Empfang

„Ohne Betriebsrat geht’s auch nicht“

Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez tauschte sich mit Arbeitnehmervertretern aus

Von 
Jens-Eberhard Jahn
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Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez beim Empfang mit Mitgliedern der Betriebsräte von Wertheimer Unternehmen. © Jens-Eberhard Jahn

Wertheim. Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez empfing am Donnerstag die Mitglieder der Betriebs- und Personalräte von Wertheimer Firmen und Institutionen in der Arkadensaal. Seit seiner Amtsübernahme, ausgerechnet 1. Mai vor fünf Jahren ist dieser Empfang rund um den traditionellen „Tag der Arbeit“ ein fester Termin im Veranstaltungskalender der Großen Kreisstadt.

Martina Vollrath, die ebenfalls anwesende Vorsitzende des DGB-Kreisverbands Main-Tauber weiß das zu schätzen. „Es versteht sich nicht von selbst, dass ein Oberbürgermeister den Betriebsräten eine solche Wertschätzung entgegenbringt“, bemerkte sie gegenüber den FN.

Selbstbewusst erklärte Herrera Torrez den etwa 80 anwesenden Arbeitnehmervertreterinnen und -vertretern seine Rolle als Rathauschef: „Heute sitze ich zwar im Vorstand des kommunalen Arbeitgeberverbands Baden-Württemberg, doch dieser Spagat muss für mich zu schaffen sein. Und wenn ich mir von Wertheim ein Bild machen möchte, muss ich beiden Seiten zuhören, den Beschäftigten ebenso wie den Unternehmern“.

Zeichen der Anerkennung

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Der alljährliche Empfang sei ein Zeichen der Anerkennung für die Arbeit, die Betriebsräte für die Belegschaften leisten, und biete eine Möglichkeit für Austausch und Vernetzung. Zu Beginn seiner Ansprache ging Herrera Torrez auf die Rotkreuzklinik ein: „Bei allem Ärger geht es nun darum, aus der Fachklinik das Beste herauszuholen und eine Notfallversorgung adäquat abzusichern“. Jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter solle ein Angebot zum Bleiben unterbreitet werden, habe der Insolvenzverwalter versichert.

In seiner Kernbotschaft kam der Oberbürgermeister auf die Bedrohungen für den Rechts- und Sozialstaat zu sprechen. Es möge viele gute Gründe geben, um mit der derzeitigen Situation in Deutschland unzufrieden zu sein, räumte er ein und warnte zugleich, denn nicht zum ersten Mal in der deutschen Geschichte drohe der soziale Protest in die falsche Richtung zu gehen.

„AfD nicht arbeitnehmerfeundlich“

Auch viele Arbeitnehmer könnten ihr Kreuz bei der Europawahl an der falschen Stelle machen, befürchtete Herrera Torrez. Der Historiker und Politikwissenschaftler fand klare Worte: „Die AfD ist nicht arbeitnehmerfreundlich. Sie will die Rentenversicherung privatisieren und das Bürgergeld kürzen. In Baden-Württemberg hat sie versucht das Landestariftreuegesetz abzuschaffen“. Die Rechtsextremen seien gegen den Mindestlohn, gegen Kurzarbeitergeld und gegen Corona-Hilfen gewesen. Herrera Torrez appellierte an die anwesenden Betriebsrätinnen und -räte: „Sie alle hier sind anerkannte Arbeitnehmervertreter in Ihren Betrieben, und ich bitte Sie, auf Ihre Kollegen einzuwirken, nur Parteien des demokratischen Spektrums zu wählen!“

Der Oberbürgermeister erwähnte in seiner Rede auch die Streiks der vergangenen Wochen. Viele Leute hätten vergessen, wie zurückhaltend die Gewerkschaften in den Corona-Zeiten gewesen seien. Es sei aber die Aufgabe von Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen, Reallohneinbußen nicht hinzunehmen.

Von Seiten der Betriebsräte sprach Andreas Weis, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Schuller GmbH, aus Sicht seiner dreißigjährigen Erfahrung als Arbeitnehmervertreter. Das Allerwichtigste sei es, auf Augenhöhe und vertrauensvoll mit der Arbeitgeberseite zusammenarbeiten zu können. Gerade wegen der immer neuen Herausforderungen des Datenschutzes und der künstlichen Intelligenz brauche man eine funktionierende und gut geschulte Arbeitnehmervertretung.

Freizeit immer wichtiger

Weis nahm kein Blatt vor den Mund: „Letztendlich müssen auch die letzten Arbeitgeber, die meinen, einen Betriebsrat nicht zu brauchen, akzeptieren: Ohne geht’s auch nicht“. Weis stellte fest, dass Geld für die Belegschaften nicht alles sei und der Wunsch nach Freizeit einen immer höheren Stellenwert einnehme.

Sein Fazit: „Wir können gute Leute nur halten, wenn wir auf deren Bedürfnisse eingehen“. Das stelle Betriebsräte vor neue Herausforderungen.

Nach den Redebeiträgen tauschten sich die Betriebsmitglieder bei Getränken und Grillwurst aus, dabei auch Uwe Terhorst von der Katholischen Betriebsseelsorge und Silke Ortwein, Geschäftsführerin der DGB-Region Heilbronn-Franken.

Die Gewerkschafterin zeigte sich gegenüber den FN zugleich nachdenklich und kämpferisch: „Arbeitnehmervertretungen sind in Zeiten, in denen wir uns um die Demokratie sorgen müssen, besonders wichtig. Denn im Betrieb ist der Nutzen der Demokratie hautnah erlebbar“. Das habe der OB zurecht hervorgehoben. Ein Betriebsrat könne bei der Eingruppierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Entgeltgruppen mitreden sowie Betriebsvereinbarungen treffen. Daher sei es oft im eigenen Portemonnaie zu merken, ob es im Betrieb eine Arbeitnehmervertretung gäbe oder nicht.

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