Main-Tauber-Kreis. „Mittendrin“ heißt der Treff mit Blick auf Fachwerkhäuser, Marktplatz und Rathaus in der Kreisstadt. Eigentlich ist in den Räumen immer etwas los. Doch die Pandemie hat, wie bei allen Vereinen, Spuren hinterlassen, Aktivitäten eingeschränkt bis unterbunden. Das geht auch der Lebenshilfe so. Dennoch blickt deren Vorsitzender, Jörg Hasenbusch, nach vorn. Ganz langsam nämlich ist wieder an das zu denken, was die Arbeit des Vereins – zumindest in einem Teil – ausmacht: familienentlastende Dienste.
„Für das vergangene Jahr war das Irma-Volkert-Haus komplett ausgebucht“, berichtet Hasenbusch. Das Anwesen in Heckfeld ist der ganze Stolz des Vereins. Mit viel Engagement wurde es vor Jahren um- und ausgebaut. Die Ausstattung ist komplett behindertengerecht, das riesige Grundstück lädt zum Spielen und Toben ein. Anmeldungen kommen aus ganz Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden. Ein großes Plus ist zudem, dass die Lebenshilfe einen günstigen Preis bietet. „Das Haus ist in hohem Maße beliebt, die Nachfrage immens und wir wollen nichts verdienen“, sagt Hasenbusch. Doch alle Einnahmen blieben im vergangenen Jahr aus, die Unterhaltung musste aber geleistet werden. Zugute kam der Lebenshilfe, dass die Förderung für familienentlastende Dienste einmalig für 2020 und 2021 als institutionelle Fehlbedarfsförderung weiterlief. Der Vorsitzende begründet das so: „Dem Land war klar, dass es letztlich teurer wird, wenn wir aus finanziellen Gründen aufgeben müssten.“
Das hat der Lebenshilfe, die fast ausschließlich auf das Ehrenamt setzt, Luft verschafft. Auch Jörg Hasenbuschs juristischer Sachverstand sparte dem Verein Geld. Schließlich mussten alle geplanten Vorhaben für Freizeiten und eine längst anberaumte Ägyptenreise storniert werden. Dass die Lebenshilfe nicht auf diesen Kosten sitzen blieb, ist Hasenbuschs Vertragskunde zu verdanken.
Er und seine Mitstreiter verfolgen natürlich äußerst interessiert, wie die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes gestaltet wird. „Was über die Eingliederungshilfe geleistet wird, ist das, was notwendig ist, um Menschen die Möglichkeit zu geben, am Leben teilzuhaben“, verweist er auf die UN Behindertenkonvention. Es gehe darum, vom Fürsorgeprinzip zur personenorientierten Teilhabe zu kommen und damit mehr Selbstbestimmung zu ermöglichen. Hasenbusch findet das richtig, weiß aber auch, dass es ein riesiger Aufwand und darüber hinaus sehr wahrscheinlich teurer werden wird als das bisherige Pauschalpaket.
Deshalb ist er sich sicher, dass die Lebenshilfe mit ihrem Ehrenamtsprinzip eine Zukunft hat. „Wir sind mit unseren Angeboten wesentlich preiswerter als andere“, nennt er ein Argument. Ein anderes ist die Vereinsstruktur. Von den rund 450 Mitgliedern sei niemand während der Pandemie ausgetreten. Man halte zusammen. Stolz ist er auch, dass alle Kommunen des Main-Tauber-Kreises Mitglieder bei der Lebenshilfe sind.
Was ihn ein wenig gefuchst hat, war die Vergabe der „Ergänzenden Unabhängigen Teilhabe Beratung“, die im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes vom Bund auf den Weg gebracht wurde und die für den Main-Tauber-Kreis an den Landesverband Selbsthilfe Körperbehinderter (LSK) ging. Dafür hatte sich die Lebenshilfe vor Ort auch beworben. Zum Jahresende 2020 hat der LSK seine Tätigkeit in der Kreisstadt eingestellt, wie er auf FN-Nachfrage bestätigte. Dabei, so Hasenbusch, sei eine unabhängige Beratung immens wichtig. „Ich stelle immer wieder fest, wie hilflos Menschen etwa bei der Frage der Ausstattung eines behindertengerechten Fahrzeugs sind.“
Beratung leistet die Lebenshilfe mit ihrem zweiten Standbein: dem Betreuungsverein. Hier werden nicht nur Betreuer begleitet, sondern rund 1200 Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen erarbeitet. Informationsveranstaltungen runden das Programm ab.
Jörg Hasenbusch begeistert sich nach wie vor für die Lebenshilfe und ihre Ziele. „Echte Teilhabe erfordert Barrierefreiheit – auch in den Köpfen“, sagt er. Und er freut sich, wenn sich „Mittendrin“ und das Irma-Volkert-Haus wieder mit Leben füllen. Hasenbusch: „Die unmittelbare, ungekünstelte Freude, die von den Menschen ausgeht, ist einfach beglückend.“
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