Urphar. Der Kennwer-Graben hat seinen Namen nach dem Gebiet oberhalb von Urphar in Richtung Höhefeld erhalten, durch das er fließt. „Kennwer war früher mal ein Sickergebiet. Das kalkreiche Wasser trat oben am Hang aus und lief den Berg runter“, erklärt Stephanie Kümpers. Sie weist am Bach stehend Richtung Waldrand hinauf. Überall im Kennwer habe es Quellen gegeben. Während der Flurbereinigung zog man Drainage-Rohre in die feuchten Wiesen ein, um sie zu entwässern. Kümpers ist Biologielehrerin an der Walldorf-Schule in Würzburg und von Haus aus Biologin. Letzteres merkt man jedem ihrer Sätze an: sachlich klar und verständlich formuliert.
Kalktuff-Terrassen
Natura 2000 sind zusammenhängende Schutzgebiete der Europäischen Union. Das Projekt wurde 1992 ins Leben gerufen und soll länderübergreifenden Schutz gefährdeter Pflanzen- und Tierarten und ihrer Lebensräume gewähren. In Baden-Württemberg gibt es 302 solcher Gebiete. Der Kennwer-Graben mit seinen Kalktuff-Terrassen ist Teil des Natura 2000 Netzwerks.
Diese Terrassen entstehen, weil Kalktuffmoose dem Wasser Kohlendioxid entziehen. Dadurch verändert sich der Säure-Basenwert. Der Kalk wird ausgefällt, die Moose verkrusten durch einen Kalkmantel. Es entstehen Tuffschichten, die wie Terrassen aussehen. Durch diese Terrassenbildung verändert sich der Bachlauf ständig. Berühmte Beispiele sind die Kalksinter-Terrassen bei Pamukkale in der Türkei oder die Plitvicer Seen in Kroatien. hei
Früher Trinkwasser-Quelle
Die Quelle des Kennwer-Bachs ist inzwischen in einem Quellhäuschen oberhalb des Grabens gefasst. Auf dem Weg dorthin – immer entlang des Kennwer-Grabens – erzählen Stephanie Kümpers und ihr Mann Wolfram Spott, dass die Urpharer viele Jahrzehnte aus dieser Quelle ihr Trinkwasser bezogen, bevor sie an die Aalbachtal-Wasserversorgung angeschlossen wurden.
Heute wird ein Teil des Wassers verrohrt abgeleitet und zur Bewässerung des Urphar/Lindelbacher Sportplatzes genutzt. Der andere Teil des Wassers läuft als Kennwer-Bach teilweise überirdisch.
Um dieses etwa 500 Meter lange freiliegende Teilstück kümmert sich das Ehepaar seit Jahren. Sie haben die „Bach-Patenschaft“ übernommen.
„Beim Kennwer-Graben handelt sich um ein Natura 2000-Gebiet“, erklärt Stephanie Kümpers und fügt für Laien an, was dieses schützenswerte Gebiet ausmacht, was Kalktuffmoose bewirken und erklärt, wie die typischen Terrassen entstehen. Aufmerksame Spaziergänger können zahlreiche dieser besonderen Gebilde im Bachlauf entdecken, die immer wieder für eine neue Streckenführung sorgen.
Das Paar ist vor 13 Jahren nach Urphar gezogen, es entdeckte den Kennwer-Graben und war von dem nur auf den ersten Blick unscheinbaren Bach sofort fasziniert. Immer wieder führten sie ihre Spaziergänge hier entlang. Dabei mussten Kümpers und Spott feststellen, dass die Pflege des Bachs eingestellt wurde und der Müll zusehends zunahm.
Vor fünf Jahren schnappten sie sich kurzerhand Eimer und Gerät, entfernten den Müll. Bei einer der ersten Aktionen haben die beiden zwei volle Eimer mit vergammeltem Fleisch aus dem Bach geholt. „Das war richtig unangenehm“, erinnert sich Wolfram Spott.
