Wertheim. „Schauen Sie sich doch einmal um. Sie kriegen ja nicht einmal mehr Toilettenpapier oder eine Tüte Milch in der Innenstadt.“ Wenn Ursula Hartmann über die Gründe der Schließung ihres Juweliergeschäfts spricht, merkt man sofort, wie nahe ihr das geht. Mit Leidenschaft zählen sie und ihr Mann die Fakten auf, wie es zu dem Entschluss kam. Die beiden führen gemeinsam mit ihrer Tochter seit 1976 das Juweliergeschäft Jan direkt am Wertheimer Marktplatz. Erst im vergangenen Jahr konnten sie mit ihrer Belegschaft und vielen Kunden das 200-jährige Bestehen dieses Traditionshauses in Wertheim feiern. „Jetzt drehen wir den Schlüssel rum“, sagt die Chefin.
Natürlich spielte bei der Entscheidung das Alter der beiden Inhaber eine Rolle, immerhin sind sie über 70 Jahre. Doch das allein sei nicht ausschlaggebend gewesen, erzählen Ursula und Günter Hartmann. So habe das Sterben der Innenstadt einen wesentlichen Teil dazu beigetragen. „Früher war ein Haus in der ersten Reihe am Marktplatz etwas wert. Heute will es keiner mehr haben“, meint Ursula Hartmann und zählt die vielen Geschäfte auf, die rum um den Juwelier öffneten und vor allem für immer wieder schlossen. Auch die Pandemie habe ihren Teil dazu beigetragen, diesen Entschluss zu fassen.
Dazu kommt, dass die Kunden „mit den Füßen“ abstimmen. „Die jungen Leute bestellen doch alles im Internet“, ärgert sich Ursula Hartmann. Eingebrochen sei vor allem der Absatz von guten Marken-Uhren und dies auch, weil Weltmarkenproduzenten inzwischen ihre Zeitmesser nur noch über eigene Stores vertreiben.
Was geblieben ist, ist der Verkauf von Antrags- oder Trauringen und vor allem das Serviceangebot, also Reparaturen aller Art. „Doch davon allein können wir nicht leben“, so Ursula Hartmann.
Nach ihren Emotionen befragt, kommt die Antwort sehr schnell: „Ich finde es furchtbar. Aber was sollen wir machen?“
Seit ein paar Tagen nun läuft der Totalausverkauf. Ursprünglich war dies erst vor Weihnachten geplant. Doch man wollte die Messetage und den damit verbundenen Besucherstrom nicht ungenutzt verstreichen lassen.
Das Geschäft ist noch bis Ende Februar 2024 geöffnet. Was dann wird, das steht in den Sternen. Noch habe sich Tochter Marie-Claire Armitage nicht entschieden, ob und wie sie weitermachen wird. Sie ist genau wie ihre Eltern gelernte Goldschmiedin.
„Wir zwei ziehen im Februar den Schlussstrich und dann muss die Tochter sehen, was sie macht,“ sind sich die Geschäftsleute einig. Ist der Schlüssel rumgedreht, wird das Geschäft erst einmal für ein paar Monate geschlossen sein. „Und dann geht es vielleicht weiter“, meint der Geschäftsinhaber. Doch wie und ob überhaupt – Günter Hartmann zuckt mit den Schultern.
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