Volksfest - Stadt reagiert auf heftige Kritik an der Absage der Michaelsmesse / Marktbeschicker: Argument der Verwaltung „total falsch und fadenscheinig“

Wertheim: „Messe hätte Erwartungen nicht erfüllt”

Nach der heftigen Reaktion auf die Absage der Messe äußert sich die Wertheimer Stadtverwaltung ausführlich. Doch es gibt weiter Kritik.

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Gerd Weimer
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Die Messe mit großen und traditionellen Fahrgeschäften wird es nicht geben. © Heike Barowski

Wertheim. Nachdem die Absage der Michaelismesse vergangene Woche hohe Welle geschlagen hatte, befasste sich sogar der Gemeinderat mit dem Thema – auf seiner nichtöffentlichen Klausurtagung am Freitag. Kritik an der Entscheidung hatte es gegeben, weil eine Veranstaltung, die in einem halben Jahr stattfinden soll, ausgerechnet zu einer Zeit verkündet wird, in der viele der Corona-Beschränkungen fallen. Vonseiten der Marktbeschicker und Schausteller gab es zudem Zweifel an der Kompetenz des Messeausschusses. Er kümmere sich zu wenig um die Weiterentwicklung der Großveranstaltung, hieß es.

Stadtrat Richard Diehm (Grüne) hatte in einem Leserbrief in den FN die Informationspolitik des Messeausschussvorsitzenden, Bürgermeister Wolfgang Stein, kritisiert. Die Ausschussmitglieder seien „völlig unvorbereitet mit dem Thema konfrontiert“ worden, schrieb Diehm. Dem Gremium sei jegliche Möglichkeit genommen worden, „sich im Vorfeld mit den Schaustellern und anderen an der Messe Beteiligten auszutauschen“.

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Die Stadtverwaltung schreibt in einer am Dienstag veröffentlichten Presseerklärung, die Beratung zur Messe sei „ergebnisoffen auf die Tagesordnung des Messeausschusses gesetzt worden“. Diehm bleibt dabei: Auf der Tagesordnung habe lediglich der Punkt „Stand der Planungen zur Michaelismesse 2022“ gestanden. Es habe keine inhaltliche Vorlage gegeben, aus der im Vorfeld zur erkennen gewesen wäre, dass es um eine Absage geht. Ähnliche Vorwürfe hatte auch Axel Wältz (CDU) erhoben: Die Absage sei aus der Einladung nicht ableitbar gewesen.

Unterdessen begründet die Stadtverwaltung die Entscheidung in der Presseerklärung noch einmal ausführlich: „Den Ausschlag hat die Einschätzung gegeben, dass die Corona-Pandemie noch nicht überstanden ist, auch wenn jetzt zu Beginn der Freiluftsaison viele Einschränkungen aufgehoben wurden.“ Nach Aussage aller Virologen müsse mit hoher Wahrscheinlichkeit im Herbst wieder mit Infektionswellen, eventuell auch ausgelöst durch neue Virusvarianten, gerechnet werden. Dies ziehe Hygienekonzepte mit Abstandsregeln, Maskenpflicht und begrenzter Raumkapazität nach sich.

In der Folge müsse man eventuell die Besucherzahlen reduzieren und eine Maskenpflicht in der Main-Tauber-Halle anordnen. Statt Partymusik mit Tanzen oder auf den Bänken stehen, gebe es Musik womöglich Musik „aus der Dose“. Auch der Festzug würde ausfallen, weil nicht alle Teilnehmer anschließend in der Halle Platz haben. Und schließlich müsse man auf den Seniorennachmittag verzichten, weil gerade ältere Menschen nicht gefährdet werden sollen.

Wirtschaftlich nicht vertretbar

„Das wäre nicht die Messe, die den Erwartungen der Besucher nach zwei Jahren Corona-Pause entspricht“, wird Bürgermeister Wolfgang Stein zitiert. Sowohl die Distelhäuser Brauerei als auch der Festwirt hätten diese Einschätzung geteilt. Für den Festwirt sei es wirtschaftlich nicht vertretbar, den Aufwand für Bewirtung und Unterhaltungsprogramm in einer Halle zu leisten, die eventuell nur zur Hälfte besetzt sein darf. „Das wäre auch nicht die Messeatmosphäre, die wir uns alle wünschen“, sei der der Tenor im Messeausschuss gewesen.

Alle Varianten diskutiert

In der Sitzung seien alle Varianten diskutiert worden – von der Absage über das erweiterte „Herbstvergnügen“ bis hin zur Verlegung der Messe in die wärmere Jahreszeit. Diese Variante habe man schon in der Vergangenheit geprüft. Sie komme nicht in Frage, weil ein früherer Termin mit anderen Volksfesten in der Region kollidiere. Schausteller, Marktleute und Festwirt seien anderweitig gebunden.

Auch ein Messebetrieb nur mit Vergnügungspark und Marktständen ohne Bewirtschaftung der Main-Tauber-Halle sei diskutiert und wieder verworfen worden. Diese Variante entspreche in kleinerem Rahmen dem Konzept des „Herbstvergnügens“, das jetzt erneut umgesetzt wird.

Zum Zeitpunkt der Entscheidung heißt es von der Verwaltung: „Ob Messe oder ,Herbstvergnügen’ – solche Veranstaltungen müssen mit Vorlauf geplant, vorbereitet und organisiert werden.“

Auch und gerade die Schausteller und Marktkaufleute bräuchten und erwarteten Planungssicherheit. Deshalb sei es richtig gewesen, jetzt zu entscheiden.

Dem widerspricht Werner Baumeister, Sprecher der Marktbeschicker: Der Zeitpunkt der Absage bringe ihm keine Planungssicherheit. Er könne jetzt bestenfalls planen, Anfang Oktober zu Hause zu sitzen. Der Jahreskalender sei lange vorbereitet und fixiert. Bei anderen geeigneten Großerveranstaltungen, für die er sich hätte bewerben können, komme er nicht mehr zum Zuge. Die Argumentation der Stadt sei „total falsch“.

Im Übrigen verstehe er nicht, warum der Hallenbetrieb bei der Messe unverzichtbar sein solle. Der Vergnügungspark und das Marktgeschehen werde von einer anderen Publikumsgruppe besucht – eher Familien. In der Halle wiederum würden sich die Leute treffen, die Party feiern wollten. Weil das eine durchaus ohne das andere vonstattengehen könne, betrachte er die Argumente der Stadt als „fadenscheinig“.

Alternative „Herbstvergnügen“

Die Stadtverwaltung hingegen meint, der Messeausschuss habe „seine Entscheidung sorgfältig abgewogen und verantwortungsbewusst getroffen“. Mit dem erweiterten „Herbstvergnügen“ habe man für Wertheim nach Abwägen aller Argumente eine gute Alternative gefunden.

Das Konzept habe in den beiden zurückliegenden Jahren gut funktioniert. „Die Verwaltung freut sich, Familien mit Kindern in diesem Rahmen wieder Messe-Flair und Schaustellern und Marktkaufleuten eine Umsatzmöglichkeit bieten zu können“, heißt es. 2023 kehre man hoffentlich wieder zur Messe in der gewohnten Form zurück.

Redaktion Reporter Wertheim

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