Main-Tauber-Kreis. Der Breitbandausbau im Main-Tauber-Kreis durch die Breitbandversorgung Deutschland (BBV) stockt. Zeitpläne werden nicht eingehalten, Arbeiten mangelhaft ausgeführt. Wittighausens Bürgermeister Marcus Wessels ist stinksauer.
Vor vier Wochen hat Marcus Wessels die Bauarbeiten des Unternehmens Terrado, das für die BBV die Tiefbauarbeiten für die Breitbandverlegung übernommen hat, gestoppt. Seine Geduld ist am Ende. „Terrado kommt mir nicht mehr auf meine Gemarkung“, sagt er. Infrastruktur sei zerstört worden, weist er auf die groben grauen Bruchsteine hin, die nahezu alle asphaltierten Bürgersteine auf einer Breite von bis zu 50 Zentimetern bedecken. Dort hatte man Gräben für die Verlegung der Kabel ausgehoben, diese verfüllt und mit einer Schotterschicht bedeckt. Das war’s. Neu asphaltiert wurde bislang nichts. Betroffen ist auch die funkelnagelneue Ortsdurchfahrt, in der ein großes Viereck aufgeschnitten wurde.
Wege mit Rollator nicht befahrbar
Für ältere Menschen, die auf einen Rollator angewiesen sind, Rollstuhlfahrer oder Kinder, die mit Stützrädern unterwegs sind, sind diese Wege nicht befahrbar. Teilweise wächst und blüht es auch schon aus dem Schotterstreifen heraus. Hinzu kommen bei gepflasterten Gehwegen Absenkungen, weil im Untergrund nicht sachgerecht verfüllt und verdichtet wurde.
„Wir sind vertraglich verpflichtet, Pflastersteine zur Verfügung zu stellen, damit die Arbeiter des Tiefbauunternehmens hier und da ein paar Steine auswechseln können“, berichtet der Bürgermeister von einem weiteren Ärgernis. Er zeigt auf die hellgrauen Steine, von denen die Gemeinde 70 Quadratmeter gekauft hat, um einen entsprechenden Vorrat bereit zu halten.
Doch die sind weg. Deshalb will er jetzt Anzeige wegen Unterschlagung stellen. Dass alle Steine verbaut seien, könne nämlich nicht sein. „Wenn ich die Straßen abfahre, sind es nämlich nur einzelne Exemplare, die ausgetauscht wurden und niemals 70 Quadratmeter“, so Wessels. Weitere Schäden finden sich immer dort an Bordsteinen, wo eine Straßenunterquerung notwendig war. Die Trupps haben die Bordsteinrückenstützen aus Beton abgebaut, nicht aber wieder neu eingebaut, so dass der Bordstein absackt, wenn schwere Fahrzeuge darüber fahren. Gerade auf dem Weg zur ZG Raiffeisen ist das während der Erntezeit manchmal unvermeidbar.
Für Wessels liegt der Grund allen Ärgers an der „inkompetenten Baufirma und komplett mangelnder Kommunikation. Wenn der Bauleiter eine andere Sprache spricht als die ausführenden Bauarbeiter, kann das nicht funktionieren“, meint er. Die zugesagten deutschen Ansprechpartner gebe es auf jeden Fall nicht.
Versprechen nicht gehalten
Zudem bezweifelt er, ob ein Bau nach den strengen deutschen Standards überhaupt fachgerecht von anderswo qualifizierten Arbeitern ausgeführt werden könne. Einzig positiv wertet er die Bemühungen von dem im Frühjahr eingesetzten BBV-Projektleiter Michael Semprich, der aber, laut Wessels, oft auch nur genervt sei von Terrado-Versprechungen, die letztlich nicht eingehalten werden.
Wessels spricht mittlerweile nicht nur von einem gestörten Vertrauensverhältnis, sondern von einem zerstörten zum Kooperationspartner BBV. Das Unternehmen mit Sitz im hessischen Dreieich räumt derweil Versäumnisse ein. Wolfgang Wölfle, Leiter Unternehmenskommunikation, bescheinigt Semprich allerdings, „einen verdammt guten Job gemacht zu haben“. In Hardheim habe es ebenso wie in Wittighausen einen Baustopp gegeben, mittlerweile habe sich die Lage dort aber beruhigt. Dasselbe hoffe er nun auch für Wittighausen, wo Bauleiter und Bauprojektleiter umgehend ausgetauscht worden seien.
In Hardheim nachgefragt, bestätigt Bauamtsleiter Daniel Emmenecker gegenüber den Fränkischen Nachrichten: „Wir sind auf einem guten Weg, bei einem sehr gut sind wir aber noch lange nicht.“ Wesentlicher Fortschritt in der Erftalgemeinde sei die endlich funktionierende Verständigung. Viel „Manpower“ habe die Gemeinde in der vergangenheit investiert, um den Terrado-Leuten immer wieder auf die Finger zu schauen.