Die Urpharer nahmen Kontakt zu Jens Rögener und Alexandra Thiel vom Umweltschutzamt der Stadt auf. Gemeinsam wurde geklärt, welche Maßnahmen in diesem geschützten Areal ergriffen werden können, weil man in Natura 2000-Gebiet wirklich nur minimal eingreifen darf. „Wenn das Wasser des Bachs allerdings den Weg flutet, kollidiert das mit den öffentlichen Interessen“, erklärt Spott. Ursache dafür sind die Kalktuff-Terrassen, die immer wieder dafür sorgen, dass der Bachlauf seine Fließrichtung leicht ändert. „Das bedeutet, wir müssen an dieser Stelle korrigierend eingreifen.“, sagt Kümpers. Und schon hat sie einen großen Erdbrocken in der Hand, den sie an den Rand des Bachlaufs Richtung Asphalt legt und mit dem Fuß leicht andrückt. „Wir müssen morgen unbedingt raus“, ist sich das Ehepaar einig. Denn schon haben sie die nächste Stelle ausgemacht, an welcher der kleine, im Moment munter plätschernde Bach am Fußweg „leckt“.
Seit fünf Jahren aktiv
Seit etwa fünf Jahren kümmern sich die beiden um den Kennwer-Graben. Vor zwei Jahren haben sie dann ganz offiziell die Bach-Patenschaft übernommen. Einer der Gründe dafür ist ihr großes Interesse an ihrer Umwelt. „Auf einer Ortschaftsratssitzung hieß es mal wieder, dass der Bach überläuft. Das war dann der Auslöser für uns“, erinnern sie sich.
Während die beiden sich dem Quellhäuschen nähern, werfen sie immer wieder kritische Blicke auf den kleinen Bachlauf. Und sie berichten von der etwas umfangreicheren Maßnahme der Stadt, die das Überlaufen verhindern soll. Parallel zum Bachlauf Richtung Feld wurde eine Rinne gezogen, in die der Bach ausweichen kann, wenn er (wie zur Zeit) viel Wasser führt – anstatt den Weg zu fluten. Dennoch müssen die ehemalige Kreuzwertheimerin und der in Dresden geborene Ingenieur darauf achten, dass der Bach nicht auf den Weg übergreift. Das Entfernen von Müll und Laub, das den Lauf verstopfen kann, gehört auch zu ihren Aufgaben. Etwa aller zwei Wochen arbeiten die beiden ein paar Stunden an diesem Graben. Rund 500 Meter lang werden dann Natura-2000-gerecht gereinigt.
Sind die beiden vor Ort, kann es auch schon mal passieren, dass Spaziergänger stehenbleiben, interessiert zuschauen und Fragen stellen. „Wir haben bisher nur nette Gespräche habt“, so Kümpers. „Die Urpharer lieben diesen Bach und gehen hier viel spazieren. Ärger gibt es halt, wenn das Wasser auf die Straße läuft.“ Um dies ein für alle Mal zu verhindern, müsste jedoch zu stark in das Ökosystem eingegriffen werden.
„Dass der Bach so viel Wasser führt wie im Moment, ist eher selten“, sagt Spott. Im Gegenteil. Die von Trockenheit gekennzeichneten Sommer sorgten dafür, dass das Oberflächenwasser für Monate verschwand. „Vergrasung“ war die Folge. Das hieß aber nicht, dass der Bach komplett weg war, denn er fließt auch unterirdisch.
Im Sommer können die beiden die Zeit am Bach genießen. Spuren von Rehen, die zum Trinken kommen, tanzende Libellen, und im Bachlauf badende Vögel sorgen für Abwechslung und sind Belohnung für die Mühe.
Einen Wunsch haben die beiden Bach-Paten allerdings doch: eine Infotafel, die auf die Besonderheit des Kennwer-Grabens hinweist.
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