Kultur

Roxy-Kino in Wertheim macht dicht

Die Geschichte der Lichtspieltheater in Wertheim ist zu Ende. Das Roxy kehrt nach der Sommerpause nicht mehr zurück. Dafür gibt es verschiedene Gründe, wie die Betreiber Gabi und Wolfgang Gebauer berichten.

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Gerd Weimer
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Nach Jahrzehnten hören sie auf: Gabi und Wolfgang Gebauer, die Betreiber des Wertheimer Roxy-Kinos. © Heike Barowski

Wertheim. „Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist“, heißt es in der Antwort auf die FN-Anfrage. „Wenn man beim Feiern den Zeitpunkt verpasst, kann man das am nächsten Tag mit einem dicken Kater bereuen. Uns sollte es nicht so gehen.“ Gabi und Wolfgang Gebauer machen Schluss – nach 46 Jahren als Betreiber des Roxy Kinos in der Wertheimer Bismarckstraße. Für die kulturelle Szene in der Main-Tauber-Stadt ist dies ein schwerer Schlag. Kinofreunde müssen künftig nach Miltenberg, Marktheidenfeld oder Würzburg ausweichen. Hier befinden sich die nächstgelegenen Filmtheater.

Das Kino in der Bismarckstraße bleibt geschlossen. © Gerd Weimer

Schon vor mehreren Tagen verkündeten die Gebauers ihren Entschluss auf Facebook. Die Reaktionen schwankten zwischen Trauer und Dankbarkeit: „Sehr schade. Es war doch ein Stück Kultur und Kult in Wertheim.“ „Roxy war irgendwie anders, besonders, heimelig, irgendwie kultig.“ „Danke für die schönen Stunden mit Euch und die tollen Filme im Roxy. Alles Liebe für Eure Zukunft.“

Eine Zukunft für das Kino – vor allem mit einer wirtschaftlich gesunden Perspektive – sahen Gebauers offenbar nicht, nach all den Nackenschlägen im Zuge der Corona-Pandemie. Aber vor allem sind die beiden in einem Alter, in dem man sich durchaus Gedanken über den Ruhestand machen kann.

Die Betreiber gönnten sich in diesem Sommer erstmals Betriebsferien. Im August blieb das Kino geschlossen. „Wenn eine Stadt Open-Air-Kino veranstaltet, ist das für den örtlichen Kinobetreiber ein verlorener Monat, da kann er zu lassen“, spielt Wolfgang Gebauer gegenüber den FN auf das Burgfilmfest an.

Post von der Rentenversicherung

Neben viel Zeit zum Nachdenken hat er im August auch noch Geburtstag gehabt, ist 66 Jahre geworden, so Gebauer. „Neben Glückwünschen bekam ich Post von der Rentenversicherung“, erzählt er. „Da kamen wir zu dem Entschluss, das Wertheimer Kino komplett zu schließen“, beschreibt er den emotionalen Anlass für den gravierenden Schritt.

Die Ursachen für das Aus des Kinos sind freilich vielfältiger: „Die Kinobranche kämpft seit zweieinhalb Jahren mit Corona und den Folgen“, so die Gebauers. Fachleute prophezeiten, dass es mindestens drei Jahre dauern werde, bis das Niveau von 2019 wieder erreicht ist. Zu der Vorhersage der Analysten sei außerdem die Inflation gekommen – „irrwitzige Energiekosten und ab 1. Oktober der Mindestlohn“. Möglicherweise gebe es bald „die nächste Corona-Variante nebst entsprechender Welle“.

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Die Filmförderungsanstalt habe jüngst Halbjahreszahlen veröffentlicht, „die einem Sorgen machen“. Für die zehn der besucherstärksten Filme seien zwischen Januar und Juli 56 Prozent der Tickets gelöst worden, darunter beispielsweise „Top Gun“, „Minions“ , „Thor“, „Jurassic World“, „Wunderschön“, „Die Schule der magischen Tiere“. Hunderte von weiteren Filmen teilten sich den Rest.

„Die werden gestartet, ohne dass das Publikum davon Kenntnis nimmt“, beschreiben die Gebauers die Situation. Ein paar Blockbuster hielten die Kinos am Laufen. Vor allem das ältere Publikum werde immer noch vermisst. „Alles in allem also keine rosigen Zeiten, denen nicht nur die Kinos entgegensehen“, so der Ausblick in die Zukunft.

„Wäre man 20 Jahre jünger, sähe alles ganz anders aus“, bringen die beiden noch einmal das Alter ins Spiel. „46 Jahre Kino sind eine lange Zeit.“ Es gebe in Wertheim wenige Geschäfte, die so lange vom gleichen Inhaber betrieben wurden.

„Es wurde still“

„Wir haben viele kommen und gehen sehen, so wie sich auch das Quartier um die Bismarckstraße verändert hat“, blicken die Gebauers zurück. In den 1980-er Jahren sei das Quartier um die Bismarckstraße dermaßen zugeparkt gewesen, „dass wir vor den Vorstellungen ein Dia mit dem Hinweis der Parkverbote einblendeten, um der Polizei ihr lukratives Zubrot zu schmälern“, verfallen die beiden ein wenig in Nostalgie, um den Wandel im Viertel nachzuzeichnen: „Dann verschwanden nach und nach das Zollamt, die Fernmelder, die Polizei, das Rote Kreuz, die Bücherei und die Post – es wurde still, und jetzt ist es ganz still.“

„Wir haben uns den Schritt nicht leicht gemacht und lange hinausgezögert“, berichtet das Paar.

Nach Bekanntgabe der Entscheidung sei man von der Resonanz „überwältigt“ gewesen. „Viele bedauerten es, die meisten hatten jedoch Verständnis und gönnen uns das Kürzertreten“, so ihre Einschätzung.

Doppelnächte und Pannen

Viele erinnerten sich an erste Filme im Roxy, an Doppelnächte, Pannen – die es auch mal gab – , Film-Highlights, Besuche mit den eigenen Kindern, und dass sich vieles änderte –nur die Frau an der Kasse nicht“. Wer in Nostalgie schwelgen wolle, könne das künftig in Miltenberg im Schloss-Theater tun.

Dort sei Gabi Gebauer jede Woche zwei bis drei Tage an der Kasse anzutreffen und man könne die gültigen Roxy-Kinogutscheine, die im Umlauf sind, einlösen. „So bleiben wir der Branche und den Wertheimern, die einen Ausflug an die ‚Perle des Mains’ machen, noch ein wenig erhalten.“

Redaktion Reporter Wertheim

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