Mosbach. Rund 3000 Menschen zogen am Freitagabend vom Bahnhaltepunkt West zum Mosbacher Marktplatz, um ein Zeichen zu setzen für Demokratie und Menschenrechte. Ein großes Bündnis aus Parteien und Gewerkschaften, Kirchen und Institutionen hatte zum Demonstrationszug und der Kundgebung aufgerufen.
Schon vor dem Start um 18 Uhr füllten sich die Straßen rund um den Bahnhaltepunkt. Von allen Seiten strömten Menschen, Junge und Alte, man sah Kinderwägen und Rollstühle. Auch Busse aus anderen Teilen des Landkreises brachten die Teilnehmer zum Startpunkt. Maximilian Sigmund (Junge Liberale) vom Organisationsteam versuchte, die immer größere werdende Schar per Lautsprecher von der Straße zu bringen, begrüßte alle und gab Hinweise zum Verhalten: „Vermummt euch nicht, seid friedlich. Lasst uns zeigen, dass wir die Demokratie wertschätzen. Auch wir im Neckar-Odenwald-Kreis können ein starkes Zeichen setzen. Wir möchten ein offenes Europa mit einem demokratischen Deutschland.“
„Wir sind stark, wir sind einig“
Danach wendete sich der Erste Landesbeamte Dr. Björn-Christian Kleih an die Menge. Er dankte den Initiatoren für die Aktion und war überwältig von der großen Resonanz aus dem ganzen Landkreis und darüber hinaus, die sich da bereits abzeichnete. Er dankte den Organisatoren „für die Möglichkeit, heute unser Gesicht für unsere Demokratie zu zeigen“. Die Botschaft sei, dass man einig und stark sei – und eintrete gegen den Hass, für Frieden, Menschenrechte und Menschenwürde. Man müsse aber nicht nur die Stimme erheben, wo der Hass aufflackert. „Das bedeutet auch, dass wir selbst nicht hassen.“ Denn nur so könne man diejenigen, die dem Hass nicht komplett verfallen seien, wieder „in unsere Mitte zurückholen“. Das sei schwierig, räumte Kleih ein. Aber: „Wir sind stark, wir sind einig. Wir werden auch diese gesellschaftliche Aufgabe gemeinsam meistern.“
Der Erste Landesbeamte begrüßte auch den Vorsitzenden des Kreisbauernverbands Albert Gramling und den Geschäftsführer Andreas Sigmund. Man habe in den vergangen Wochen „vielfach die Versuche der Volksverhetzer gesehen, sich in die Proteste der Landwirte einzuklinken“. Doch das sei nicht gelungen. Die Bauern hätten klargemacht: „Unsere Landwirtschaft ist bunt, nicht braun“, so Kleih unter dem Beifall der Zuhörer.
Doch nun sei genug „geschwätzt“, so Kleih, es sei Zeit, die Botschaft für Frieden, Freiheit und Demokratie auf die Straße zu bringen. So bewegte sich der Zug, angeführt und begleitet von der Polizei, über die Bundesstraße in Richtung Marktplatz. Dort meldete sich eine ganze Reihe von Rednern der politischen Parteien und Institutionen zu Wort, darunter MdB Josip Juratovic (SPD), MdB Jens Brandenburg (FDP), Bruno Herberich (Vorsitzender des Kreisverbands Freie Wähler), Manfred Beuchert (CDU-Kreisrat und Mosbacher Stadtrat), Jonas Weber (Jusos) die Landtagsabgeordnete Fadime Tuncer (Grüne) und Gabriele Teichmann (Awo-Kreisverband). Alle betonten, dass die Demokratie es wert sei, sie zu schützen. Vielfach wurde appelliert, sich in Parteien, Gewerkschaft und Institutionen zu engagieren. „Nie wieder ist jetzt“, betonte nicht nur Josip Juratovic. Begriffe wie „Volkskörper“ wurden kritisiert, die Forderung nach „Remigration“ zurückgewiesen.
„Besser zuhören“
Der gesellschaftlichen Spaltung müsse man den Zusammenhalt entgegensetzen, zumal man aus dem Ausland mit Bangen auf die Entwicklung in Deutschland schaue. Gerade deshalb lobten die Redner den Zusammenschluss der Parteien und Verbände, der auch in der Rednerliste zum Ausdruck komme. „Mut und Zuversicht statt Hass und Hetze für eine starke demokratische Mitte“ forderte Manfred Beuchert. Dabei sei aber auch klar, dass man besser zuhören, die Sorgen und Nöte ernst nehmen und dann die Probleme lösen müsse, die die Menschen in die Arme der Rechten treiben. Horst Berger, Chorleiter aus Buchen, animierte die Teilnehmer zum Mitsingen beim Lied „Wehrt Euch, leistet Widerstand“.
Mosbachs Oberbürgermeister Julian Stipp war „richtig stolz“ auf die vielen Teilnehmer und lobte den vollen Marktplatz - gerade vor dem Hintergrund des anderen Bildes, das viele von diesem Ort in Erinnerung haben, der Bücherverbrennung am 10. November 1938. „Kein Fußbreit dem Rassismus“ erklärte er deshalb unter Beifall. Er forderte ebenfalls dazu auf, allen, die dazu bereit sind, ein Dialogangebot zu machen. Stipp betonte: „Die Gemeinschaft der Demokratie ist stärker als der Egoismus des Hasses.“ Dekan Folkhard Krall war überzeugt: „Wenn wir zusammenstehen, kann Demokratie gelingen.“ Auch junge Menschen sollten zu Wort kommen, erklärte Kreisrätin Lena-Marie Dold vom Organisationsteam, und so kamen drei Schülerinnen der Geschichts-AG der Realschule Obrigheim ans Mikrofon. Ihre Botschaft mit Blick auf die Entwicklungen in der Weimarer Republik: „Wir müssen heute viel früher kämpfen.“
„Veränderte Republik“
Altenpfleger Ahmed Al-Sadooni beschrieb sich selbst, als er 2015 nach Deutschland kam: „Große Nase, dunkle Haut, etwas mehr Haare als jetzt, voller Hoffnung auf eine neue Heimat.“ Die habe er in Deutschland gefunden. Er betonte: „Alle passen in diese Gesellschaft.“ Dorothee Roos vom Verein KZ Gedenkstätte Neckarelz setzte den Schlusspunkt der Rednerliste. Mit Blick auf das „Geheimtreffen“ von AfD-Politikern und Mitgliedern der WerteUnion erklärte sie, dass sich die Republik seitdem verändert habe. „Die Menschen sind elektrisiert, sie sind beunruhigt“. Übereinstimmend stellten die Redner fest: Die Demonstrationen dieser Tage können nur ein Anfang sein.
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