Das Krankenhaus dominiert derzeit die kommunalpolitische Agenda. Aber es gibt auch andere, wichtige Themen, die im FN-Jahresgespräch mit dem OB eine Rolle spielen.
Wertheim. Im nächsten Jahr wird sich entscheiden, ob Wertheim auch in Zukunft ein Krankenhaus hat. Im Jahresgespräch mit den Fränkischen Nachrichten sagt Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez, wie es jetzt weitergeht. Doch auch andere Themen stehen an. Der Rathauschef erklärt zudem, wie es um die Finanzen steht.
Am Mittwoch vergangener Woche gab es eine nichtöffentliche Sitzung des Gemeinderats zum Thema Krankenhaus. Wie ist das Meinungsbild unter den Stadträten? Zuletzt sah es so aus, als ob zumindest ein Teil der Fraktionen fest entschlossen ist, die Klinik zurück unters Dach der Stadt zu führen.
Markus Herrera Torrez: Die Sitzung war nichtöffentlich, deswegen kann ich en détail nicht darüber berichten. Es gab im Rathaus an diesem Tag auch viele weitere Gespräche zu dem Thema. Grundsätzlich möchte ich sicherstellen, dass wir mehrere Entscheidungsmöglichkeiten haben.
Daran arbeiten wir. Wir überprüfen jetzt das medizinische Konzept, das von den Insolvenzverwaltern der Rotkreuzklinik vorgelegt worden ist. Und wir sind in Verhandlungen über die Rahmenbedingungen einer möglichen städtischen Trägerschaft. Das braucht Zeit.
Wie viel Zeit?
Herrera Torrez: Die Ergebnisse werden aller Voraussicht nach im Februar vorliegen. Gemeinderat und Verwaltung haben in der Sitzung vereinbart, die Dinge gründlich zu prüfen – mit Hilfe von externem Fachwissen. Wir werden alles detailliert unter die Lupe nehmen und ausverhandeln, soweit es geht. Wenn die Ergebnisse vorliegen, so ist es vereinbart, werden wir sie transparent dem Gemeinderat, aber auch den Bürgern verständlich darlegen.
Sie hatten vorgeschlagen, die Wertheimer selbst über eine mögliche städtische Trägerschaft entscheiden zu lassen. Im Gemeinderat müsste es für einen Bürgerentscheid eine Zweidrittelmehrheit geben. In der jüngsten öffentlichen Sitzung des Gremiums zeichnete sich ab, dass diese wohl nicht zustande kommen wird. Ist der Bürgerentscheid vom Tisch?
Herrera Torrez: Zunächst müssen wir die Entscheidungsgrundlagen kennen. Im Moment steht die Entscheidung zur Durchführung eines Bürgerentscheids nicht im Mittelpunkt. Wenn alle Informationen vorliegen, macht es Sinn, darüber zu sprechen.
Aber wegen des laufenden Insolvenzverfahrens läuft die Zeit davon.
Herrera Torrez: Ich habe mit Insolvenzverwalter Mark Boddenberg vereinbart, dass wir nicht in Hektik verfallen, sondern die notwendige Zeit haben dürfen.
Die Entscheidung ist sehr weitreichend und die Ausgangssituation komplex.
Wie funktioniert das juristisch? Kann das Insolvenzverfahren verlängert werden?
Herrera Torrez: Es gibt in einem Insolvenzverfahren keinen festen Tag, an dem es zu Ende sein muss. Der Insolvenzverwalter entscheidet, wie lange es dauert.
Es sind also beim bisherigen Träger, der Schwesternschaft, genügend Mittel für den Betrieb der Klinik vorhanden, bis eine Entscheidung fällt?
Herrera Torrez: Davon gehe ich aus. Ich habe bei Mark Boddenberg um Verständnis gebeten: Wenn wir eine Entscheidung mit so großen Auswirkungen vor uns haben, kann es nicht sein, dass man von uns verlangt, ganz schnell zu entscheiden, weil zuvor andere Stellen wegen der Komplexität viel Zeit benötigt haben.
Wäre denn der Bürgerentscheid inhaltlich durchführbar? Schließlich muss eine klar formulierte Frage auf dem Tisch liegen.
Herrera Torrez: Natürlich müssen – auch für den Gemeinderat – alle Informationen auf dem Tisch liegen und so verständlich erklärt sein, dass man sie nachvollziehen kann. Auch wenn nicht die Bürger entscheiden, sondern der Gemeinderat, müssen Verwaltung und Gemeinderat erklären können, auf welcher Grundlage dies geschieht.
Wie laufen die Gespräche mit den Verantwortlichen an anderer Stelle? Sind Sie mit dem Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration in Stuttgart in Kontakt?
