Unternehmen in der Region befragt - „Innovationstreiber und Verpflichtung zu ökologischem, ressourcenschonendem Handeln“ / Einige lehnten Stellungnahme ab

Nachhaltiges Wirtschaften ist im Main-Tauber-Kreis angesagt

Künftigen Generationen ein besseres soziales, ökologisches und ökonomische Umfeld hinterlassen – das ist mit dem Begriff „Nachhaltiges Wirtschaften“ gemeint. Unser Reporter hörte sich in der Region um. Nicht überall bekam er Antworten.

Von 
Roland Mehlmann
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Die Firma VS Vereinigte Spezialmöbelfabriken in Tauberbischofsheim baut auch Bio-Gemüse für die eigene Betriebskantine an und bietet den Mitarbeitern zusätzlich vom Frühsommer bis zum Herbst einen wöchentlichen Markttag. © VS/Mehlmann

Main-Tauber-Kreis. Klimaneutral wirtschaften – oder den Weg dahin zu suchen, ist in der heutigen Zeit, in der es immer häufiger, auch in der großen Politik um den Klimaschutz geht, ein absolut angesagtes Thema. Einige Firmen in der Region gaben dem Reporter bereitwillig Auskunft darüber, wo sie stehen und hinstreben, andere Unternehmen dagegen lehnten eine Stellungnahme ab.

Für Umwelt-Audits wie „EMAS“ (auch bekannt als EU-Öko-Audit) spricht sich Gottfried May-Stürmer, der Regionalgeschäftsführer Heilbronn-Franken vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) aus. Diese Öko-Audits stellten eine systematische Überprüfung und Bewertung von Prozessen sicher und seien laut May-Stürmer „geeignete Werkzeuge, um Transparenz zu schaffen. Denn damit werden die Auswirkungen von Betrieben auf die Umwelt und die Nachhaltigkeit des Wirtschaftens erfasst, die Potenziale für Verbesserungen deutlich gemacht und so Grundlagen für Verbesserungen geschaffen.“

Eine Zertifizierung nach „EMAS“ sei aber noch keine Garantie für umweltfreundliches oder nachhaltiges Wirtschaften – „die Finanzverantwortlichen müssen den durch das Audit deutlich gewordenen Verbesserungen zustimmen. Das hängt wesentlich davon ab, wie kurz- oder langfristig gedacht wird“, so May-Stürmer.

Erst Wasser und dann Abfall

Er erinnert daran, dass große Potenziale in der Industrie in den 1980er Jahren im Bereich Wasser (Verbrauch und Verschmutzung) und in den 1990er Jahren im Bereich Abfallvermeidung und -recycling realisiert wurden. Heute seien die großen Herausforderungen Klimaschutz mit allen Facetten (vor allem Energieverbrauch und Mobilität), Flächenverbrauch (beim Neubau) und Lieferketten. May-Stürmer sagt: „In der heutigen globalisierten Wirtschaft ist es gut möglich, dass der Energieverbrauch nach China, soziale Probleme nach Pakistan oder Verschmutzung von Gewässern nach Südamerika exportiert werden.“

Wo stecken die Potenziale?

Welche Potenziale am größten sind, hängt stark von der Branche ab. Ein Unternehmen, das sich hauptsächlich mit Handel beschäftigt, wird große Potenziale bei der Mobilität der Außendienst-Mitarbeiter haben. Ein Unternehmen, das im eher im dünn besiedelten ländlichen Raum produziert, wird bei der Mobilität der Mitarbeitenden ansetzen können (Modelle wie ein Firmenbus, das Job-E-Bike oder Home-Office kämen infrage). Ein Betrieb, der mit gefährlichen Chemikalien umgeht, sollte auf Sondermüllvermeidung und Gewässerbelastung achten, wenn das Nachhaltige Wirtschaften ernst genommen wird. Experten wie May-Stürmer sagen auch, dass die Frage der Energieerzeugung für alle Unternehmen relevant ist, insbesondere natürlich für energieintensive Unternehmen. Abhilfe schaffen kann man mit einer eigenen Stromerzeugung, beispielsweise mittels Photovoltaikanlage auf dem Dach.

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Für Marcus Wirthwein, den Vorstandssprecher und Vorstand Vertrieb der Wirthwein AG in Creglingen, ist das ganze Thema von zentraler Bedeutung: „Nachhaltigkeit ist für uns Innovationstreiber, aber auch eine Verpflichtung zu ökologischem, ressourcenschonendem Handeln. Jedes unserer Bauteile ist das Ergebnis einer nachhaltigen Produktentwicklung und jeder Prozess darauf ausgelegt, Verschwendung zu vermeiden. Wir implementieren kontinuierlich innovative und emissionsarme Technologien, die unsere Mitarbeiter entlasten, neue Fertigungspotenziale ausschöpfen und uns auf dem Weg zur Fabrik der Zukunft weiterbringen.“

Innovative Technologien

Weiter erklärt Wirthwein: „Wir konzentrieren uns auf Kunden und Lieferanten, die mit der gleichen Verantwortung, dem gleichen Qualitätsanspruch und dem gleichen Werteverständnis arbeiten wie wir. Durch den schonenden Umgang mit Ressourcen und den Einsatz innovativer Technologien reduzieren wir Emissionen, minimieren unseren CO2-Fußabdruck und optimieren unseren Energieeinsatz. Dafür stehen auch unsere Zertifizierungen. Wir sind der festen Überzeugung, dass eine nachhaltige Unternehmensführung unsere Projekte nicht nur ökologischer, sondern auch dauerhaft wirtschaftlicher macht.“

Auch für die Zukunft hat sich Wirthwein viel vorgenommen. Forschungsprojekte zu Kunststoffen aus 100 Prozent nachwachsenden Rohstoffen versprechen einen Durchbruch bei der Problemstellung des Nachhaltigen Wirtschaftens, allerdings ist deren Entwicklung noch nicht so weit, dass ein Einsatz in der Großserienproduktion praktikabel und wettbewerbsfähig wäre. Entlang der Wertschöpfungskette biete darüber hinaus die Digitalisierung weitgreifendes Potenzial, mit smarten Lösungen Abläufe effizienter zu gestalten und dadurch Nachhaltigkeit zu steigern.

