Herr Rülke, gehen Sie am Sonntag wieder mit CDU-Chef Manuel Hagel wandern?
Hans-Ulrich Rülke: Diesen Sonntag nicht. Aber es kann durchaus sein, dass wir auch in diesem Sommer wieder zusammen wandern.
Ihre Wanderungen sind ja schon legendär. Im vergangenen Jahr haben Sie und Hagel beschlossen, dass CDU und FDP vor der Landtagswahl 2026 keinen neuen Ministerpräsidenten wählen werden. Was hecken Sie denn diesmal aus?
Rülke: Ich muss mich da erst mal mit Herrn Hagel absprechen, ob ich Ihnen das verraten darf.
Kann es sein, dass Sie dann mit ihm ausmachen, welchen Ministerposten Sie übernehmen, wenn die Grünen die Landtagswahl verlieren?
Rülke: Zunächst einmal brauchen wir ja Mehrheiten. Nach derzeitigen Umfragen könnte das eigentlich nur eine Deutschlandkoalition aus CDU, SPD und FDP sein, wenn man die Grünen draußen halten möchte. Und das ist mein erklärtes Ziel. Wenn man sich die Umfragen genau anschaut, fehlen uns aber auch für eine schwarz-gelbe Mehrheit gegenwärtig ungefähr vier Prozentpunkte. Das halte ich nicht für aussichtslos. Unser strategisches Ziel läuft deshalb auf eine Zweierkoalition mit der CDU hinaus. Ob es dafür reicht, muss sich dann zeigen. Und wie das dann mit Ministerposten aussieht, hängt vom Wahlergebnis ab.
Das ist jetzt die übliche Politikerantwort. Aber Sie wollen uns doch nicht ernsthaft weismachen, dass Sie Lust auf fünf weitere Jahre als Fraktionschef hätten. Das sind Sie ja schon ewig.
Rülke: Für den Fall einer Regierungsbeteiligung der FDP würde ich eine Funktion im Kabinett anstreben.
Als Finanzminister?
Rülke: Das wäre denkbar. Ich meine aber, dass wir in Baden-Württemberg ein Wirtschaftsministerium brauchen, das den Namen auch verdient. Wenn Sie jetzt im Wirtschaftsministerium den Schlüssel umdrehen, merkt das keiner. Mit dem Regierungswechsel 2011 hat es die Zuständigkeit für Energie ans Umweltministerium abgeben müssen. Für den Verkehr ist es schon lange nicht mehr verantwortlich. Die Digitalisierung landete im Innenministerium, dort hat Thomas Strobl versprochen, den letzten Schwarzwaldhof zu digitalisieren. Aber er hat nicht geliefert. Und nach der vergangenen Landtagswahl musste das Wirtschaftsministerium auch noch die Landesplanung weggeben.
Sie haben sich da ja schon eine Menge Gedanken gemacht.
Rülke: Ein Ministerium, das auch im Bereich der Infrastruktur etwas für die Wirtschaft und das Land bewegen kann, wäre für die FDP und vermutlich auch für mich reizvoll.
Welche Ministerien würde sich die FDP denn sonst noch krallen?
Rülke: Wie gesagt, das hängt stark vom Wahlergebnis ab.
Das ist uns auch klar.
Rülke: In der Vergangenheit haben wir ja meistens das Justizministerium besetzt, aber auch das Wissenschaftsministerium ist vorstellbar. Das würde in der Kombination auch zu einem schlagkräftigen Wirtschaftsministerium passen. Und wenn die Energie beim Umweltministerium bleibt, wäre auch ein Umwelt- und Energieministerium für die FDP interessant. Denn die Energie- und die Verkehrswende sind für die baden-württembergische Wirtschaft von zentraler Bedeutung.
Lassen Sie uns das Themen Personal abschließen. Würden Sie auch gerne den Landesvorsitz von Michael Theurer übernehmen, der zur Bundesbank wechselt?
Rülke: Dazu werde ich mich erst äußern, wenn Michael Theurer zurücktritt.
Wirklich erst dann?
Rülke: Tut mir leid, aber mit dieser Antwort mussten sich auch Ihre Kolleginnen und Kollegen begnügen.
Eines der am schlechtesten gehüteten Geheimnisse in Stuttgart ist, dass Cem Özdemir bei der Landtagswahl für die Grünen antreten will. Wie ist Ihr Verhältnis zu ihm?
Rülke: Wir haben uns kürzlich mal zu einem Mittagessen getroffen. Ich habe da keine persönlichen Differenzen feststellen können. Das ändert aber nichts daran, dass ich im Moment keine hinreichenden Gemeinsamkeiten sehe, um eine Landesregierung bilden zu können, in der Grüne und FDP zusammen am Kabinettstisch sitzen.
Liegt das an den Personen?
Rülke: Nein, sondern an den Inhalten der Grünen.
Würden Sie sagen, dass Sie Özdemir mehr mögen als Kretschmann, den Sie ja ständig kritisieren?
Rülke: Es ist doch die Aufgabe der Opposition, dass sie die Regierung kritisiert. Für mich ist nicht das persönliche Verhältnis zu Özdemir oder Kretschmann entscheidend. Für mich stellt sich die Frage: Was ist gut für das Land? Und da stelle ich fest, dass es in wesentlichen Politikfeldern große Differenzen gibt.
Hans-Ulrich Rülke
- Hans-Ulrich Rülke wurde am 3. Oktober 1961 in Tuttlingen geboren. Nach dem Abitur stu-dierte er Germanistik, Geschichte und Soziologie an der Universität Konstanz und arbeitete zunächst als Lehrer.
