Einzelhandel

Großer Verlust für die Einkaufsstadt Rothenburg

Familienunternehmen Reingruber schließt nach 100 Jahren Drogeriemarkt in der Altstadt. Viel Konkurrenz und Standortnachteile

Von 
Dieter Balb
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Rothenburg. Die endgültige Aufgabe ihres Drogeriemarktes in der Altstadt ist für die Besitzerfamilie Reingruber nicht so überraschend wie für die Kunden. Sie sei sogar überfällig, heißt es: „Es rechnet sich einfach nicht mehr!“ Ein Geschäftsfeld nach dem andern bricht seit Jahren ein. Verbrauchermärkte vor den Toren, das Internet, Corona und schlechte Erreichbarkeit sind Stichworte. Eine hundertjährige Geschäftstradition endet zum Jahreswechsel und das sorgt für einen nachhaltigen Verlust in der Altstadt.

Auch der gute Ruf sowie die Stammkundschaft aus weitem Umkreis können das Familienunternehmen nicht retten. Nicht einmal die Tatsache, dass sogar Nachfolger da wären, wende das Blatt, betont Hannes Reingruber im Gespräch mit den FN. Sein Sohn Axel und die Frau des zweiten Sohnes Michel sind schon lange mit im Geschäft tätig, aber auch sie können gegen den Trend nichts ausrichten und sehen keine Zukunft.

Pandemie und Internet

Die Geschichte der Firma Reingruber

Die Geschichte der Firma Reingruber reicht bis ins Jahr 1921 zurück, als Andreas Reingruber das Haus Georgengasse 5 gekauft hat, damals eine Seifensiederei und Kerzenzieherei.

1931 übernahm Sohn Wilhelm das Geschäft und erweiterte es zur Drogerie mit Großhandel für Mineralwasser und Limonaden. Als er in den Krieg muss, führt es seine Frau Lina weiter.

Nach dem Bomben-Angriff an Ostern 1945 bleiben nur noch die Grundmauern übrig. Aber schon 1950 kann das wieder aufgebaute Anwesen nach einem räumlichen Intermezzo neu bezogen werden.

1958 kommt ein Reformhaus dazu, dann die Parfümerie mit Kosmetiksalon.

Nach dem Tod des Vaters übernehmen 1971 die Geschwister Hannes und Traudl die Geschäftsleitung, vergrößern, modernisieren und ergänzen um eine Fotoabteilung. diba

Hannes Reingruber, 76, sieht eine Reihe von Gründen für die Geschäftsaufgabe. Da seien die auswärtigen Kunden, die nicht mehr in die Stadt hineinfahren könnten. Sie kauften dann gleich außerhalb in den Supermärkten und mieden die Altstadt. Das Parken sei ein Problem, auch im Gegensatz zu Nachbarstädten zu teuer. Und es fehlten nach der Pandemie die Übersee-Touristen, die viel gekauft haben: „Jetzt sind es vorwiegend deutsche Gäste und die brauchen nichts”. Die Corona-Jahre scheinen generell wie ein Brandbeschleuniger gewirkt zu haben.

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Interneteinkauf bleibt nicht folgenlos für den örtlichen Handel. In besten Zeiten gehörten 24 Leute zur Belegschaft, jetzt sind es noch acht. Das Unternehmen war durch ein breitgefächertes Angebot gut aufgestellt. Aber was nützt das, wenn nach und nach die Geschäftsfelder einbrechen. So bei der leistungsfähigen Fotoabteilung, die unter dem Siegeszug der Handy-Fotografie leidet. Als Partner von Photo Porst war man erfolgreich gestartet, konnte alle gängigen Marken in verschiedenen Preissegmenten verkaufen. Die Masse fotografiert inzwischen mit dem Alleskönner Handy. Allerdings blieb der Service rund ums Bild mit Passbildern, Fotodrucken, Bilderrahmen und Passpartout-Zuschnitt bei Reingruber gefragt.

