Wertheim. „Ganz ehrlich? Ich habe für diese Entscheidung wenig Verständnis“, sagt Christiane Förster. Die Geschäftsführerin der Tourismus Region Wertheim macht aus ihrer Verwunderung kein Geheimnis. Gemeint ist ein Gemeinderatsbeschluss, den Betrieb der Gecko-Bahn in Wertheim nicht zu bezuschussen. Diese Entscheidung wurde Mitte vergangenen Jahres in einer nicht öffentlichen Sitzung getroffen (wir berichteten).
Die Rede war von einem mittleren fünfstelligen Betrag, den sich der Betreiber Oliver Wolters für die Aufrechterhaltung des Linienverkehrs als Defizitausgleich erhofft hat“, erinnert sich Bürgermeister Wolfgang Stein rückblickend an die Sitzung. Damals schon habe Wolters klar gemacht, dass er aus Kostengründen die Bahn nicht weiter betreiben kann. Und nun ist es so gekommen: Der Linienbetrieb der Bahn auf die Burg ist definitiv eingestellt.
Standen vor Wochen immer mal wieder Touristen an der Haltestelle am Mainvorplatz und studierten den Fahrplan – trotz Hinweis, dass die Bahn nicht fährt – so ist inzwischen selbst die Haltestelle abgebaut worden. „Ich kriege jeden Tag Anrufe. Heute Morgen war beispielsweise eine junge Frau am Telefon, die ihre Hochzeitsgäste zur Burg fahren lassen wollte. Das ist nun alles nicht mehr möglich“, bedauert Wolters. Leicht gemacht habe er sich die Entscheidung nicht.
Nach einem endlos langen Ringen, die Burg besser an die Altstadt anzubinden, wurde vor elf Jahren das Bähnchen als kostengünstigste Alternative zu Schrägaufzug und Seilbahn in Betrieb genommen. Vor zehn Jahren übernahm Oliver Wolters das Fahrunternehmen von seinem Vorgänger Frank Ullrich.
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Wolters betreibt weitere Gecko-Bahnen in Heidelberg, Schwerin, Mühlhausen und Bad Kissingen – in der Regel Tourismusmetropolen, in denen sich der Betrieb der Bahn selbst trägt. Das Wertheimer Bähnle dagegen habe er von Anfang an quer finanzieren müssen – also die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben mit dem Erlös der anderen Bahnen ausgleichen. Das Ausbleiben der Touristen in der Pandemie hat die angespannte finanzielle Lage in Wertheim noch verschlimmert. Daraus folgte dann die Bitte um Unterstützung bei der Stadt.
Sein Ansinnen: Für das tourismusträchtige Bähnle die Differenz zu täglich 100 Fahrgästen aus dem Stadtsäckel auszugleichen, damit Einnahmen und Ausgaben zumindest zu Null ausgehen. Bei 210 Tagen Bahnbetrieb, 100 Fahrgästen am Tag und einem Ticketpreis von fünf Euro ergibt sich eine Mindesteinnahme von 105 000 Euro, die allein für die Aufrechterhaltung des Betriebs benötigt würden.
Fehlbetrag von 35 000 Euro
Laut Förster benutzen pro Saison etwa 14 000 Fahrgäste diesen speziellen Linienverkehr auf die Burg. Das ergibt Einnahmen in Höhe von 70 000 Euro. Bleibt also ein Fehlbetrag von mindestens 35 000 Euro zur Kostendeckung. Nicht mitgerechnet sind Sonderfahrten und die Touren für Schiffsgäste vom Anleger in Eichel bis in die Stadt. Wolters rechnet im Gespräch mit den FN übrigens vor, dass ein Linienbus pro Tag über 800 Euro kostet.
Doch nun ist der Ernstfall eingetreten. Die Bahn hat ihren Linienbetrieb eingestellt. „Schweren Herzens“, wie Wolters sagt. „Als Aufsichtsratsvorsitzender der Tourismusgesellschaft bin ich natürlich der Meinung, dass eine Bahn wünschenswert wäre. Aber man muss auch die Entscheidung des Gemeinderats akzeptieren“, so Stein.
Deutlich schwerer tut sich Christiane Förster mit der Entscheidung. „Die Busunternehmer und Organisatoren von Gruppenreisen sind auch deshalb auf Wertheim aufmerksam geworden, weil wir eben diesen Shuttle-Service im Angebot hatten. Die Fahrt auf die Burg macht Wertheim doch erst für die Reiseveranstalter interessant.“
Sie erinnert daran, dass die meisten Bustouristen im gesetzen Alter sind und den Fußweg auf die Burg in der Regel nicht auf sich nehmen. Ihre Befürchtung: Reiseveranstalter könnten sich für ein anderes Ziel entscheiden, wenn die Burg als Attraktion nicht mehr leicht zu erreichen ist.
