Energiekrise

Wertheim öffnet seine Schwimmhalle  - Külsheim lässt sie zu

Die Energiekrise zwingt Kommunen zu Einsparungen. Dem Rotstift zum Opfer gefallen ist unter anderem der Schwimmhallenbetrieb in Külsheim. In Wertheim muss aufgrund wirtschaftlicher Anforderungen die Schwimmhalle geöffnet werden.

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Heike Barowski
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Zwei Wochen vor dem Großen Markt wird das Hallenbad in Külsheim nach der Revision normalerweise mit rund 800 Kubikmetern Wasser (und elf Kubikmeter Wasser im Schwallwasserbehälter) etwa drei Tage lang befüllt. Doch in diesem Jahr bleibt das Becken leer und die Schwimmhalle geschlossen. © Heike Barowski

Wertheim/Külsheim.. Als der Vorsitzende des Schwimmbad-Fördervereins Welzbachtal, Philipp Bopp und Schwimmbadleiter Uwe Geßner vor wenigen Tagen in Wenkheim das Freibad schließen, ist beiden ein wenig wehmütig ums Herz. Auch, weil sich gerade ein paar große Probleme auftürmen. So muss neben einem neuen Kioskbetreiber vor allem eine Halle gefunden werden, in der im Winter die Schwimmkurse der DLRG Wenkheim und der DLRG Werbach stattfinden können.

Im Sommer konnten im Wenkheimer Freibad die Schwimm-Kurse nachgeholt werden, die aufgrund der Beschränkung durch die Pandemie nicht in Külsheim stattfanden. Doch eine Dauerlösung sei das nicht, „schon gar nicht für die Schwimmanfänger“, betont Bopp. „Weil aufgrund der Energiekrise in Külsheim die Halle nicht aufgemacht wird, haben wir ein echtes Problem, denn die Anfängerschwimmausbildung können und wollen wir nicht im Freibad machen. Dafür sind die Wassertemperaturen und oft auch das Wetter einfach nicht geeignet“, so Bopp. Er ist sich sicher, dass auch viele Eltern diesen Weg nicht mitgehen würden. Doch eine Lösung ist aktuell noch nicht in Sicht. „Viele Möglichkeiten auszuweichen haben wir hier in der Region nicht.“ In Lauda gebe es beispielsweise nur noch mittags ein kleines Zeitfenster. In Höchberg habe man gleich der DLRG abgesagt, weil alle Termine belegt sind. Hoffnung, dass die Halle in Külsheim öffnet, wenn sich beispielsweise alle betroffenen Vereine das entstandene Defizit teilen, hat Bopp nicht. Und Külsheims Bürgermeister bestätigt dies.

Mit Erdgas betrieben

„Das große Hallenbad der Stadt Külsheim wird mit Erdgas betrieben. Wir befinden uns seit Wochen bereits in der zweiten Stufe des ’Notfallplans Gas’ – in der Alarmstufe. Seit Wochen sind alle Verbraucherinnen und Verbraucher sowohl in der Industrie, in öffentlichen Einrichtungen wie in den Privathaushalten von der Regierung aufgerufen, den Gasverbrauch möglichst weiter zu reduzieren, damit wir über den Winter kommen. Kommt die nächste und letzte Stufe des ’Notfallplans Gas’, fliegen wir mit dem Hallenbad sofort aus der Gasversorgung raus und der Hahn wird zugedreht, weil ein Hallenbad nicht überlebensnotwendig für die Bevölkerung ist“, erklärt Thomas Schreglmann die Entscheidung. Külsheim würde also mit der Schließung des Hallenbads die Vorgaben der Bundesregierung zum Einsparen von Energie erfüllen.

Im Vorfeld habe man bei der Stadtverwaltung alle Möglichkeiten zur Gaseinsparung geprüft, versichert der Bürgermeister. So würde beispielsweise der Wegfall des Warmbadetages nur sehr wenig Gas einsparen, weil das Bad in den auf den Warmbadetag folgenden Tagen kaum beheizt werden muss, weil die Restwärme ausreicht. „Die Grundlast frisst bei diesen Wassermengen einfach das meiste Erdgas“, so Schreglmann.

Dazu kommt ein hohes finanzielles Defizit, das die Kommune jedes Jahr ausgleichen muss, um den Schwimmbadbetrieb aufrecht halten zu können, und das nach der Steigerung der Gaspreise in die Höhe schießt. Auf die bange Frage, ob denn die Schwimmhalle überhaupt wieder geöffnet wird, sagt Schreglmann: „Wir planen die Wiedereröffnung im Jahr 2023. Um höhere Preise werden wir aber nicht herumkommen. Wenn der Gaspreis sich verdreifacht, werden die Eintrittsgelder mindestens in dieser Größe nachziehen müssen. Diese decken ohnehin nur einen Bruchteil der tatsächlichen Kosten. Nicht umsonst schließen immer mehr Bäder in Deutschland.“

Die Kritik Schreglmanns geht in Richtung Landes- und Bundesregierung: „ In unseren Schul-Lehrplänen steht der Schwimmunterricht auf der Agenda. Falls das Land wünscht, dass es künftig weniger Nichtschwimmer gibt, muss es sich künftig auch an der Finanzierung derartiger Einrichtungen beteiligen. Die Kommunen können das nicht mehr alleine stemmen.“

Um auf die Situation aufmerksam zu machen, ist am 28. September eine Rundfunksendung des Deutschlandfunks aus der leeren Schwimmhalle in Külsheim geplant. Leergepumpt wird das Becken immer im Sommer für die Revision. Doch auf das Befüllen hat man in diesem Jahr verzichtet. „Wir wollen so lange wie möglich versuchen, ohne Wasser auszukommen. Denn in dem Moment, wo wir das Becken befüllen, müssen wir die Halle beheizen – weil die Lufttemperatur immer über der Wassertemperatur liegen muss, sonst würde sich überall Kondenswasser bilden“, erklärt Oliver Wiesemann. Er ist als Hausmeister auch für das Hallenbad zuständig.

