Wertheim. Wie die Stadtverwaltung am Mittwoch mitteilte, wird die Wertheimer Michaelismesse in diesem Jahr erneut nicht in traditioneller Form stattfinden. Stattdessen solle wieder das Veranstaltungsformat „Herbstvergnügen“ umgesetzt werden – in einer erweiterten Version. Das habe der Messeausschuss in seiner jüngsten Sitzung entschieden, hieß es.
„Der Messeausschuss geht von einer hohen Wahrscheinlichkeit aus, dass Corona im Herbst noch oder wieder Thema ist“, so die Presseerklärung. Vor allem müsse mit Abstandsregeln und Maskenpflicht in geschlossenen Räumen gerechnet werden. „Auch der Festwirt und die Distelbrauerei gehen von diesem Szenario aus“, heißt es. „Das steht einer unbeschwerten Messe, wie wir sie aus der Vergangenheit kennen, entgegen“, gibt Bürgermeister Wolfgang Stein demnach die Einschätzung des Messeausschusses wider. Aus diesen Gründen habe man sich „schweren Herzens“ dazu entschieden, auf die Messe in und an der Main-Tauber-Halle dieses Jahr nochmals zu verzichten. Sie sollte von 1. bis 9. Oktober stattfinden.
Erweitertes „Herbstvergnügen“
Stattdessen setze man wieder auf ein „Herbstvergnügen“ im Mainvorland. Hier hatte man schon 2020 und 2021 „ein coronakonformes Ersatzprogramm mit einigen Fahrgeschäften und Marktbuden“ geschaffen. Vor allem Familien mit Kindern habe man damit ein messeähnliches Ambiente bieten können, heißt es aus der Stadtverwaltung.
Das „Herbstvergnügen“ solle in diesem Jahr ergänzt und Richtung Altstadt erweitert werden, „sofern daran unter den Marktleuten Interesse besteht und die Platzverhältnisse es zulassen“.
Werner Baumeister, der Vertreter der Marktkaufleute, reagierte auf Anfrage der FN überrascht und verärgert auf die erneute Absage. Er habe noch keine offizielle Nachricht erhalten und kenne die genauen Gründe nicht.
„Macht mich fassungslos“
Auch Timo Zöllner, der das Schaustellerangebot auf der Michaelis-Messe organisiert, reagiert ungehalten. „Das macht mich komplett fassungslos“, sagte er den FN angesichts der „unerwarteten Absage“. Die Ersatzveranstaltung, das „Herbstvergnügen“, helfe den meisten Schaustellern nicht, da man die großen Fahrgeschäfte wegen des Platzmangels und der fehlenden Stromversorgung nicht auf dem Mainplatz aufstellen könne.
„Die Entscheidung erschließt sich mir überhaupt nicht“, beklagt sich Zöllner. In anderen Städten fänden die Jahrmärkte statt. In Stuttgart zum Beispiel werde demnächst das Frühlingsfest gefeiert, zwar nur mit Biergärten und ohne Zelte, aber mit Markt- und Vergnügungsgeschehen.
Momentan sei für ihn auch völlig unklar, wie er aus den Verträgen mit den Schaustellern herauskommen könne. Zöllner fungiert als Hauptmieter gegenüber der Stadt. Die einzelnen Betreiber der Fahrgeschäfte sind Untermieter. Möglicherweise böte sich keine rechtliche Grundlage für eine Vertragskündigung, denn eine Corona-Landesverordnung, wie sie es im ersten Pandemiejahr gab, sei nicht vorhanden. „Es drohen juristische Konsequenzen“, so Zöllner.
Er selbst habe wegen Personalmangels eine andere, parallel zur Messe stattfindende Veranstaltung abgesagt. „Jetzt stehe ich mit leeren Händen“, beklagt Zöllner, der davon ausgegangen ist, „dass ab 2. April alle Märkte relativ normal stattfinden können“.
Werner Baumeister, der auch Pressesprecher des bayerischen Landesverbands der Marktleute und Schausteller ist, wundert sich auch über die Wertheimer Entscheidung, weil nach seinen Angaben alle Märkte in der Region, also in Marktheidenfeld, Miltenberg und Lauda-Königshofen, regulär stattfinden sollen.
„Immer unattraktiver“
Ohnehin ist er auf den Messeausschuss der Main-Tauber-Stadt nicht gut zu sprechen: „Die Wertheimer demontieren ihre Messe“, schimpft Baumeister und sagt dem Jahrmarkt eine düstere Zukunft voraus. „So verlieren sie die letzten paar guten Händler auch noch“, prognostiziert er. Übrig blieben noch ein paar Textilstände, die das gleiche Sortiment anbieten. Die Michaelismesse werde wirtschaftlich immer unattraktiver, zumal hier vergleichsweise hohe Standgebühren verlangt würden.
Baumeister zieht nach seinen Erfahrungen der vergangenen Jahre generell die Kompetenz des Messeausschusses in Zweifel: „Die Leute zeigen kein Interesse. Es wäre schön, wenn man sich mal mit ihnen unterhalten könnte, aber sie kommen nicht.“
Christoph Ebers, Geschäftsführer der Distelhäuser Brauerei, sagte auf FN-Anfrage: „Wir unterstützen die Entscheidung der Stadt. Man werde alles tun, um den Wertheimern im gegebenen Rahmen „die schönstmögliche Veranstaltung“ zu bieten. Festwirt Hans-Peter Küffner war am Mittwoch für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Unterdessen gibt es zumindest für das Altstadtfest Hoffnung. Das werde „derzeit nicht in Frage gestellt“, hieß es aus dem Rathaus: „Nach zwei Jahren Zwangspause wegen der Corona-Pandemie soll es – nach heutigem Stand – am letzten Juliwochenende wieder stattfinden.“ Das Altstadtfest spiele sich komplett unter freiem Himmel ab. Deshalb sei man zuversichtlich, an der Planung festhalten zu können.
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