Das Wichtigste in Kürze
* Friedrich Merz hat keinen Amtsbonus und polarisiert stark. * Die Union und SPD erreichen zusammen nur 42 Prozent. * Viele Deutsche erwarten positive Impulse von der neuen Regierung.
Mannheim. Nach dem Rumpel-Start der Bundesregierung mit zwei Kanzler-Wahlgängen wollen die Beobachter der Politszene natürlich wissen, wie die Union in den Umfragen steht und ob die Deutschen unzufrieden mit Friedrich Merz sind - oder eben nicht.
Doch Matthias Jung, der schon seit vielen Jahren das Politbarometer der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen mit seiner Kollegin Andrea Wolf betreut, geht die Analyse grundsätzlicher an. „Es ist doch ein Alarmzeichen für die neue Bundesregierung, dass die ehemals große Koalition aus Union und SPD nicht einmal auf Basis der aktuellen Umfrage eine Mehrheit hat“, sagt er. In der Tat, die zwei Bündnispartner kommen im Politbarometer zusammen gerade mal auf 42 Prozent.
„Friedrich Merz polarisiert extrem“
Jung will auch nicht mehr groß auf die Blamage mit dem ersten Wahlgang eingehen. „Darin sehe ich jetzt nicht das Problem.“ Worin aber dann? „Die Deutschen haben Gerhard Schröder, Angela Merkel und auch Olaf Scholz mit dem Beginn ihrer Kanzlerschaft automatisch einen Ansehensbonus erteilt, ihre Popularitätswerte waren bei der Übernahme der Regierungsgeschäfte dann auch sehr gut“, so Jung. Bei Merz verhält es sich aber anders. „Der Wahlsieg hat ihm in dieser Hinsicht überhaupt nichts gebracht. Sein Image ist noch immer belastet und außerdem polarisiert Merz extrem“, sagt Jung. Das Einzige, was sich mit Blick auf die Zahlen geändert hat, ist, dass die - allerdings ziemlich geschrumpfte - Anhängerschaft der Union jetzt geschlossener als in der Vergangenheit hinter dem Kanzler steht.
Die Zahlen sind für Merz und die Union ernüchternd: In der Sonntagsumfrage fällt die CDU/CSU von 27 auf 26 Prozent. In der Rangliste der zehn wichtigsten Politikerinnen und Politikerinnen legt Merz im Vergleich zur Umfrage vor zwei Wochen nur leicht zu und kommt auf einen schlechten Imagewert von minus 0,1. Er schneidet also praktisch genauso schwach ab wie direkt vor der Bundestagswahl.
In der Bewertung liegt Merz auf einer Stufe mit Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der im nächsten Politbarometer ebenso wie die ehemalige Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Gregor Gysi (Linke) nicht mehr im Ranking auftauchen wird. Neu dabei sein werden dann Außenminister Johann Wadephul (CDU), Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) und Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU).
Boris Pistorius der beliebteste Politiker in Deutschland
Wie schon in der Ampel-Regierung ist auch in der arg geschrumpften großen Koalition Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit einem enormen Abstand der beliebteste Politiker in Deutschland. Mit einem sehr guten Wert von 2,2 liegt er weit vor SPD-Vizekanzler Lars Klingbeil (0,7), der er als Finanzminister in der schwierigen Haushaltslage äußerst schwer haben dürfte, an Popularität zuzulegen.
Trotz seines schlechten Abschneidens in den Top Ten fällt das erste Feedback auf die Leistung des Kanzlers nach rund zwei Wochen im Amt leicht positiv aus. 47 Prozent attestieren Merz „alles in allem gesehen eher gute Arbeit“. Für 35 Prozent macht er seinen Job „eher schlecht“, 18 Prozent wollten sich da noch nicht festlegen. Zum Vergleich: Bei Olaf Scholz hatten im Januar 2022 - also wenige Wochen nach Amtsantritt - 65 Prozent von eher guter Arbeit gesprochen. Mit Ende seiner Kanzlerschaft waren es allerdings nur noch 39 Prozent.
Zwar ist der Start der Bundesregierung mit dem verpatzten ersten Kanzler-Wahlgang nach Meinung von 51 Prozent der Deutschen nicht wirklich geglückt. Aber kurz nach der Übernahme der Regierungsgeschäfte meinen ebenfalls 51 Prozent, dass Schwarz-Rot seine Arbeit „eher gut“ gemacht hat. Ein Drittel ist eher kritisch eingestellt - darunter wie bereits bei der Ampel - die meisten AfD- und BSW-Anhänger.
Die allgemein positive Bewertung der Bundesregierung aus Union und SPD ändert nichts daran, dass die Erwartungen der Wählerinnen und Wähler an die Koalition sehr unterschiedlich sind. Während sich die meisten - nämlich 64 Prozent - von Schwarz
-Rot positive Impulse für die Konjunktur versprechen, rechnen in den Bereichen Rente und Alterssicherung (25) sowie Wohnungsmarkt (22) nur wenige Deutsche mit einem wichtigen Beitrag zur Lösung der Probleme. Beim Thema Flüchtlinge und Asyl gehen die Erwartungen weit auseinander, 51 Prozent trauen da der Regierung wenig, 44 Prozent dagegen viel zu.
Große Zustimmung für höhere Verteidigungsausgaben
Positiv sehen die Deutschen die verschärften Kontrollen und Zurückweisungen an den Grenzen. 51 Prozent meinen, dass dadurch deutlich weniger Asylsuchende und Flüchtlinge nach Deutschland kommen werden. Dass die neue Bundesregierung viel mehr Geld für die Verteidigung ausgeben will, finden 70 Prozent der Befragten gut.
„Friedrich Merz hat sich nach seiner Wahl auf die Außenpolitik gestürzt, das bringt ihm natürlich großen Konsens und Geschlossenheit. Die Schwierigkeiten werden aber beginnen, wenn es um die großen innenpolitischen Themen geht. Da ist ja noch nicht viel passiert“, sagt Wahlforscher Jung.
Klar ist für den Mannheimer: „Es wird wesentlich darauf ankommen, inwieweit es Merz gelingt, aus der Wirtschaftskrise herauszukommen. Er muss da liefern und die Migrationsfrage herunterkochen.“ Das ist leichter gesagt als getan. „Es gibt da schon eine Chance, die Menschen sprechen Merz ja eine gewisse Wirtschaftskompetenz zu. “
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Fränkische Nachrichten Plus-Artikel Kommentar Merz & Co. müssen jetzt die Wirtschaft ankurbeln