Eine Schraubkappe aus Bio-Material bei der Firma Wirthwein. © Wirthwein/Mehlmann

Problem in der Kreislaufwirtschaft

Marcus Wirthwein äußert sich auch zu Hindernissen auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit: „Mit Blick auf die globale Kunststoffbranche sehe ich ein großes Problem im Bereich der Kreislaufwirtschaft. Die Entsorgung von Abfällen in Ländern mit schwachen Umweltschutz-Vorschriften ist eine nicht hinnehmbare Praxis. Auf diesem Gebiet sind sowohl Politik als auch Unternehmen gefordert, wirklich nachhaltige Rahmenbedingungen und Konzepte zu erarbeiten.“

Zum EU-Öko-Audit „EMAS“ meint Wirthwein, dass es sich „als Standard leider weder lokal, noch global durchsetzen konnte“. Die Wirthwein eigenen Nachhaltigkeitsanforderungen würden mehr umfassen als durch „EMAS“ dargestellt, denn das stetige Ziel seien Verbesserungen und Einsparungen aller eingesetzten Ressourcen.

Für die Firma Magna, den weltweit tätigen Automobilzulieferer, der unter anderem in Assamstadt ein Werk betreibt, nimmt der Chef der Unternehmenskommunikation Europa, Rej Husetovic, Stellung: „Nachhaltiges Wirtschaften bedeutet, dass wir heute die richtigen Dinge tun, um einen besseren Planeten sowohl für heutige als auch zukünftige Generationen zu sichern. Deshalb bekennt sich Magna zu seinem kontinuierlichen Engagement für Nachhaltigkeit. Mit innovativen Produkten und energiebewusster Fertigung bekämpfen wir den Klimawandel und reduzieren unseren globalen Kohlenstoff-Fußabdruck. Dies bedeutet, dass bei all unseren Entscheidungen ausgewogen Ökologie, Ökonomie und unsere gesellschaftliche Verantwortung berücksichtigt werden.“

Auf diverse Zertifizierungen innerhalb der Firmengruppe kann auch Magna verweisen. Seit 2015 sind zusätzlich jährliche Einsparziele bei Energie, Wasser und Abfall festgelegt. „Die kontinuierliche Verbesserung unserer Umweltleistung ist oberstes Ziel und wird durch EMAS unterstützt und extern begutachtet“, erklärt Rej Husetovic abschließend.

Und auch die Firma VS Vereinigte Spezialmöbelfabriken GmbH & Co. KG in Tauberbischofsheim ist sich der eigenen Verantwortung bewusst. Thomas Braun, Leiter Qualitätssicherung bei der VS und Management-Verantwortlicher Qualität/Umwelt, teilt auf Anfrage mit: „Als produzierendes Gewerbe und durch die Verarbeitung von diversen Materialien hat VS immer eine Umweltauswirkung. Die Schwierigkeit ist, diese entsprechend zu bewerten und Maßnahmen zur Reduktion einzuleiten.“ Braun weiter: „Wir fertigen ausschließlich in Tauberbischofsheim. Die Be- und Verarbeitung von Holzwerkstoffen und Stahlrohr sowie die Montage unserer Produkte sind unsere Kernkompetenzen.“ Ein wichtiger Faktor sei die für die Produktion benötigte Energie. Ungefähr 30 Prozent davon würden direkt vor Ort durch die thermische Verwertung der Abfälle bei der Spanplattenverarbeitung gewonnen.

Wöchentlicher Markttag

Einwegverpackungen werden weitestgehend vermieden. Beim Transport werden die Möbel durch wiederverwendbare Packdecken aus 100 Prozent Recyclingmaterial geschützt. Die Produkte selbst seien sehr langlebig, zu 100 Prozent recycelbar, „die Holzwerkstoffe kommen aus nachhaltiger Waldbewirtschaftung und entsprechen dem FEMB-Nachhaltigkeitsstandard in höchster Stufe“.

Aber auch in Bereichen, an die man zunächst gar nicht denkt, macht sich die Grundeinstellung von VS bemerkbar. Dagmar Wolf, zuständig für Marketing und Kommunikation, sagt: „Auf unserem Gelände bewirtschaften wir eine Gärtnerei nach Bio-Richtlinien, die unsere Kantine versorgt und vom Frühsommer bis Herbst einen wöchentlichen Markttag für Mitarbeitende anbietet.“

„Noch nachhaltiger werden“

Bereits seit 2003 hat VS ein zertifiziertes Umweltmanagementsystem, ähnlich „EMAS“. Und schon einige Jahre später schloss man sich der Lieferantenrichtlinie „Code of Conduct“ an, die alle Partner zur Einhaltung von Sozialstandards und Arbeitsnormen verpflichtet. Thomas Braun ergänzt dazu noch: „Ziel ist, auch in Zukunft durch vermehrte Nutzung von Recyclingmaterial und Einsatz von energieeffizienten Fertigungsanlagen und Gebäudetechnik alle Möglichkeiten zu nutzen, um noch nachhaltiger wirtschaften zu können.“

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