Wertheim. Seine Kompetenz im Umgang mit digitalen Medien bewertet der durchschnittliche Deutsche mit der Schulnote 3. Das ergab eine Umfrage der Initiative „Digital für alle“ im Jahr 2023. Gleichzeitig wünscht sich die Hälfte der befragen Personen, ihre Fähigkeiten in diesem Bereich zu verbessern.
Ein Tor zur digitalen Welt kann die Stadtbücherei Wertheim sein, die ihr Angebot in diesem Bereich am bundesweite Digitaltag am Freitag, 7. Juni, von 11 bis 18 Uhr vorstellt. Büchereileiterin Katja Schmitz spricht im FN-Interview über Trends aus der Online-Welt, die auch in Wertheim ankommen.
Welche Rolle spielen digitale Medien im Vergleich zum Buch, wenn Sie auf die jährlichen Ausleihen in der Wertheimer Stadtbücherei blicken?
Katja Schmitz: Was die jährlichen Ausleihen anbelangt, kommen die E-Books auf keinen Fall an die physischen Bücher heran. Insgesamt wurde und wird hier vor Ort wesentlich mehr ausgeliehen: Letztes Jahr wurde beispielsweise 94 430 mal physisch entliehen, aus der Onleihe 22 805 mal (darunter 15 429 E-Book-Entleihungen). Die Nachfrage nach physischen Medien ist also weiterhin stark, worüber wir uns sehr freuen. Jeder, der physisch entleiht, kommt bei uns vorbei und ist Teil unserer Büchereigemeinschaft. Das ist toll! Seit Corona können wir allerdings beobachten, dass es eine jährliche Zunahme an älteren Leserinnen und Leser (50+) gibt, die nach eigener Aussage ausschließlich die Onleihe nutzen. Insgesamt muss man noch mal differenzieren: Zu unseren digitalen Angeboten zählen zum Beispiel auch Tonie-Figuren, die auf dazugehörigen Tonie-Boxen platziert Hörbücher für Kinder abspielen: Sie haben übers ganze Jahr extrem gute Ausleihzahlen. Und das schon seit Jahren.
Wird Digitales vor allem von den Jüngeren genutzt oder fühlen sich auch Senioren angesprochen?
Schmitz: Hier kann man einen Unterschied zwischen dem Onleihe-Angebot und unserem digitalen Angebot vor Ort ausmachen: Die Onleihe wird insbesondere von Erwachsenen ab 35 Jahren genutzt, auch die digitalen Zeitungen, Hörbücher, das Musikangebot und Weiterbildungskurse. Jugendliche nutzen die Onleihe maximal im Urlaub, in dem sie sich E-Books herunterladen. Musikangebote nutzen sie so gut wie gar nicht. Da spielen sicherlich andere Anbieter wie zum Beispiel YouTube und Spotify eine wichtigere Rolle als unser Onleihe-Angebot. Bei Kindern sehen wir wieder ein anderes Bild: Sie nutzen alle unsere digitalen Angebote oft und immer wieder neu. Dazu zählen vor allem Tonie-Boxen und Tonies, Edurino-Figuren und Stifte, Kekz-Kopfhörer und dazugehörige Taler, Sami-Lesebären und die dazugehörigen Bücher, der Bookii-Globus, die Tiptoi-Bücher und Spiele mit den dazugehörigen Stiften. Auch unsere Konsolenspiele haben eine sehr gute Nachfrage.
Wissen Ihre Nutzer mit den digitalen Medien umzugehen?
Schmitz: Wir stellen fest, dass die Nachfrage nach Beratung bei Problemen mit dem Handling von Tablets oder Readern auf jeden Fall stark zugenommen hat. Vor allem unter den Leserinnen und Lesern ab 50 Jahren ist der Beratungsbedarf angestiegen – fast jede Woche kommt jemand mit seinem Reader oder Tablet, um sich helfen zu lassen. Nur gut, dass wir mit Fabian Künzig und Tamara Machemer zwei Teammitglieder haben, die sich da sehr gut auskennen und gut beraten können. Das messen wir daran, dass viele Nutzer bei Beratungsbedarf gezielt nach ihnen fragen.
Wie viele und welche digitalen Medien finden die Leser in Ihrem Haus?
