Vor 30 Jahren

Ein Jubiläum mit zwei Seiten

Förderverein des Frauen- und Kinderschutzhauses wurde gegründet

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(ubr)
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Gemeinsam ist ein Schlüsselwort, wenn es darum geht, häuslicher Gewalt zu begegnen. Gemeinsam setzen sich dafür der Förderverein Frauen- und Kinderschutzhaus, der Neckar-Odenwald-Kreis und die Polizei ein, repräsentiert durch Adelheid Knoll, Hans Becker, Uschi Heckmann, Angelika Bronner-Blatz, Reiner Pimpl und Elisabeth Sandel (von links) ein. © Ursula Brinkmann

Mosbach. Anfang der 1990er Jahre glaubte so mancher Bürgermeister und Kreisrat des Neckar-Odenwald-Kreises (NOK) noch, dass in ihren Gemeinden keine Frauen und Kinder leben, die misshandelt würden. Zur gleichen Zeit erlebte die damalige Frauenbeauftragte des NOK, Adelheid Knoll, dass ihr der Hausmeister des Landratsamtes eine Frau mit zwei kleinen Kindern vor die Bürotür setzte. Geflohen vor häuslicher Gewalt. Kurz zuvor war publik gemacht worden, dass man ein Frauenschutzhaus plane. 1992 war es soweit, dass ein Förderverein gegründet wurde. Im Landratsamt wurde dieses Jubiläum nun gefeiert. 15 Jahre lang war Knoll die Vorsitzende des Vereins; beim Festakt berichtete sie, wie es einst begann.

Heute ist die Vorsitzende Ursula Heckmann. Sie freute sich über das voll besetzte Foyer. 70 Stühle hatte man bereitgestellt, eine Tombola organisiert, Spendenboxen aufgestellt und einen Imbiss vorbereitet. „Es ist ein Jubiläum mit zwei Seiten“, begrüßte Heckmann insbesondere viele Vereinsmitglieder (derzeit 350), Ehrenmitglieder, zu denen auch die zwischen Knoll und ihr wirkende Vorsitzende Angelika Bronner-Blatz zählte.

Gelebte Solidarität

Die eine Seite, das sei die seit 30 Jahren gelebte Solidarität mit Frauen und deren Kindern, die Gewalt erfahren müssten, 30 Jahre unermüdliche Arbeit in der Gewaltprävention und 30 Jahre Spendenbereitschaft vieler Mitmenschen. „Das ist ein Grund zum Feiern und eine Gelegenheit Danke zu sagen.“

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Das große „Aber“ ließ Heckmann nicht aus: „Da ist noch die zweite Seite: Jede dritte Frau ist in Deutschland einmal im Leben von häuslicher Gewalt betroffen, das ist eine gewaltige Zahl für eine zivilisierte Gesellschaft.“

Auch Dr. Björn-Christian Kleih, der Erste Landesbeamte, der für Landrat Dr. Brötel mitsprach, gratulierte mit einem „lachenden und einem weinenden Auge“ und dankte dem Förderverein als „konstruktivem Partner an unserer Seite“. Jährlich fließt dem Landkreis als Träger des ersten kommunalen Frauen- und Kinderschutzhauses in Baden-Württemberg vom Förderverein ein mittlerer fünfstelliger Betrag zu.

Zur Eröffnung 1994 waren es 12 000 Euro gewesen, wie sich Adelheid Knoll erinnerte. Von Anfang an kooperiert der Main-Tauber-Kreis und beteiligt sich an den Kosten. Bis heute fanden 1012 Frauen und 1275 Kinder Schutz dort.

Als „Wiederholungs- und Überzeugungstäter“ in Sachen Frauenschutzhaus outete sich Hans Becker, noch bis Ende des Jahres Präsident des Polizeipräsidiums in Heilbronn. Davor hatte er als Leiter der Polizeidirektion Mosbach zahlreiche Aktionen mit dem Förderverein initiiert und durchgeführt. Wie schon Kleih mündete sein Dank in der Bitte an die Verantwortlichen und Ehrenamtlichen des Fördervereins: „Machen Sie weiter!“

Denn, und das zeigte Reiner Pimpl, die Kriminalstatistik weist für die zurückliegenden fünf Jahre steigende Zahlen von Partner(= häusliche)gewalt aus. Im Neckar-Odenwald-Kreis, im Main-Tauber-Kreis, im Landkreis Heilbronn. Der im Bereich Prävention und Opferschutz tätige Polizeibeamte stellte ein 2021 landesweit eingeführtes Gefährdungsmanagement vor, das mit behördenübergreifenden Fallkonferenzen, mit Koordinierungsstellen Häusliche Gewalt bei jedem regionalen Polizeipräsidium und mit einem Werkzeug zur Risikoprognose den Schutz vor häuslicher Gewalt verbessern soll.

Gewalt an der Tagesordnung

Dass Gewalt an Frauen und Kindern weltweit an der Tagesordnung ist und keineswegs zurückgeht, löst bei Ursula Heckmann „so ein bisschen ein Gefühl der Ohnmacht aus“. Doch das ehrenamtlich ausgeübte Engagement des überwiegend weiblichen Fördervereins bremst das nicht. „Wir werden jedenfalls unermüdlich mithelfen, wenigstens den Frauen zu helfen, die Hilfe suchen und im Frauenhaus des Neckar-Odenwald-Kreises Schutz finden, um aus dieser Spirale der Gewalt ausbrechen zu können.

„Keine Frau soll mehr weinen, auch kein Mann, keine Mutter, kein Kind“, fand Elisabeth Sandel zur Melodie des Bob-Marley-Hits „No woman, no cry“ ihre eigenen Worte. Die liedermachende Sozialpädagogin ging an das so sensible wie schwierige Thema der Geburtstagsfeier auf ihre Weise an.

Eines ihrer Lieder beschreibt „Seelenlandschaften“, die - wie der Anlass des Abends - zwei Seiten haben, helle und dunkle. Der Song mündet in der Erkenntnis: „Ich bin das alles und bin das alles nicht. Ich bin.“ (ubr)

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