Umstellung auf digitale Bilder

Warum Fotografen aus der Region um ihre Existenz fürchten

Endlich mehr Digitalisierung, freuen sich die einen über einen neuen Service der Gemeinde Igersheim. Bei anderen löst dieser scharfe Kritik aus. Darum gehts.

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Simon Retzbach
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In Igersheim ist es bereits möglich, sein Passbild direkt im Rathaus machen zu lassen. Andere Kommunen werden nachziehen. © Barbara Englert

Main-Tauber-Kreis. „Das löst schon Existenzängste aus“ – Brigitte Blesl findet deutliche Worte im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten. Doch was besorgt die erfahrene Fotografenmeisterin, seit 1997 Inhaberin des Igersheimer „Fotostudio Profil“, so stark?

Es geht um ein Thema, über das auch die Fränkischen Nachrichten bereits berichtet hatten. Unter dem Titel „Wenn‘s in der Verwaltung klickt...“ ging es um Passbilder, die künftig direkt von Rathausmitarbeitern vor Ort gemacht werden können. Igersheim ist hier Vorreiter, andere Kommunen werden nachziehen. Denn seit 1. Mai müssen Passbilder für den Ausweis eigentlich in digitaler Form vorgelegt werden. Die Betonung liegt hier auf dem Wort „eigentlich“, denn so richtig gut klappt das bislang noch nicht. Wie der SWR berichtete, gab es bei der Umstellung technische Probleme und Lieferschwierigkeiten, sodass der digitale Service bislang nicht in allen Kommunen angeboten wird. Der „Großteil“ der rund 6.000 Kommunen in Deutschland werde das aber voraussichtlich im Laufe dieses Sommers anbieten können, heißt es im Bericht weiter. Aktuell gilt noch eine Übergangsfrist bis Ende Juli, innerhalb der auch weiterhin Papierfotos angenommen werden.

Es ist allerdings absehbar: Was in Igersheim schon funktioniert, wird bald flächendeckend möglich sein. Bilder können dann direkt vor Ort mit entsprechenden Geräten gemacht werden. Einmal aufs Rathaus und es ist erledigt – für den Antragsteller natürlich bequem. Anderswo löst diese Neuerung große Sorgen und sogar Existenzängste aus. Die Rede ist von den professionellen Fotostudios, die bislang Anlaufstelle für solche Fotos waren. Im Gespräch mit mehreren Fotografenmeistern aus der Region zeigt sich: Die Neuerung trifft eine ohnehin kriselnde Branche hart. Es fallen deutliche Worte.

Passbilder als „Türöffner“ für mehr

„Es ist ein großer Frust, die Branche ist allgemein wackelig“, erklärt Brigitte Blesl. Die Igersheimerin ärgert sich besonders, liegt doch ihr Fotostudio in der Burgstraße nur wenige Schritte vom Rathaus entfernt. Bislang hatte man mit der Verwaltung gegenüber gut zusammengearbeitet, so waren Termine für Passbilder auch recht spontan noch möglich. Die Umstellung auf digitale Bilder besorgt die Fotografin aus verschiedenen Gründen. Zum einen seien Passbilder für sie „ein Standbein, das nun wegbricht“. Zum anderen diene das Passbild gewissermaßen auch als „Türöffner“ für weitere Aufträge wie etwa Porträt- oder sogar Hochzeitfotografie.

Nur wenige Meter sind es vom Rathaus zum Fotostudio Profil. Der neue Service stößt nicht nur der dortigen Inhaberin Brigitte Blesl sauer auf - auch andere Fotografen aus der Region sind verärgert. © Retzbach

Ein weiteres Ärgernis: „Das Bild auf dem Rathaus kostet sechs Euro. Da können wir nicht mithalten.“ Doch auch die Umstellung auf die digitale Passbildfotografie, die für Fotostudios grundsätzlich möglich ist, bringt weitere Zusatzkosten. „Ich überlege, ob ich da überhaupt investiere, es wird den Fotografen schon sehr schwer gemacht“, kritisiert Blesl. Neue Software und eine Registrierung des Fotografen für jedes gemachte Bild schrecken sie ab. „Wenn es nicht einfacher wird, steigen wir aus“, macht sie klar. Ob ihr Ladengeschäft, mit einer weiteren Fotografin und festen Öffnungszeiten, in dieser Form zu halten ist? Unklar für Brigitte Blesl.