Die Bedenken teilt auch Ruthilde Bayerlein, die Betreiberin der Burggastronomie. „Natürlich werden weniger Gäste zu uns kommen. Denn wer nicht so gut zu Fuß ist, wird nicht kommen“, sagt sie und erklärt, dass viele Gesellschaften mit dem Bähnchen auf die Burg zum Feiern kamen. Aber sie fügt auch an: „Jedes Unternehmen muss schauen, wie es über die Runden kommt. Das muss man doch kalkulieren.“
Für Christian Schlager, Innenstadt- und Burgmanager stellt sich die Frage, wie sich das Nichtvorhandensein der Bahn auf die Bustouristen auswirkt.: „Es ist grundsätzlich schwierig, so eine Entscheidung isoliert zu betrachten, denn sie betrifft eben nicht nur die Touristen, sondern diejenigen, die wegen des Fehlens der entsprechenden Infrastruktur überhaupt nicht nach Wertheim kommen.“ Der Tourismusverband Liebliches Taubertal dazu: „Generell bedauern wir die Einstellung dieses Angebotes, das von vielen Gästen gerne genutzt wurde.“
Bei den Fraktionen des Gemeinderats nachgefragt (nicht alle haben sich dazu geäußert), wird deutlich, dass man sich durchaus der Tragweite der Entscheidung bewusst war.
Keine Blanko-Genehmigung
Patrick Schönig (Fraktionsvorsitzender SPD): „Der Gemeinderat hat über viele Jahre das Burgbähnle unterstützt. Sei es direkt finanziell oder auch durch den Ausbau der Burgzufahrt. Leider war das Wagenmaterial oder auch die Zuverlässigkeit des Fahrplans nicht immer optimal.“
Er gibt zu bedenken: „Wichtig ist nun, dass wir uns im Gemeinderat über Alternativen zum Burgbähnle unterhalten. Da darf es keine Tabus geben. Und das alles immer unter der Prämisse der drei Anforderungen: Tourismus, Veranstaltungslogistik, barrierefreier Burgzugang. Da darf kein Aspekt unter den Tisch fallen.“
Auch Axel Wältz (Fraktionsvorsitzender CDU) äußerte sich: „Wir und ausnahmslos alle anderen Fraktion haben uns schwergetan,, einen dauerhaften Zuschuss für ein Privatunternehmen blanko zu genehmigen. Die Anfrage für eine dauerhafte Bezuschussung kam kurzfristig und unplanmäßig auf die nichtöffentliche Tagesordnung der Gemeinderatssitzung im Juli 2020. In der gleichen Sitzung wurde im öffentlichen Teil der Corona-Nachtragshaushalt beschlossen – was man vielleicht hier im Zusammenhang sehen sollte.“
Wältz moniert rückblickend, dass zu wenig Informationen über die Kostenstruktur der Bahn vorgelegen haben und hätte ein „Open-Book-Verfahren“(offene Bücher) als hilfreich begrüßt. Außerdem war laut Aussage Wältz zum Zeitpunkt der Sitzung nicht klar, wie weit die öffentliche Hand private Unternehmen bezuschussen darf. Weiter führte er aus: „Bei einen Zuschuss von 60 000 Euro im Jahr stellt sich aus unserer Sicht die Frage, ob man die Burgaufstiegsfahrten in Eigenregie organisieren kann oder mit einem Busunternehmen kooperiert.“
Songrit Breuninger (Fraktionsvorsitzende Freie Bürger) ergänzt: „Sollten Kreuzfahrtschiffe in größerer Anzahl wieder anlegen und sich der Bustourismus erholen, wird für Herrn Wolters auch eine entsprechende Wirtschaftlichkeit des Bähnles darstellbar sein. Da uns sehr wohl bewusst ist, welche wichtige Komponente das Burgbähnle für unsere Burg und unseren Tourismus ist, sind wir offen für erneute Verhandlungen bei entsprechenden Perspektiven.“
Stefan Kempf (Fraktionsvorsitzender Bürgerliste Wertheim), erklärt, dass die Entscheidung in einem Hau-Ruck-Verfahren getroffen wurde und bemängeltebenso die dünne Datenlage. Auf die Frage nach den Gründen fügt er an: „Wenn sich ein privatwirtschaftlicher Betrieb nicht rechnet, kann nicht immer die öffentliche Hand dafür gerade stehen. Da könnte ja sonst jeder kommen. Eher muss ein Unternehmer dann eben sein Konzept, Ausgaben und Einnahmen auf den Prüfstand stellen.“
Aufstiegshilfe ist notwendig
Einig war man sich darin, dass es eine Aufstiegshilfe geben muss. Deshalb sind neue Lösungswege gefragt. Das Bähnle dem ÖPNV anzugliedern, indem es mehrere zu schaffende Haltestellen in Eichel anfährt, wäre eine Möglichkeit. Auch ein Pendelverkehr zu den Veranstaltungen würde das Angebot erweitern. Christian Schlager: „Nichts ist in dieser Angelegenheit in Stein gemeißelt.“
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