritzen kann.
So kann man die Bienenstöcke schützen
Zum Schutz der Bienenstöcke empfehlen Rein und Wiedemann Fluglochgitter, durch die die Bienen, aber nicht die Hornissen passen, oder Drahtkörbe vor den Fluglöchern, die zu engmaschig für Hornissen sind. Im Frühjahr könne man Locktöpfe mit Dochten aufstellen. Lässt sich darauf eine Hornissenkönigin nieder, könne man prüfen, ob es sich um die asiatische oder europäische Art handele. Die Asiatische Hornisse sollte man töten, die europäische nicht, da diese unter Artenschutz steht. „Es gibt keine Fallen, die selektiv auf die Asiatische Hornissen wirken“, betonte Rein.
Darüber hat sich Ernst Wagner, Imker und Geschäftsführer von „Wagner Imkertechnik“ in Mudau, Gedanken gemacht und eine Falle entwickelt, die die Europäische Hornisse und andere Insekten verschont. Hier werden die Insekten durch einen Lockstoff in einen Kunststoffbehälter ohne Flüssigkeit gelockt, den sie nicht mehr verlassen können. Der Imker kann später die Asiatischen Hornissen von den Europäischen trennen, die invasive Art töten und die anderen Tiere freilassen. Außerdem hat Wagner ein Absperrgitter für Fluglöcher der Bienenkästen sowie eine Bodenfalle für Bienenkästen gebaut, die die Hornissen von den Bienen in den Stöcken trennt.
Kürzlich stellte Wagner seine Entwicklungen Minister Peter Hauk sowie Carolin Rein und Vertretern von Imkerverbänden vor. Annette Seehaus-Arnold, Präsidentin des „Deutschen Berufs- und Erwerbsimker Bund“, wolle sich dafür einsetzen, dass die Fallen von Wagner möglichst rasch genehmigt werden.
Falle kann Abhilfe gegen die Asiatische Hornisse schaffen
Denn die Zeit drängt. Wenn es nach Wagner geht, sollen seine Fallen im August auf den Markt kommen, damit die Imker im Spätsommer und Herbst ihre Bienen vor der gefräßigen Wespenart schützen können. „In Frankreich haben viele Hobbyimker mit der Bienenhaltung aufgehört“, sagte Wagner. „Wenn die Imker aufhören, kaufen wir irgendwann den Honig in China und bestäuben unsere Obstbäume mit Wattebäuschchen.“ Außerdem würden die Hornissenauch Obstbäume und Weinreben befallen.
Für Olaf Henn aus Laudenberg hat Imker Andreas Schmitt aus Limbach das Gründungsnest der Asiatischen Hornisse im Geräteschuppen entfernt. Schmitt sieht die Situation ähnlich dramatisch wie Wagner. „Ich dachte, wir hätten noch ein bis zwei Jahre Zeit“, sagte er. „Im Raum Mannheim/Heidelberg muss schon in jedem zehnten Baum ein Nest hängen.“ Denn die invasiven Hornissen würden in den Großstädten teilweise nicht mehr bekämpft, weil das auswendig und teuer sei. Schmitt warnte davor, die Bedrohung für die Bienen zu unterschätzen, vor allem für die Wildbienen, deren Bestand auch ohne Hornissen bedroht sei.
Und er sieht schon die nächste Gefahr für die Bienen aufkommen. „Der Kleine Beutekäfer aus Italien ist ein Brutschädling“, sagte er. „Die Bienen erkennen ihn nicht als Feind.“ Es sei nur eine Frage der Zeit, bis dieser auch in Deutschland auftrete.
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