Badische Landesbühne

Wertheimer erlebten alles andere als besinnlichen Weihnachtsabend

Rund 250 Zuschauerinnen und Zuschauer sahen Komödie „Schöne Bescherung“ mit viel Slapstick und Klamauk

Von 
Jens-Eberhard Jahn
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Am Heiligabend geht es noch feucht-fröhlich zu. Mit der Fröhlichkeit wird es bald ein Ende haben, wurde bei der Aufführung der Badischen Landesbühne von Alan Ayckbourns Stück „Schöne Bescherungen“ in der Wertheimer Aula Alte Steige schnell klar. © Jens-Eberhard Jahn

Wertheim. Die Badische Landesbühne brachte am Dienstagabend quasi als ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk „Schöne Bescherungen“ von Erfolgsautor Alan Ayckbourn in die Wertheimer Aula Alte Steige mit.

Die Handlung des Komödienklassikers spielt an den Weihnachtstagen und ist schnell erzählt: Im Haus von Belinda und Neville kommt die ganze Familie zum Fest zusammen. Mit im Gepäck sind alle denkbaren persönlichen Marotten und jede Menge Alkohol. Der fernsehbesessene Onkel Harvey möchte den Kindern echte Gewehre schenken, die meist trunkene Tante Phyllis verwüstet die Küche und ihr Gatte Bernhard bereitet sein berüchtigtes Puppentheater vor. Für die Kinder, wie er beteuert, doch diese erscheinen überhaupt nicht auf der Bühne. Umso besser, denn Familienfreund Eddi kümmert sich zum Leidwesen seiner zum vierten Mal schwangeren Frau nicht mal um die eigenen.

Schließlich taucht Rachel auf, im Stück Belindas Schwester – in der badischen Inszenierung ihre Mutter – und bringt ihren neuen Geliebten mit. Der junge Schriftsteller gefällt allerdings auch Phyllis und Belinda. Dadurch nimmt das Weihnachtschaos lebensbedrohliche Züge an.

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Beinahe tiefgründig in der unterhaltsamen Komödie ist das doppelte Theater im Theater, in der ersten Szene als Fernsehabend, im letzten Akt als Puppentheater ohne Publikum.

Der britische Dramatiker Ayckbourn, Jahrgang 1939, ist ein Vielschreiber. Neben „Season’s greetings“, wie die Weihnachtsfarce „Schöne Bescherungen“ im Original heißt, verfasste er über 70 andere Werke, meist Farcen, Schwänke und Klamotten. Von 1972 bis 2009 war er künstlerischer Leiter des „Stephen Joseph Theatre“ im nordenglischen Scarborough. Außergewöhnlich an diesem Theater ist die runde Bühne, um die das Publikum drum herum sitzt.

43 Jahre nach der Uraufführung in Scarborough gehört „Schöne Bescherungen“ in vielen Ländern zum jahreszeitlichen Standardrepertoire. Laut Werkstatistik des deutschen Bühnenverbands stand das Stück in der Saison 2021/22 mit 17 518 Theaterbesuchen in der Publikumsgunst in Deutschland an 25. Stelle. Um die Jahrtausendwende stand die beliebte Komödie schon einmal auf dem Spielplan der Landesbühnen. Die Schauspielerinnen Cornelia Heilmann und Evelyn Nagel sind in der aktuellen Inszenierung als Phyllis und Rachel zu sehen und waren damals schon dabei. Beide waren in den 1990er Jahren von den sächsischen Landesbühnen in Radebeul nach Nordbaden gekommen.

Heilmann blickt im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten zurück: „Damals habe ich die Rachel gespielt. Jetzt ist das die Rolle von Evelyn Nagel. Obwohl das ja schon sehr lange her ist, ist der Perspektivenwechsel interessant. Der Autor gibt in seinen Regieanweisungen für das Stück sehr viel vor. Für mich blieb diesmal trotzdem noch Raum, die Phyllis mit vielen Slapstickeinlagen besonders betrunken anzulegen.“

Die gesamte badische Neuinszenierung setzt auf Slapstick, Trunk und Klamauk und kann damit nicht immer überzeugen. Die Darsteller schreien und stürzen zum Teil recht unmotiviert und manche Handlungsübergänge wirken spröde und wenig durchdacht.

Zum Teil kann dies durch stilistische Anleihen bei Loriot und Monthy-Python wettgemacht werden, etwa wenn Frank Siebers als treffend dargestellter Trottel Bernhard und Nadine Pape als Patty beim Puppentheater aneinander verzweifeln. Und wenn sie nicht zu „überspielt“ sind, können sich die Charaktere auf der Bühne gut entfalten.

Insbesondere Evelyn Nagel überzeugt als eifersüchtige Mutter Rachel und Martin Behlert stellt gemeinsam mit Hendrik Vogt völlig glaubwürdig die kindisch verspielten Faulenzer Neville und Eddie dar. Regisseurin Johanna Hasse hatte sich noch ein Update einfallen lassen. In ihrer Inszenierung sorgt „Alexa“ für zusätzliche Verwirrung, wenn sie Musik einschalten oder die Beleuchtung regeln soll.

Die Beleuchtung ist stimmig, das Bühnenbild ist funktional. Regie-Assistentin Alexandra Kahlenberg erklärt den Fränkischen Nachrichten die Arbeitsabläufe: „Heute Vormittag haben wir hier alles aufgebaut, nach der Vorstellung bauen wir ab. Morgen ist dann die nächste Aufführung in Bad Wimpfen, übermorgen in Eberbach.“ Während der Fahrten im Bus studieren die Schauspielerinnen und Schauspieler die Rollen für die nächste Premiere ein, „Das Ende des Regens“ von Andrew Bowell. Cornelia Heilmann freut sich darauf: „Ich spiele auch gern ernstere, komplexere Stücke, die Abwechslung macht’s. Auf jeden Fall kann ich sagen: ‚Schöne Bescherungen‘, das macht Spaß!“

Viele der etwa 250 Zuschauerinnen und Zuschauer sahen das in der Wertheimer Aula genauso und waren begeistert, anderen waren Stück und Aufführung zu seicht.

„Weniger ist mehr“ schreibt Autor Alan Ayckbourn in seinen „Goldenen Regeln für die Farce“. Das könnte auch für Klamauk gelten. Und vielleicht ist eine von allen Seiten einsehbare runde Bühne wie in Scarborough nötig, damit eine Aufführung dieses Stückes Tiefe gewinnen kann.

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