- Der baden-württembergische Landtagsabgeordnete (Wahlkreis Pforzheim) ist seit 2009 Fraktionschef der FDP.
- Rülke ist bekannt für seine bissigen Attacken. Die Grünen gehören zu seinen Lieblings-gegnern. Auch Alt-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mag er nicht. Er nennt sie eine „historisch gescheiterte Gestalt“.
Wo zum Beispiel?
Rülke: Vor allem in der Bildungspolitik. Die Grünen sind nicht dazu bereit, die Realschule und die berufliche Bildung zu schützen. Anders als wir. Oder bei der Verkehrspolitik. Die Grünen wollen den Verbrennungsmotor weiter verbieten. Das kostet in Baden-Württemberg Wohlstand und Arbeitsplätze bei den Zulieferern. Und im Energiebereich setzen die Grünen auf Windräder, die nie gebaut werden. Wir hingegen setzen auf Energiepartnerschaften mit anderen Regionen Europas und der Welt. Den Grünen geht es gar nicht um den Klimaschutz, sondern um Ideologie. Deshalb streben wir keine Koalition mit ihnen an. Übrigens hat auch der FDP-Vorsitzende Christian Lindner gesagt, er würde nach der Bundestagswahl 2025 in keine Koalition gehen, die von einem grünen Kanzler angeführt wird.
Schließen Sie ein Bündnis mit den Grünen prinzipiell aus?
Rülke: Nein, wir werden auch erst kurz vor der Landtagswahl 2026 entscheiden, ob wir eine Koalitionsaussage machen. Klar ist nur, dass wir uns ein Bündnis ohne die Grünen wünschen und eine Mehrheit anstreben mit der CDU und gegebenenfalls mit der SPD.
Haben Sie keine Angst, dass es am Ende zu einer Koalition der CDU mit den Grünen als Juniorpartner kommen könnte?
Rülke: Herr Hagel hat ja schon klargestellt, dass er eine Koalition mit der FDP einer weiteren Zusammenarbeit mit den Grünen vorziehen würde. Aber natürlich gehe ich davon aus, dass er eine Koalition mit den Grünen genauso ausschließt wie ich im Moment.
Welche Schnittmengen gibt es zwischen der FDP und der CDU?
Rülke: Ich erkenne da ein hohes Maß an politischer Übereinstimmung, und zwar nicht nur in der Bildungspolitik. Die CDU in Baden-Württemberg will wie die FDP das Verbrennerverbot in Brüssel wieder kippen. Und sie unterstützt offensichtlich nicht mehr die Mautpläne von Grünen-Verkehrsminister Winfried Hermann. Zumindest in Baden-Württemberg sind sich CDU und FDP einig, dass die Schuldenbremse bleiben muss. Und auch das persönliche Verhältnis zwischen Herrn Hagel und mir stimmt, auch deshalb wäre eine Zusammenarbeit in einer Regierung gut möglich.
Eine Deutschland-Koalition wäre für Sie kein Beinbruch?
Rülke: Nein, sie hätte im Landtag vermutlich eine große Mehrheit. Schon jetzt haben CDU, SPD und FDP dort eine kleine rechnerische Mehrheit. Wir haben ganz bewusst eine Bildungsallianz mit CDU und SPD angestrebt, weil klar ist: Wenn wir in der Bildungspolitik einig werden, dann auch in anderen Bereichen.
Damit haben Sie natürlich auch in der Regierungskoalition für Unruhe gesorgt.
Rülke: Das gehört zum Geschäft. Aber klar ist doch: Bildung ist das wichtigste Thema in der Landespolitik. Wenn man da mit der SPD auf einen gemeinsamen Nenner kommt, kann eine solche Koalition nicht mehr scheitern.
Noch sind das ja alles Sandkastenspiele. Haben Sie keine Angst, dass der in der Bevölkerung beliebte und auch sehr bekannte Cem Özdemir den großen Rückstand der Grünen zur CDU bis zum Wahltag noch aufholt?
Rülke: Nein. Ich gehe sogar davon aus, dass die Umfragen noch schlechter für die Grünen ausfallen werden, wenn den Menschen in Baden-Württemberg klar wird, dass Winfried Kretschmann bald weg ist. Ohne den Amtsbonus des Ministerpräsidenten können die Grünen in Baden-Württemberg nicht vor der CDU liegen.
Kretschmann ärgert sich, dass die CDU sich geweigert hat, seinen Nachfolger zum Ministerpräsidenten zu wählen. Das würde dem Koalitionsvertrag widersprechen, behauptet er.
Rülke: Fakt ist: Ein Ministerpräsident wird in geheimer Wahl von den frei gewählten Abgeordneten bestimmt. Die können Sie nicht mit Verweis auf den Koalitionsvertrag anweisen, einen Herrn Özdemir zu wählen. Das wäre verfassungswidrig.
In Hessen und Rheinland-Pfalz wurden die Ministerpräsidenten während der Legislaturperiode ausgetauscht, die Koalitionspartner haben das abgenickt.
Rülke: Diese beiden Bundesländer müssen nicht als Vorbild dienen. Jedes Parlament entscheidet eigenständig.
Haben Sie keine Angst, dass die schlechte Performance der FDP im Bund sich negativ auf Ihr Ergebnis bei der Landtagswahl auswirkt?
Rülke: Bis 2026 kann im Bund noch viel passieren. Die Landes-FDP liegt in Umfragen bei sieben bis acht Prozent, und ich habe als Spitzenkandidat bei den Landtagswahlen 2016 und 2021 jeweils auf die Umfragen zu Beginn noch rund fünf Prozent drauflegen können.
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