Vortrag

Unbezahlbare Leistung für Wertheim erbracht

Historikerin Hertha Schwarz referierte über Gräfin Anna Maria von Löwenstein-Wertheim-Rochefort

Von 
Kai Grottenthaler
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Über Gräfin Anna Maria von Löwenstein-Wertheim-Rochefort referierte Hertha Schwarz beim Archivverbund Main-Tauber. Das Bild zeigt sie im Gespräch mit Alois Konstantin Fürst zu Löwenstein.

Bronnbach. Über Gräfin Anna Maria von Löwenstein-Wertheim-Rochefort (1634 bis 1705) referierte Hertha Schwarz im Archivverbund Main-Tauber. Für ihre Geschichte interessierten sich viele Zuhörer, darunter auch Fürst Alois Konstantin zu Löwenstein und Erbprinzessin Stephanie.

Schwarz schilderte ein eindrucksvolles Porträt der Gräfin. Bei ihren Recherchen, die sie unter anderem ins Hof- und Staatsarchiv Wien geführt hatten, sichtete die Historikerin zahlreiche, bisher unausgewertete Quellen. Bei ihrem Vortrag räumte die Referentin mit Meinungen und Mythen auf, wie sie aufgrund mangelnder Forschung zu vielen Persönlichkeiten des 17. Jahrhunderts existieren würden.

In Wertheims Geschichte ging Gräfin Anna Maria vor allem dadurch ein, dass sie die Stadt im Französisch-Holländischen Krieg im Jahr 1673 vor der Zerstörung durch die französische Armee bewahrt hat: „Als ‚Retterin Wertheims‘ ist die Gräfin bis heute im Gedächtnis geblieben. Diese Leistung war unbezahlbar“, würdigte Schwarz. Die Erinnerung an Anna Maria sei in Wertheim nicht zuletzt in einem zeitgenössischen Bild im Grafschaftsmuseum verankert. Aufgewachsen in schweren Zeiten, aber mit enger Bindung zu ihren Geschwistern aus dem Hause Fürstenberg habe die junge „Mimi“, wie ihr Kosename lautete, schon früh wichtige Kontakte zum norddeutschen und westfälischen Adel geknüpft.

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Entgegen dem früheren Forschungsstand sei es wahrscheinlich, dass Anna Maria ihren Mann, den 17 Jahre älteren Grafen Ferdinand Karl von Löwenstein-Wertheim-Rochefort, schon lange vor der Hochzeit kennengelernt hat, so Schwarz. Aus der 1651 geschlossenen, glücklichen Ehe gingen 14 Kinder hervor, die allesamt das Erwachsenenalter erreichten – eine Seltenheit in der damaligen Zeit.

Durch den Tod ihres Ehemanns 1672 fiel die ganze Verantwortung der Gräfin zu. Neben den Sorgen um Haushalt und Kinder hatte Anna Maria als Vormund für ihren noch nicht volljährigen Sohn Maximilian Karl auf einen Schlag auch sämtliche Besitzungen zu verwalten und Repräsentationspflichten zu erfüllen. Doch damit nicht genug der Herausforderungen: Im gleichen Jahr griff der französische König Ludwig XIV. die Niederlande an. Der sogenannte Französisch-Holländische Krieg, aus dem Frankreich 1678 als europäische Hegemonialmacht hervorging, wurde auch auf deutschem Gebiet ausgetragen.

Als sich der französische Marschall Turenne in Erwartung der feindlichen, kaiserlichen Armee am linken Mainufer festsetzte, gelang es Anna Maria, die Franzosen vom Wertheimer Territorium fernzuhalten. Damit habe die „Retterin von Wertheim“ jedoch die katholische Linie des Hauses Löwenstein „unkalkulierbaren Risiken“ ausgesetzt und die Zukunft ihrer Kinder gefährdet. Dies sei jedoch nicht auf die Kooperation mit den Franzosen oder der Verpflichtung zu Kontributionen zurückzuführen. Auch den hinreichend großen politischen Einfluss von Anna Marias Brüdern bezweifelte die Referentin.

Als „intelligente und schöne Frau von Welt“ habe die Gräfin auch ihren Charme gezielt einzusetzen gewusst. Am wichtigsten sei gewesen, dass sie dem französischen König jederzeit ihre Loyalität zugesichert habe. So habe sie etwa die Bewegungen der kaiserlichen Armee an die Franzosen gemeldet. „Das hätte ihr bei Bekanntwerden als Hochverrat ausgelegt werden können“, urteilte Schwarz. Mit diesem „Lavieren zwischen den Fronten“ sei die Gräfin ein „unkalkulierbares Risiko“ eingegangen und habe die katholische Linie des Hauses Löwenstein und ihrer Kinder gefährdet. Doch das Taktieren habe sich letztlich ausgezahlt.

Trotz umfangreicher Recherchen sei es unmöglich, die tatsächlichen Motive für ihr Handeln zu ergründen, erklärte die Referentin. Festzuhalten sei aber, dass sie „entschieden nicht im Sinne des verstorbenen Grafen“ gehandelt habe, der sich zeit seines Lebens stets als treuer Vasall des Reichs und des Kaisers verstanden habe. Unklar bliebe mangels Quellen auch die Position des damals noch unmündigen, aber schon 17 Jahre alten Erbprinzen. „Aufgrund seiner unzweifelhaften Kaisertreue bezweifele ich jedoch, dass er die Politik seiner Mutter gutgeheißen hat“, mutmaßte Schwarz.

Nach der Abwendung der konkreten Kriegsgefahr habe Anna Maria befürchtet, dass ihre Kinder für ihre „Franzosenfreundlichkeit“ und der ihrer Brüder würde büßen müssen. Und tatsächlich: Zwei Jahre nach Kriegsende sprang Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden von der schon zugesagten Ehe mit Annas Tochter Amalia Theresia ab. „Das war ein unglaublicher Skandal“, resümierte die Referentin das Verhalten des Fürsten, der sich unter großem Druck gegen seine große Liebe entschieden habe. Denn unterschwellig sei die Kaisertreue der Familie seiner Verlobten infrage gestellt worden. Für die beiden Liebenden sei es aber eine Katastrophe gewesen. Die engen Familienbande nach Baden-Baden waren damit für immer zerstört. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte Anna Maria von Löwenstein in Prag. Dort starb sie am 1705 nach einem „langen, gesunden und sehr ereignisreichen“ Leben.

Trotz aller Schicksalsschläge – auch sechs ihrer Kinder starben vor ihr – sei Anna Maria nicht nur eine schöne und intelligente, sondern auch eine durchsetzungsstarke Frau gewesen: „Sie scheint das besessen zu haben, was wir heute Resilienz nennen.“ Sie habe nicht nur allen Kindern eine standesgemäße Versorgung gesichert, sondern auch die Herrschaft durch eine schwierige Zeit manövriert, bis der Erbprinz die Regierung selber übernehmen konnte. Besonders beeindruckend seien aber ihre Charaktereigenschaften gewesen: „Sie war das, was heute viele Frauen vorgeben zu sein, es in Wirklichkeit aber nicht sind: Sie war selbstbestimmt und handelte völlig eigenständig.“ Als verwegene Frau mit charmantem Mut zur Offensive sei Gräfin Anna Maria von Löwenstein-Wertheim-Rochefort auch aus heutiger Sicht eine beeindruckende Frau gewesen.

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