Haushaltsrede des Landrats

Notunterkünfte in Sporthallen im Blick

Der Main-Tauber-Kreis hat kaum mehr Kapazitäten für die Unterbringung Geflüchteter

Von 
Heike von Brandenstein
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Main-Tauber-Kreis. Die Einbringung des Kreishaushalts ist keine reine Verwaltungssache, bei der es um Zahlen und Fakten geht. Sie ist immer auch eine politische Positionierung des Landrats. „Der Wind wird rauer und die Handlungsspielräume enger“, sagte er mit Blick auf die Themen, die in Brüssel und Berlin gesetzt werden. Überschrieben hat er das Zahlenwerk mit dem Motto „Verantwortungsvoller Aufbruch in eine neue Zeit“.

Im Kreistag notiert

Als „tollen Erfolg“ wertete Landrat Christoph Schauder die Tatsache, dass die „Biomusterregion“ um drei weitere Jahre verlängert wurde. „Das grüne Licht aus Stuttgart ist seit ein paar Tagen da“, verkündete er und lobte Ersten Landesbeamten Florian Busch für sein Engagement.

Zum Thema klimaschädliches Methangas fragte Thomas Kraft (SPD) an, was denn mit dem auf der Kreismülldeponie anfallenden Methangas geschehe. Der Landrat versprach, dies in einer kommenden Sitzung zu erläutern.

Ob die Umleitung mit der Bahn abgesprochen sei, wenn die restlichen 450 Meter der B 290 einschließlich des Neubaus der Grünbachbrücke gemacht werden, wollte Hubert Segeritz (Freie Wähler) wissen. Landrat Christoph Schauder versicherte, dass man im Austausch mit dem Regierungspräsidium sei und eine Umleitung bei einer solchen Großmaßnahme funktionieren müsse.

Rainer Moritz (Bündnisgrüne) schlug vor, das Klimaschutzkonzept fremd zu vergeben, wenn die personellen Ressourcen im Haus nicht ausreichten. Dem widersprach der Landrat, weil auch eine Fremdvergabe fachlich begleitet werden müsse. „Vier fehlende Personalstellen legen den Laden lahm“, so Schauder. hvb

Was diese „neue Zeit“ bringt, was sie bedeutet, konnte Christoph Schauder, der nicht Herr der Glaskugel ist, allerdings nicht sagen. Seine Mahnungen, seine Hinweise auf den herrschenden Krisenmodus und gesellschaftliche Entwicklungen verdeutlichten jedoch die Sorgen, die auf kommunaler Ebene herrschen. Obgleich sich der Main-Tauber-Kreis als Landkreis der Weltmarktführer, der Energiewende und des Radwegebaus bezeichne, seien die Herausforderungen gewaltig.

Sozialetat steigt drastisch

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Dass sich der Sozialetat wiederum steil nach oben bewege, zeige sich auch im Haushalt 2024. „Erstmals in der Geschichte des Main-Tauber-Kreises steigen die Aufwendungen deutlich über die Marke von 100 Millionen Euro, nämlich auf über 102 Millionen Euro“, so der Landrat. Dies sei auf die Flüchtlingsaufnahme und -unterbringung, die Grundsicherung im Alter, die Jugendhilfe inklusive der Betreuung der unbegleiteten minderjährigen Ausländer (UMA), die Kosten der Unterkunft für Empfänger von Bürgergeld und die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung zurückzuführen. Auch wenn die Erträge durch hohe Erstattungen mit 42 Millionen Euro geringer werden, werde das strukturelle Einnahmedefizit größer. Der Nettozuschussbedarf für soziale Transferleistungen steige erstmals auf mehr als 60 Millionen Euro.

Schauder sprach nicht nur finanziell von einer angespannten Lage, sondern auch personell. Er kritisierte die schwierige Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes, das „von der großen Politik in vielen Fällen nicht zu Ende gedacht“ sei und mit erheblichen Kosten und Risiken für den Sozialetat verbunden sei.

