Wertheim. Das rechtsextreme Magazin „Compact“ plant für Samstag, 18. Mai, eine Veranstaltung auf dem Wertheimer Marktplatz. Auf den Internet-Seiten des Magazins, das seit 2021 vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wird, heißt es: „Auf Anregung der Bundestagsabgeordneten Dr. Christina Baum gastiert unsere Kundgebung im Norden Baden-Württembergs, es soll eine Podiumsdiskussion mit verschiedenen Parteien geben, dazu André Poggenburg und Jürgen Elsässer.“ Weitere Attraktionen seien Tiktok-Star „König Thomas“ und „King Elvis“ mit seinen Evergreens.
Das rechtsextreme Magazin veranstaltet derzeit unter dem Motto „Die Blaue Welle rollt“ nach eigenen Angaben „Volksfeste“. Bisherige Stationen mit mehreren hundert Teilnehmern waren ausschließlich Städte in ostdeutschen Bundesländern. Wertheim wäre am 18. Mai die erste westdeutsche Stadt, in der ein solches „Volksfest“ stattfinden würde.
Jürgen Elsässer, Chefredakteur des Magazins, sagt auf FN-Anfrage, dass die AfD-Bundestagsabgeordnete Christina Baum „vermutlich“ teilnehmen werde. Zu der Podiumsdiskussion habe man Vertreter der AfD, der Partei Die Basis, der CDU und der Freien Bürger eingeladen. Bei der Wertheimer CDU weiß man indes nichts von einer Einladung, wie Axel Wältz mitteilt. Marcus Götz, Vorsitzender der Freien Bürger, erklärt auf Anfrage, man habe von Elsässer eine Einladung erhalten, ihm aber mitgeteilt, „dass die Freien Bürger nicht zur Verfügung stehen“.
„Weder für den Termin noch für den angegebenen Veranstaltungsort, den Marktplatz, hat der Veranstalter eine Genehmigung“, teilt Rathaussprecherin Angela Steffan auf Anfrage mit. Die Angaben auf der „Compact“-Homepage seien deshalb „irreführend“. Die Stadtverwaltung habe den Veranstalter „aufgefordert, die Bewerbung der nicht genehmigten Veranstaltung zu unterlassen“.
Rathaus Wertheim: „Es gibt kein Gelände“
Für die Veranstaltung sei auf der „Compact“-Homepage schon geworben worden, bevor Geschäftsführer Jürgen Elsässer einen Platz für die als „Volksfest“ bezeichnete Veranstaltung angefragt habe, erklärt Angela Steffan.
„Wir haben die Anfrage verneint: Es gibt kein Gelände, das den vom Veranstalter genannten Anforderungen entspricht“, so Angela Steffan. Demnach wünschte sich Elsässer unter anderem eine zentrale, innerstädtische Lage, ausreichende Größe für etwa 500 Teilnehmer und ein sieben Meter langes Bühnenfahrzeug.
Kommunikation über Anwalt
„Der Veranstalter hat diese Absage nicht akzeptiert, sondern insistiert auf Durchführung der Veranstaltung am 18. Mai auf dem Marktplatz“, erläutert die Rathaussprecherin. „Er hat inzwischen einen Anwalt mit der weiteren Kommunikation mit der Stadtverwaltung beauftragt“, so Angela Steffan.
„Eine Genehmigung für den Marktplatz kann die Stadtverwaltung – schon allein wegen seiner begrenzten Größe – keinesfalls erteilen. Um prüfen zu können, ob wir gegebenenfalls einen anderen Veranstaltungsort zuweisen, muss für uns der Charakter der geplanten Veranstaltung klar erkennbar sein“, erklärt die Rathaussprecherin. Dies sei bislang nicht der Fall. Mal sei von Kundgebung die Rede, mal von Volksfest. Es soll Reden und eine Podiumsdiskussion geben, aber auch Musikunterhaltung und Catering. „Um die Veranstaltung rechtlich bewerten zu können, hat die Stadtverwaltung wiederholt die notwendigen Auskünfte eingefordert – sie liegen bisher nicht vor – und den Veranstalter zur erforderlichen Mitwirkung aufgefordert“, so Angela Steffan.
Verfassungsschutz: „Agitation gegen parlamentarische Demokratie“
Der 65-jährige Jürgen Elsässer gilt laut Bundesamt für Verfassungsschutz „als zentraler Vernetzungsakteur zwischen der Neuen Rechten und dem rechtsextremistischen Parteienspektrum“. Im Verfassungsschutzbericht 2023 heißt es über sein Magazin „Compact“, es verbreite „in seinen unterschiedlichen Publikationen weiterhin und regelmäßig antisemitische, minderheitenfeindliche, geschichtsrevisionistische und verschwörungsideologische Inhalte“.
Hauptmerkmal der verbreiteten Beiträge sei „die Agitation gegen die parlamentarische Demokratie im Allgemeinen und gegen die Bundesregierung im Besonderen“. Verschwörungsideologische Erzählungen würden dabei politisch instrumentalisiert, „um staatstragende Institutionen und das Konzept einer offenen, pluralistischen Gesellschaft zu diskreditieren“.
Verschleierte Parteienfinanzierung für AfD?
Die Veranstaltungsreihe „Blaue Welle“ war jüngst in der Diskussion, weil es sich dabei um eine verschleierte Parteienfinanzierung für die AfD handeln könnte. Elsässer warb auf YouTube um Spenden für die Aktion, mit der man „der AfD unter die Arme greifen“ wolle. Die Bundestagsverwaltung teilte laut dem ARD-Magazin „Kontraste“ mit, sie prüfe den Sachverhalt. Aus diesem Grund ging die AfD wohl auch auf Distanz. Man wolle erreichen, „dass eine Zuordnung dieser Veranstaltungen zur AfD nicht möglich ist“, zitierte „Kontraste“ den AfD-Bundesvorstand in einem Bericht Mitte März.
Wertheimer Kommunalpolitik alarmiert
Elsässer teilte später der ARD-Tagesschau-Redaktion mit, er habe eine Unterlassungserklärung unterschrieben und werde keine Wahlwerbung für die AfD machen. Auch der Name der Tour „Blaue Welle“ habe nichts mit der Parteifarbe der AfD zu tun.
In der Wertheimer Kommunalpolitik macht man sich unterdessen Gedanken, wie man mit der Veranstaltung, sollte sie doch stattfinden, umgehen wird.
Axel Wältz teilte mit, dass die im Gemeinderat vertretenen Parteien und Gruppierungen ein Treffen für Samstag vereinbart haben. Marcus Götz kündigte an, dass sich die Freien Bürger an einer Gegenaktion beteiligen werden.
Rathaussprecherin Angela Steffan erklärte: „Das Referat Öffentliche Ordnung und der zuständige Fachbereichsleiter Volker Mohr stehen in dieser Angelegenheit in engem Kontakt mit den Fachbehörden.“
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[2] https://www.verfassungsschutz.de/DE/verfassungsschutz/der-bericht/vsb-rechtsextremismus/2022-vsb-rechtsextremismus_artikel.html
[3] https://www.ardmediathek.de/video/kontraste/afd-prueft-juristische-schritte-gegen-compact-magazin/das-erste/Y3JpZDovL3JiYl8wOTM1NmQ2Ni1jNDJkLTQ3ZGMtOWEwMy1kOGUyYjMyMTVlNDlfcHVibGljYXRpb24
[4] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/afd-compact-freie-sachsen-100.html
Fränkische Nachrichten Plus-Artikel Kommentar AfD-Abgeordnete Christina Baum: Giftige Rhetorik im Bundestag