Zum Thema digitale Passbilder

  • Ursprünglich sollen seit 1. Mai ausschließlich digitale Bilder für den Personalausweis verwendet werden. Technische Probleme sorgen allerdings für eine verlängerte Frist bis Ende Juli.
  • Die digitalen Bilder sollen die Gefahr von Fälschungen und Manipulationen, u.a. durch „Morphing“ verhindern. Dabei verschmelzen zwei oder mehrere Bilder von Gesichtern zu einem Bild. Das birgt das Risiko, dass beispielsweise zwei Menschen abwechselnd denselben Reisepass benutzen können.
  • Für den Führerschein gilt weiterhin die alte Regelung mit Papierfotos.

Für Meikhardt Pohl aus Bad Mergentheim ist die Lage nach eigener Aussage ähnlich ernst. „Ohne Passbilder müsste ich schließen. Das ist Kerngeschäft“, macht er die Bedeutung der kleinen Bilder klar. Der 54-Jährige betreibt seit 1994 das Fachgeschäft „Foto Pohl“ in der Burgstraße. Er ist sich über die konkreten Auswirkungen der Umstellung unsicher: „Ich weiß nicht, wie sich die Kunden entscheiden werden.“ Existenzbedrohend sei die Entwicklung aber in jedem Fall. Das bekamen auch Kollegen von ihm bereits zu spüren: Gab es früher einmal sechs Fotografiegeschäfte in der Kurstadt, ist „Foto Pohl“ mittlerweile der letzte Profifotograf in der Stadt. „Der Staat greift in etwas ein, was jahrzehntelang wunderbar funktioniert hat, und macht uns das Leben schwer“, findet Pohl. Er will nach einer Softwareumstellung in die digitale Fotografie einsteigen und hofft, dass Kunden die „wesentlich bessere“ Qualität der Profibilder zu schätzen wissen.

Auch zuversichtliche Töne trotz Kritik

Jürgen Besserer ist vorsichtig zuversichtlich. Der Fotografenmeister führt seit 1995 das Traditionsunternehmen in Lauda. „Es gibt immer Leute, die ein schöneres Bild wollen“, ist er überzeugt. Wie für seine Kollegen machen auch bei ihm die Passbilder einen bedeutenden Teil des Umsatzes aus. Auf 20 bis 25 Prozent schätzt er den Anteil. „Ohne müssten wir zumachen“, ist auch für ihn klar. Dazu kam es in der Vergangenheit bereits. Die Filiale in Bad Mergentheim, 1996 eröffnet, schloss er bereits 2015. „Früher wurden allgemein mehr Bilder durch den Fotografen gemacht, das ist jetzt allgemein nicht mehr so angesagt“, zieht er eine Bilanz.

Der Umstellung auf das Digitale will er sich anschließen. Es sei aber ein „irrer Aufwand“, außerdem mit zusätzlichen Kosten für jedes Bild verbunden. „Für viele Kollegen ist das vielleicht der Todesstoß“, mutmaßt Besserer. Der 62-Jährige hat sich selbst in der Vergangenheit „gesund geschrumpft“, wie er sagt. Neben der Schließung der Filiale in Bad Mergentheim hat sich auch die Mitarbeiterzahl von zehn auf mittlerweile zwei reduziert – er selbst und seine Schwester. „Es ist schon schwierig“, ist er offen.

Doch eines ist ihm auch wichtig: „Der Beruf des Fotografen ist sehr schön und vielfältig. Es erschließen sich auch neue Geschäftsfelder, zum Beispiel das professionelle Aufarbeiten alter Bilder. Ein bisschen was geht immer“, ist Jürgen Besserer zuversichtlich.

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