Erfolgsgeschichten

Parfümerie, Reformhaus und die Baby-Abteilung mit Spielwaren waren zunächst Erfolgsgeschichten, berichtet Hannes Reingruber. Die von seiner Frau Ruth aufgebaute Kinderabteilung lief bis zuletzt noch ganz gut. Doch die Zeiten mit Alleinstellungsmerkmalen sind vorbei. „Da geht man in’s Möbelhaus und bekommt dort gleich den Kinderwagen und andere Artikel dazu, was dann noch schnell nebenbei gekauft wird – für uns bleiben da nur noch Reste”, konstatiert der Kaufmann.

Viele Kunden aus Württemberg

Eigentlich ist das Geschäft ein Musterbeispiel für große Anziehungskraft. Traudl Reingruber: „Wir hatten viele Kunden aus Württemberg, die jetzt ausbleiben.“ Das liege an der verhinderten Anfahrt bei den ewigen Baustellen in den Gassen. Auch als Zulieferer für Gewerbe, vor allem für die Gastronomie, seien die Einnahmen weniger geworden. Die insgesamt rückläufige Entwicklung habe vor sechs Jahren eingesetzt und sich kontinuierlich gesteigert.

Dem versuchte man noch gegenzusteuern: „Wir haben viel privates Geld in den Betrieb gesteckt, weil wir dachten, es muss doch weitergehen, aber jetzt sind einfach die Reserven aufgebraucht“, resümieren Traudl und Hannes Reingruber.

„Wozu soll ich noch in die Stadt kommen, wenn es euch nicht mehr gibt“ bekommen sie neuerdings häufig gesagt. Dies unterstreicht, dass hier einer der letzten familiengeführten Einzelhandels-Magneten aus der Innenstadt verschwindet.

In jedem der Supermärkte vor der Stadtmauer findet der Verbraucher längst Artikel, wie sie auch Reingruber anbietet. Und es geht weiter: Zum dm-Drogerie-Markt gesellt sich demnächst noch ein Rossmann-Markt aus der Branche. Rund um den ehemaligen Schlachthof, in Bahnhofsnähe und im Norden an der Würzburger Straße existieren bequem anfahrbare Einkaufs-Zentren mit genügend Parkplätzen.

Was soll nun aus den Immobilien mit den Läden werden, am besten vermieten? Traudl Reingruber, die mit 83 Jahren unverändert agile Geschäftsfrau, meint dazu: „Die Häuser lassen sich mit unseren Alters-Renten nicht erhalten, schon gar nicht bei dem, was die Politik von den Eigentümern an Heizung und Dämmung verlangt. Man müsste zu viel reinstecken, modernisieren und umbauen.” Ein Verkauf ist deshalb für die Familie durchaus denkbar.

Hannes Reingruber war 25 Jahre lang Vorsitzender des örtlichen Industrie- und Handelsgremiums, er hat die Stadtentwicklung erlebt und kennt die Sorgen des Einzelhandels, der nicht die nötige Unterstützung erfahre. Das Angebot sei heute im Wesentlichen auf Damenmode und Schuhe begrenzt, aber beispielsweise fehle ein Elektromarkt. Und: „Es kommen noch mehr nach, die ihr Geschäft aufgeben müssen”, ist er überzeugt. Auch das Handwerk wird ausgedünnt, die Altstadt bleibt vorrangig als Touristenstadt übrig.

Mit viel kommunalpolitischer Erfahrung wartet Traudl Reingruber auf: 42 Jahre für die CSU im Stadtrat, davon 24 Jahre als Bürgermeisterin. Hinzu kommt ihr vielseitiges Engagement in praktischer Sozialarbeit. Beim Festspiel traf sich ihre Laienschauspiel-Karierre (als Magdalena) mit der ihres Bruders.

29 Jahre lang verkörperte Hannes Reingruber den Altbürgermeister Nusch auf der Kaisersaalbühne. Alles stets ehrenamtlich aus Überzeugung für die Sache.

Von Tag zu Tag sichtbar werden die Laden-Regale im laufenden Ausverkauf immer schneller leer. Zum Jahresende schließen sich dann endgültig die Pforten zur Ladenpassage der Drogerie Reingruber in der Georgengasse.

Autor Redakteur, Wort- und Bildjournalist, Video

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