Den Breitbandausbau in Stufe 5 beobachtet auch das Landratsamt des Main-Tauber-Kreises genau. Bei der letzten Bürgermeisterrunde mit dem Landrat war auch die Geschäftsführung der BBV anwesend. Hier habe „es geraucht“, ist zu hören. So habe der Landrat nochmals in deutlichsten Worten die Erwartungshaltung der kommunalen Familie an die BBV kommuniziert.
„Die Verzögerungen sind für die 18 Städte und Gemeinden im Main-Tauber-Kreis, für die Bürger und das Landratsamt sehr ärgerlich“, so Landrat Christoph Schauder. Eines sei jedoch klar: „Der privatwirtschaftliche Ausbau durch die BBV, ohne öffentliche Fördermittel, ist aktuell die einzige Möglichkeit, die Stufe 5 im Landkreis umzusetzen. Ein geförderter Ausbau ist nicht realistisch, da alle Förderprogramme hoffnungslos überzeichnet sind“, meint der Landrat. „Das bedeutet aber auch, dass die Einflussmöglichkeiten von Kreis und Kommunen begrenzt sind.“
Ausbauziele angepasst
Als einen der Gründe, warum der Ausbau stockt, nennt Schauder die gesamtwirtschaftliche Situation mit gestiegenen Preisen und Zinsen. Das stelle die Breitbandbranche vor Herausforderungen. Deswegen habe die BBV ihre Ausbauziele angepasst. In diesem Jahr solle es in Wittighausen weitergehen, nach den Sommerferien in Creglingen und dann sei noch ein Ausbau in Nassig geplant. Diese Anpassung der Ausbauziele für das Jahr 2024 fördert nicht gerade das Vertrauen in die BBV.
Die BBV habe allerdings abermals erklärt, dass sie am ganzheitlichen Ausbau des Landkreises festhalte, meint Schauder. „Das ändert allerdings nichts daran, dass es momentan ganz gewaltig knirscht im Gebälk“, stellt er fest und fordert: „Da muss die BBV in den nächsten Monaten verlässlich liefern.“ Es fange damit an, dass die BBV die Problematik mit ihren Bauunternehmen in den Griff bekommen müsse. Das habe höchste Priorität.
Der Landrat kann die Verärgerung des Wittighäuser Bürgermeisters zu 100 Prozent verstehen, auch wenn BBV Abhilfe zugesichert habe. Doch das müsse schnell geschehen, weil ansonsten das Vertrauen vollends verloren gehe. Christoph Schauder: „Das war in den letzten zwölf Monaten ein Gewurschtel der BBV, was einem Unternehmen, welches rund 135 Millionen Euro investieren möchte, nicht würdig ist.“
Suboptimal mit Arbeit zufrieden
Der Leiter Unternehmenskommunikation der BBV versichert: „Generell ist es unser Credo, in engem Austausch mit den Kommunen zusammenzuarbeiten.“ Dass dies nicht immer ganz so gut funktioniert habe, gibt er allerdings zu. „Wir waren von Anfang an mit der Arbeit, die das Generalunternehmen (Terrado, Anm. d. Redaktion) abgeliefert hat, suboptimal zufrieden, um es höflich auszudrücken“, so Wolfgang Wölfle. Klare BBV-Vorgaben seien von Terrado nicht so umgesetzt worden, wie von der BBV gefordert. Das sei bereits in Hardheim und Höpfingen der Fall gewesen. „Dass sich das in Wittighausen wiederum fortsetzte, ist für uns nicht nachvollziehbar.“
Der Forderungskatalog, den die Gemeinde Wittighausen erstellt hat, solle laut BBV jetzt sukzessive abgearbeitet werden. „Das wird jetzt mit Hochdruck umgesetzt. Dem werden wir vollumfänglich nachkommen“, verspricht Wölfle. Auch die Verständigungsprobleme zwischen Bauleitern und BBV-Projektleitern sollen beseitigt werden. Wolfgang Wölfle: „Das hat uns Terrado schriftlich zugesichert.“ Sowohl der neue Bauleiter als auch der neue Bauprojektleiter seien beide deutschsprachig. Hinzu komme der Austausch der Baukolonne, der von Terrado ebenfalls bestätigt sei.
„Wir sind mit der Gesamtsituation unglücklich“, räumt Wölfle ein. Das dürfte auch auf Wittighausens Bürgermeister Wessels zutreffen, der zunächst die Schäden beseitigt wissen will, bevor er sich auf neues Graben auf seiner Gemarkung einlässt. Ob er Terrado dann wieder die Erlaubnis zum Arbeiten in seiner Gemeinde erteilt, wird sich zeigen.
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