Main-Tauber-Kreis. Der Windkraftausbau soll weitergehen. Das haben Bund und Land vorgegeben. Der Regionalverband Heilbronn-Franken versucht die Vorgaben zu erfüllen. Für den Main-Tauber-Kreis könnte das Ergebnis eine Vielzahl zusätzlicher Windkraftanlagen sein. Das Landratsamt erlebt aktuell schon eine Antragsschwemme.
Sortieren wir die Fakten: Nach Auskunft des Landratsamtes Main-Tauber sind aktuell 150 Windkraftanlagen im Kreisgebiet in Betrieb. Es gibt zudem zehn Windräder, die bereits genehmigt sind, sich aber noch nicht drehen. Und es sind momentan 97 neue Windkraftanlagen im Verfahren, wie es im Amtsdeutsch heißt.
Gesetzliche Vorgaben erfüllen, Wildwuchs verhindern
Nun ist der Regionalverband Heilbronn-Franken gerade dabei, neue und ausreichend große Vorranggebiete für die Nutzung der Windenergie in seinem Gebiet festzulegen. Ein Wildwuchs soll verhindert und gesetzliche Vorgaben eingehalten werden. Der Regionalverband ist geografisch zuständig für den Stadtkreis Heilbronn sowie die Landkreise Heilbronn, Schwäbisch Hall, den Hohenlohekreis und den Main-Tauber-Kreis. Die Fränkischen Nachrichten befragten Dr. Andreas Schumm, den Verbandsdirektor des Regionalverbands, zum weiteren Verfahren, zur Bürgerbeteiligung und zur Kritik von Gegnern des Windkraftausbaus.
Zunächst noch ein paar Zahlen, um die Ausgangslage zu verstehen: Mindestens 1,8 Prozent der Regionsfläche sollen für den Ausbau von Windenergie im Regionalplan als Vorranggebiete für regionalbedeutsame Windkraftanlagen ausgewiesen werden. Im Bereich des Regionalverbands Heilbronn-Franken sind das „insgesamt mindestens 8577 Hektar“. Bislang stehen lediglich 1624 Hektar der Regionsfläche als rechtskräftige Wind-Konzentrationszonen zur Verfügung. Davon liegen ca. 805 Hektar, also fast die Hälfte, im Main-Tauber-Kreis. Von 307 aktiven Windrädern in Heilbronn-Franken (laut Zahlen der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg) sind, wie bereits erwähnt, 150 bereits im Main-Tauber-Kreis aufgestellt.
Entscheidung über Vorranggebiete wird verschoben
Was passiert jetzt und was hat der Regionalverband zu entscheiden? Dr. Schumm erklärt, dass es aktuell im Verband um die Festlegung neuer Vorranggebiete gehe, um die Flächenvorgaben zu erfüllen und einen Wildwuchs von Windrädern zu verhindern. Wichtige inhaltliche Beschlüsse im Hauptverfahren sollten eigentlich in der Verbandsversammlung Ende September gefasst werden, doch dies verschiebe sich wohl auf die Versammlung am 5. Dezember. Grund sei die Vielzahl „an eingegangenen Stellungnahmen sowie deren hohe inhaltliche Komplexität“ zu den geplanten Vorranggebieten – dadurch dauere „die Erarbeitung der Abwägungsvorschläge leider länger als geplant“. Schumm macht klar, dass es den Abschluss des Hauptverfahrens brauche, um die Steuerungswirkung der regionalen Windkraftplanung zu erhalten. Er ergänzt in seinen Ausführungen aber auch, dass die vorgesehene Herausnahme von einigen Gebieten aus dem Hauptverfahren (Verlagerung in ein so genanntes Annexverfahren) „aus rechtlichen Gründen ein erneutes Beteiligungsverfahren“ nötig mache.
Richten wir den Blick wieder auf den Main-Tauber-Kreis. Wie viel Hekar Fläche sind im Rahmen der Planungsoffensive aktuell im Hauptverfahren, wie viel Hektar im Annexverfahren? Dazu teilt Dr. Schumm mit, dass im ersten Entwurf der „Teilfortschreibung Windenergie II“ regionsweit 104 Vorranggebiete für regionalbedeutsame Windkraftanlagen vorgeschlagen wurden, die insgesamt eine Fläche von zirka 10.960 Hektar aufweisen. „Davon liegen 36 Gebiete im Umfang von 3193 Hektar im Main-Tauber-Kreis“, so Schumm. Voraussichtlich acht dieser 36 Flächen wolle man in das so genannte Annexverfahren übertragen und damit etwa 1121 Hektar zurückstellen.