Schmitz: Vor Ort finden die Nutzer 899 digitale Angebote zum Ausleihen vom Tonie, digitale Stifte und E-Book-Reader bis zur Digitalkamera und zum 3D-Drucker. Darüber hinaus zählen zum digitalen Angebot natürlich alle Konsolenspiele und Tiptoi-Spiele. Nicht vor Ort aber als 24/7-Digitalangebot kommt die Onleihe Heilbronn-Franken hinzu, über den Onleihe-Button auf unserer Homepage, und die digitalen Angebote von Munzinger und Brockhaus, ebenfalls über die Buttons auf unserer Homepage.
Welches sind die neusten Angebote im Digitalbereich?
Schmitz: Neu aufgenommen haben wir in diesem Jahr die Edurino-Starter-Sets für Kinder. Edurino soll Vorschulkindern dabei helfen, spielerisch digital zu lernen. Zu jedem Starter-Set gehören eine kleine, haptische Spielfigur, die man auf einem Tablet platziert, und ein Eingabestift, mit dem die Kinder auf dem Display je nach Aufgabenstellung malen, schreiben oder etwas anklicken können. Vorausgesetzt, man hat sich vorher die kosten- und werbefreie Edurino-App auf das Tablet geladen. Auf Edurino wurden wir aufmerksam, weil uns mehrere Erzieherinnen zu Beginn des Jahres darauf angesprochen haben. Wir haben uns dann das Angebot angeschaut, sind schließlich mit drei Sets gestartet und haben nun aufgrund der anhaltend hohen Nachfrage insgesamt 18 Figuren und sechs Stifte in unserer „Bibliothek der Dinge“. Unser Angebot an ausleihbaren Tonie-Figuren erweitern wir das ganze Jahr hindurch. Die Nachfrage war von Anfang an sehr groß und hält immer noch an. Inzwischen können unsere Leserinnen und Leser aus insgesamt 253 Tonie-Figuren auswählen. Tonie-Boxen verleihen wir auch.
Wie entscheiden Sie, ob Sie einen Trend aufgreifen?
Schmitz: Ob wir Trends aus dem Buch- und Medienmarkt aufgreifen, besprechen wir stets im Team. Wir sind da allen Phänomenen gegenüber aufgeschlossen und möchten mit der Zeit gehen, um als Bücherei für alle Altersgruppen attraktiv zu bleiben. Deshalb diskutieren wir intensiv darüber, ob sich die Neuaufnahme eines Trends wohl in Wertheim bewährt. Dabei greifen wir auf unsere persönlichen Einschätzungen, aber auch auf unsere langjährigen Erfahrungen und die anderer, ungefähr gleich großer, Bibliotheken zurück. Wir haben zudem das Glück, dass wir personell ein sehr breites Altersspektrum von Mitte 20 bis über 60 Jahre abdecken. Neu aufgegriffen haben wir so zum Beispiel den sogenannten „Booktok“-Trend der Social-Media-Plattform Tiktok. Dort empfehlen vor allem junge Erwachsene und dabei überwiegend junge Leserinnen ihre Neuentdeckungen aus dem Buchmarkt. Damit junge Besucher die dort favorisierten Bücher auch bei uns finden, hat unsere Auszubildende (Tamara Machemer) zusammen mit einer jungen Studentin, die bei uns im Frühjahr Praktikantin war, ein mobiles Booktok-Regal kuratiert. Das Regal im Eingangsbereich war ein Eyecatcher und ruckzuck leergeräumt. Da der Trend ungebrochen anhält, wird es nun ein stationäres Booktok-Regal im Jugendbereich geben.
Ein Blick in die Zukunft: Findet man Bücher irgendwann nur noch im Museum?
Schmitz: Nein, auf keinen Fall! Physische Bücher werden bleiben, da bin ich mir absolut sicher. Die Gruppe derjenigen, die die Vorzüge von physischen Medien schätzen, wird sich vielleicht altersmäßig etwas verändern, aber es wird sie immer geben. Physische Bücher haben in meinen Augen so viele Vorteile: Die Haptik, dass man sie also anfassen, fühlen, riechen kann. Man kann sie mit Empfehlung verleihen, beim Verschenken Widmungen reinschreiben und in eigenen Büchern Markierungen vornehmen. Und liebgewordene Bücher kann man natürlich sammeln, sie werden zu Begleitern fürs Leben. Und schließlich sehen Bücher einfach toll im Regal oder als Stapel auf Tischen aus und schmücken jedes Zuhause. Und wenn man sieht, was sich durch den Booktok-Trend gerade unter Jugendlichen abspielt, für wie wichtig sie schön aufgemachte und gut geschriebene Bücher erachten, mache ich mir um physische Bücher keine Sorgen. Die finden immer ihre Fans.
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