Kultur für Kinder

Schauspieler meisterte über zehn Rollen

Badische Landesbühne führte auf der Wertheimer Burg das Stück „Die Wanze“ auf

Von 
Jens-Eberhard Jahn
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Frederik Kienle schlüpfte bei der Aufführung am Freitag in etliche Rollen. © Jens-Eberhard Jahn

Wertheim. Die Badische Landesbühne gastierte am Freitagvormittag auf der Burg Wertheim mit dem Stück „Die Wanze“ – ein Stück für Kinder ab zehn Jahren. Veranstalterin war die Stadt. Celia Fernandez-Selles, Abteilungsleiterin im Kulturreferat, erzählte den Fränkischen Nachrichten begeistert, dass durch die im vergangenen Jahr eingeführten Vormittagsvorstellungen viel mehr Kinder und Jugendliche erreicht werden können als vorher: „Zu den Nachmittagsvorstellungen vor der Corona-Pause kamen nur noch wenige Dutzend Kinder zu den Aufführungen, in diesem Jahr werden es etwa 1000 sein.“ Allein in der vergangenen Woche besuchten knapp 300 Schülerinnen und Schüler der fünften und sechsten Klassen des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums und der Comenius-Realschule die zwei Vorstellungen.

Die meisten Wanzenarten hierzulande lieben Wärme und Trockenheit. Am Freitag im Burghof aber regnete es zuweilen in Strömen. Der Wanze Muldoon unter der überdachten Bühne machte das Wetter wenig aus, denn eigentlich war sie ja gar keine Wanze, sondern ein Käfer. Der 43-jährige Schauspieler Frederik Kienle schlüpfte in über zehn Rollen, je nachdem, ob gerade eine Wespe, eine Ameise oder eben Muldoon selbst als Privatdetektiv auftrat.

Hohe Aufmerksamkeit gefragt

Die Reaktionen der Kinder zeigten, dass ihm das gut gelang. Ein berlinernder Wirt, surrende, fliegende und watschelnde Insekten, gemischte, geltungssüchtige und gemeingefährliche Figuren – Kienle beherrscht sein Handwerk. „Toll! So viele Rollen, gespielt von nur einem einzigen Schauspieler“, schwärmt Loni aus einer der sechsten Gymnasialklassen gegenüber den FN. Die Kinder saßen in Regenjacken und unter Schirmen in den Reihen und folgten aufmerksam dem spannenden Ein-Mann-Stück.

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Dessen Handlungsstränge erfordern durchaus ein hohes Maß an Aufmerksamkeit: Die Ameisenkönigin beauftragt Muldoon, im Ameisenstaat Rebellen aufzuspüren. Denn der zwielichtige Kommandant Krag schmiedet zusammen mit den Wespen und der Spinne ein Komplott.

„Was glauben Sie, wie viele Ameisen sich in diesem Bau aufhalten?“, fragt die Ameisenkönigin den Detektiv. „So acht- bis zehntausend Ameisen“, rät Muldoon. „Falsch, wir sind EINS!“, antwortet die Königin.

Und genau um diese Spannung zwischen Gemeinschaft und Individualität geht es in dem Polit-Krimi, der entlang universeller Fragen nach Gerechtigkeit, Freundschaft, Feindschaft und Verantwortung seinen Lauf nimmt. Der Aufstand scheitert und nach einer wilden Verfolgungsjagd durch einen Rasenmäher entkommt die Käferwanze den Wespen und wird von einem Freund vor der Spinne gerettet. Muldoon kommt mit einem blauen Auge davon. Handlungsort ist ein Garten, dessen menschlicher Besitzer vom Detektiv skeptisch beäugt wird.

Zurecht, aber dass Menschen auch für Insektensterben durch Pestizideinsätze verantwortlich sind, spielt in dem Insektentheater keine Rolle. Dieser Gegenwartsbezug fehlt und dadurch wirkt das Stück unnötig wirklichkeitsfern und bieder. Die Welt ist nicht nur schön und „das Leben hart genug“, weiß Muldoon. Und selbst Fünf- und Sechstklässler dürften das mitunter so empfinden.

Umso bedauerlicher, dass einige der Lehrerinnen und Lehrer gegenüber den FN einräumten, dass sie das Stück inhaltlich im Unterricht nicht vorbereitet hatten. Die Theaterpädagoginnen der Badischen Landesbühne stellen dafür jedoch eigens 30 Seiten theaterpädagogisches Material zur Verfügung und Anknüpfungspunkte ergäben sich zumindest im Deutsch-, Ethik- und Bio-Unterricht.

Technik versagte

Gina Jasmina Wannenwetsch, Regisseurin und Leiterin des „Jungen Theaters“ der Badischen Landesbühne, hat das Bühnenbild sparsam gestaltet, denn schließlich sollen auch Aufführungen im Klassenzimmer auf Bestellung durchführbar sein. Ihr Schwerpunkt liegt klar auf der akustischen Untermalung des Stückes mit Filmmusik aus Agenten-Evergreens und Krimi-Klassikern. Doch am Freitagmorgen versagte die Technik und der Ton fiel aus. Umso mehr war Kienle gefordert, Stimmungen selbst zu erzeugen und Übergänge zu gestalten. Dies gelang ihm zur Freude der Kinder bravourös.

Die Landesbühne führt das Stück „Die Wanze“ mit Frederik Kienle seit 2022 auf. Die Vorlage lieferte das gleichnamige Kinderbuch des englischen Autors Paul Shipton aus den 1990er Jahren, übersetzt vom Kinderbuchautor Andreas Steinhöfel. In der Theaterversion des Schauspielers Gerd Ritter und der Regisseurinnen Karin Eppler und Daniela Merz gehört es zum Repertoire vieler Bühnen.

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