Schon genug Windräder im Main-Tauber-Kreis?
Nun sagen einige Kritiker im Main-Tauber-Kreis: „Hier gibt es schon genug Windräder. Es reicht!“ Darauf angesprochen antwortet Verbandsdirektor Schumm, dass im Zuge des Gesamtverfahrens Kriterien ermittelt wurden, „um die Flächensuche in der Region fair zu gestalten. Eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Lasten in der gesamten Region war und ist neben der Zielerfüllung an sich eines der Hauptziele des Regionalverbands“, betont Dr. Schumm gegenüber den FN. Der Verband sei überzeugt, dass bei einem Blick auf die Gesamtkarte der geplanten Vorranggebiete „Wind“ in der Region „diese Verteilung auch deutlich erkennbar ist“. Die Dominanz des Main-Tauber-Kreises beim aktuellen Windkraftanlagenbestand in der Region Heilbronn-Franken werde sich „beim weiteren Windkraftausbau in der Region sehr deutlich relativieren“, so Schumm.
Andere Regionen und Landkreise in Baden-Württemberg müssten zunächst mehr in Sachen Windräder machen, werfen Kritiker immer wieder in die Debatte ein. Dazu meint Schumm, dass „eine zahlenmäßig gleichmäßige Verteilung der Flächen in allen Stadt- und Landkreisen oder in anderen Regionen in Baden-Württemberg nicht möglich ist, da die Voraussetzungen innerhalb des Landes differieren“. Im Gebiet des eigenen Regionalverbands sei eine faire Verteilung der Vorranggebiete „dann gegeben, wenn alle Flächen mittels objektiver und überprüfbarer Kriterien festgelegt wurden“. Zudem müssten alle Regionen Baden-Württembergs gleichermaßen jeweils mindestens 1,8 Prozent ihrer Fläche für Windkraft sichern. Regionen, in welchen noch kein vergleichbarer Bestand wie in Heilbronn-Franken bestehe, hätten dabei einen deutlich größeren Neuzuwachs zu leisten, um das gleiche Flächenziel zu erreichen.
Bürgerbeteiligung und Öffentlichkeitsarbeit
Wie werden die Bürger nun am weiteren Verfahren beteiligt? Schumm erläutert: „Die erneute Beteiligung der Öffentlichkeit und der Träger öffentlicher Belange im Hauptverfahren wird voraussichtlich im ersten Quartal 2026 stattfinden.“ Danach folge die Abwägung aller Stellungnahmen und schließlich der Satzungsbeschluss durch die Verbandsversammlung. Die Rechtskraft und damit die Steuerungswirkung sei etwa drei bis vier Monate nach dem Satzungsbeschluss gegeben.
Die FN wollten auch von Dr. Schumm wissen, ob aus seiner Sicht die Anwohner der geplanten neuen Vorranggebiete ausreichend informiert wurden? Schumm meint Ja. Er verweist auf vier Info-Veranstaltungen im September 2024, die in allen Kreisstädten der Region stattgefunden haben. Dazu kämen zahlreiche Infoveranstaltungen auf kommunaler Ebene und öffentliche Gemeinderatssitzungen, die er und sein Amtsvorgänger besucht hätten. „In Summe waren das bislang weit über 60 Termine.“ Und es gebe eine sehr umfangreiche Verbands-Homepage (www.rvhnf.de), auf der alle Unterlagen zur Teilfortschreibung Wind und Erklär-Videos zu finden seien. Zwölf Infobriefe zur „Regionalen Planungsoffensive Erneuerbare Energien“ wurden herausgegeben, so Schumm, „die auch von zahlreichen Bürgern und Bürgerinitiativen abonniert sind“. Deshalb komme er zu dem Ergebnis, „dass wir eine sehr umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit leisten, die im Übrigen auch von Windkraftgegnern – bei allen inhaltlichen Differenzen – anerkannt und vielfach auch gelobt wird“.
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Kommentar Anwohner beim Windkraftausbau nicht alleine lassen