Bei der Unterbringung von zugewiesenen Flüchtlingen bekräftigte er, dass der Main-Tauber-Kreis diesem gesetzlichen Auftrag ohne Wenn und Aber nachkomme. Mittlerweile seien aber die Kommunen an der Grenze ihrer Belastbarkeit angekommen, und die Zahl steige weiterhin drastisch an. „In der Gesamtschau vom Geschehen in der Ukraine und der Asylsuche von geflüchteten Menschen aus Drittländern kamen 2022 und 2023 deutlich mehr Personen nach Baden-Württemberg als in den beiden Jahren der Flüchtlingskrise 2015 und 2016 zusammen“, erläuterte der Landrat.

Rund 1000 Plätze stünden derzeit in 14 Unterkünften zur Verfügung. Weil neue Liegenschaften oder Grundstücke nur schwer zu finden seien, sei nicht sicher, ob weitere Plätze bei einem anhaltenden Flüchtlingsstrom bereitgestellt werden können. Sollte dies nicht gelingen, müssten Sporthallen als Notunterkünfte vorbereitet werden. Christoph Schauder: „Das wird in fünf Wochen der Fall sein, wenn kein Wunder passiert.“

Er forderte einen Richtungswechsel in der Migrationspolitik, da dieses Thema das Potenzial habe, die Gesellschaft tief und langfristig zu spalten. Die Bundesregierung müsse sich mit aller Entschiedenheit für eine gerechtere Verteilung der Geflüchteten in der Europäischen Union einsetzen und dürfe nicht länger darauf vertrauen, dass sich europäische Solidarität von selbst ergibt. „Es ist eine Minute vor Zwölf“, warnte er vor einer drohenden gesellschaftlichen Erosion. „Die Lunte ist nicht nur gelegt, die Lunte brennt bereits“, so Schauder.

Neben diesem zentralen politischen Thema ging der Landrat auf die Notwendigkeit ein, weiter in Bildung und damit in Schulen zu investieren. Initiativen wie „Karriere daheim“ und die Ausbildungsbotschafter setzten darauf, die Fachkräftegewinnung zu unterstützen. Beim Thema Bau unterstrich er, dass der Landkreis maximal zwei Großmaßnahmen parallel stemmen könne. Beim Straßenbau sind die 1,8 Millionen Euro aus 2023 auch im Haushalt 2024 wieder angesetzt, für den Radwegebau stehen 200 000 Euro zur Verfügung. Zur Stärkung des ÖPNV sei der Ansatz für das Ruftaxi um 130 000 Euro auf 800 000 Euro erhöht worden. Beim verstetigten Stundentakt der Frankenbahn hoffe man weiter auf steigende Fahrgastzahlen, um die Kosten von 1,1 Millionen Euro um die Hälfte zu reduzieren. Weiter ging Christoph Schauder auf die Themen Erneuerbare Energien, Klimaschutz und Recyclinghöfe ein. Das Klimaschutzkonzept könne aufgrund fehlenden Personals derzeit nicht fortgeschrieben werden, führte er aus.

Kein Geldspeicher vorhanden

Der Landrat bekräftigte, dass alle Haushaltsansätze des Landkreises durchleuchtet und teilweise „auf links gedreht“ worden seien. Das habe dazu geführt, dass der in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehene Hebesatz der Kreisumlage von 32,5 auf 31,5 Prozent gesenkt wurde. Er versicherte, die Gelder des Kreishaushalts nicht auf die hohe Kante zu legen. Schauder: „In der Gartenstraße 1 gibt es keinen Geldspeicher, in dem der Landrat wie Dagobert Duck jeden Morgen spazieren geht.“ Vielmehr profitierten die Städte und Gemeinden über die Sozialleistungen, die Bildungseinrichtungen oder die Straßen- und Radweginfrastruktur.

An die Kreisräte appellierte er, eng zusammen zu arbeiten, weil Kirchturmdenken und politische Lagerbildungen niemandem helfen. Schauder: „Reden wir konstruktiv miteinander und nicht übereinander, ganz nach dem Motto ,Mit vereinten Kräften für die Zukunft’“.

Redaktion Zuständig für die Kreisberichterstattung Main-Tauber

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