Erfahrungen mit einem leerstehenden Becken hat man in Külsheim nicht. Aus diesem Grund schaut der Hausmeister zweimal pro Woche im Bad vorbei und lässt die Pumpen kurz laufen. Wiesemanns Ziel ist es, bis Weihnachten ohne Wasser durchzukommen.

Auch wenn Bopp und Geßner Külsheims Bürgermeister Schreglmann zustimmen, ihr Problem mit dem Schwimmunterricht im Winter wird dadurch nicht gelöst.

Kleinschwimmhalle muss öffnen

Eine Option für die DLRG wäre die Kleinschwimmhalle in Wertheim. Sie wird von der Bädergesellschaft Wertheim betrieben. Wie dessen Betriebsleiter Ingo Ortel mitteilte, sind die Vereine aus Wenkheim, Külsheim und Werbach bereits vorstellig geworden. Doch erst vergangene Woche fiel die Entscheidung darüber, ob die Kleinschwimmhalle geöffnet wird.

„Wir haben darauf gewartet, dass die Politik vorschreibt, die Bäder zu schließen. Aber das hat sie nicht. Und deshalb öffnen wir am 11. Oktober die Kleinschwimmhalle“, sagt Thomas Beier, Geschäftsführer der Bädergesellschaft und der Stadtwerke Wertheim. Was nach einer rein emotionalen Entscheidung klingt, hat handfeste Gründe.

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Die Kleinschwimmhalle wird von einem Blockheizkraftwerk beheizt. Doch das Heizkraftwerk versorgt nicht nur die Schwimmhalle, sondern auch die darüber liegende Turnhalle und das Gymnasium mit Wärme. Aus diesem Grund kann das mit Gas betriebene Heizkraftwerk nicht komplett abgeschaltet werden. Wird lediglich die Kleinschwimmhalle nicht beheizt, muss die Turnhalle deutlich höher beheizt werden, weil die Wärme von der Schwimmhalle fehlt und sich Kondenswasser, feuchte Stellen und vor allem Schimmel bilden könnte.

Ein weiterer und sehr gewichtiger Fakt für die Öffnung kommt durch den Holdingverbund. Diese städtische Holding besteht aus drei Gesellschaften: der Steg (Stadtentwicklungsgesellschaft), den Stadtwerken und der Bädergesellschaft. Während die Steg und die Bädergesellschaft jedes Jahr negative Ergebnisse einfahren, erwirtschaften die Stadtwerke Gewinn. Die drei werden aufgrund der gegründeten Holding gemeinsam veranlagt und müssen nur Steuern auf den Gewinn zahlen, der ganz am Ende übrig bleibt. „Das darf man aber nur machen, wenn es zwischen den drei Gesellschaften auch eine technische Verflechtung gibt“, erklärt Beier. Und so haben die Stadtwerke ein Geschäft mit der Bädergesellschaft abgeschlossen, die Steg mit den Stadtwerken und so weiter. Technisch verflochten ist man über das Bäderheizkraftwerk und den Brunnen im Freibad.

Wird das Heizkraftwerk stillgelegt, oder auch nur die Kleinschwimmhalle nicht mit Wärme beliefert, ist der Querverbund innerhalb der Holding nicht mehr existent. „Wenn ich die Kleinschwimmhalle schließe, weil ich sie nicht mehr beheizen will, würden wir den Verbund gefährden“, erklärt Beier. Dies sei aber ein Risiko in Höhe von mehreren hunderttausend Euro, das keiner der drei Beteiligten bereit ist zu tragen.

Sozialer Auftrag

„Wir haben auch eine moralische Verpflichtung. Denn inzwischen haben wir einen riesigen Stau bei den Anmeldungen für Schwimmkurse. Können in der Kleinschwimmhalle Schwimmkurse und Kurse der Rheumaliga und Aquafitness sowie die Ausbildung der DLRG stattfinden, erfüllen wir damit auch einen sozialen Auftrag“, so Beier. In diesem Zusammenhang gibt Ortel zu bedenken, dass die DLRG vor allem bei Hochwasser-Einsätzen ein wichtiger Helfer ist, auf den niemand verzichten kann. Um all diese Kurse stattfinden lassen zu können, wird gerade geprüft, ob die öffentlichen Badezeiten verkürzt werden können. „Weil wir das Gaseinsparen ernst nehmen, schauen wir auch, wie weit wir die Wassertemperatur absenken können“, führt Beier an.

Wie Ortel bemerkt, würde die untere Grenze bei 28 Grad Celsius liegen. Eine Wassertemperatur darunter würde nicht nur das Babyschwimmen unmöglich machen. Weil letzteres ein reines „Luxusangebot“ ist, laufen Überlegungen, diese Kurse für eine bestimmte Zeit auszusetzen. Inzwischen ist der Schritt, die Kleinschwimmhalle zu öffnen, mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Bädergesellschaft, Wolfgang Stein, abgestimmt. Wie Beier erklärt, teilt Stein die Entscheidung.

Am kommenden Montag wird der Beschluss dem Wertheimer Gemeinderat zur Kenntnisnahme vorgetragen. Beier rechnet zwar mit Diskussionsbedarf, hofft aber auf Verständnis und die daraus resultierende Einsicht bei den Räten.

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Wertheim

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