Herrera Torrez: Wir haben sehr rasch mit dem Ministerium Kontakt aufgenommen, sprechen natürlich auch mit unserem Landtagsabgeordneten. Wir konzentrieren uns aber vor allem auf das, was wir selbst in der Hand haben. Natürlich werben wir um Unterstützung.
Das Verhältnis zu Landrat Christoph Schauder scheint angespannt. Er hat signalisiert, dass der Landkreis nicht bereit ist, sich an einer Lösung zu beteiligen. Eigentlich ist die Gesundheitsversorgung Aufgabe des Landkreises. Glauben Sie, dass es zu einer Art Beteiligung kommt?
Herrera Torrez: Das müssen Sie den Landrat fragen. Ich bin der Überzeugung, dass es nicht die alleinige Aufgabe der Stadt Wertheim sein kann, den Erhalt der Krankenhausversorgung sicherzustellen. Gemeinderat und Verwaltung übernehmen Verantwortung für das, was wir hier vor Ort tun können. Es hilft wenig, nach rechts oder links zu schauen. Die Stellen, die möglicherweise helfen können, wissen es. Ob sie es tun, müssen sie entscheiden.
Der Landrat beruft sich auf juristische Gründe für seine reservierte Haltung.
Herrera Torrez: Für mich ist der Fortbestand des Krankenhauses keine juristische Frage. Es ist eine Frage des politischen Willens, am Ende auch der finanziellen Möglichkeiten. Man kann auch unabhängig von einer Pflichtträgerschaft unterstützen. Würde man sich allein auf eine gesetzliche Pflicht berufen, müsste die Stadt sich nicht mit dem Thema Krankenhaus auseinandersetzen. Wir tun es trotzdem, weil es für unsere Bürgerinnen und Bürger wichtig ist.
Würde das Krankenhaus nicht als Damoklesschwert über der Stadt hängen, stünde diese finanziell ziemlich gut da. Besser als von vielen vermutet. Die Steuereinnahmen sprudeln und der Schuldenstand sinkt sogar. Die Realität sieht besser aus als die Planungen. Warum plant die Finanzverwaltung immer so konservativ?
Herrera Torrez: Es immer gut, im Nachhinein ein besseres Ergebnis zu haben als ein schlechteres. Ich freue mich über die Wirtschaftskraft der Wertheimer Unternehmen, die dafür gesorgt hat, dass wir bei den Steuereinnahmen besser als gedacht abgeschnitten haben. Man sieht auf der bundespolitischen Ebene, wie es ist, wenn es andersherum läuft. Bei der Finanzplanung werden Steuerschätzungen des Bundes und des Landes berücksichtigt. Zusätzlich fragen wir bei den Betrieben ab, wie sie ihre Steuerkraft einschätzen. Auf dieser Grundlage machen wir die Kalkulation und stellen dem die Projekte gegenüber, die wir angehen wollen.
Die Stadtverwaltung hat keinen Einfluss darauf, wie es dann steuerlich in der Realität ausgeht. Auch bei den Investitionsausgaben kann man nicht exakt vorhersehen, wie sie sich entwickeln. In der Tat waren die Haushaltsabschlüsse der vergangenen Jahre gut. Zum Beispiel bekommen wir für das laufende Jahr noch Steuernachzahlungen aus 2021. Nächstes Jahr kann es sein, dass wir Steuern zurückzahlen müssen, weil es in den Unternehmen nicht so gut gelaufen ist. Ja, die Liquidität ist gut derzeit.
Die Verschuldung ist auf drei Millionen Euro gesunken. Aber mit den in den nächsten Jahren eingeplanten Vorhaben werden die liquiden Mittel vollständig aufgebraucht sein und die Verschuldung wird auf 22 Millionen Euro steigen.
Welche Projekte stehen an?
Herrera Torrez: Die Kita in Kembach wird gerade fertiggestellt. In Höhefeld sind wir dabei. Es folgen Reicholzheim und Hofgarten. Wir werden eine neue Grundschule bauen. Die Dreifeldsporthalle am Gymnasium ist über mehrere Jahre finanziert. Auch für das neue Hallenbad sind erste Gelder eingestellt. Die Landesstraße 2310 wird nächstes Jahr vom Land saniert. Wir begleiten diese Maßnahme, Fuß- und Radwege werden gebaut. Dazu kommen in nahezu jeder Ortschaft Neubaugebiete. Nächstes Jahr steht das Familienzentrum in Bestenheid an. Der Familienpass kostet auch Geld. Es gibt konkrete Wünsche aus den Ortschaften und der Stadt, die auch sinnvoll sind und die bis 2028 Investitionen von 70 Millionen Euro umfassen. Zudem gibt es eine Wunschliste für die Jahre danach in der Höhe von weiteren 70 Millionen Euro.
Was steht auf dieser Liste?
Herrera Torrez: Wir müssen Feuerwehrhäuser sanieren oder neu bauen. In Kembach besteht der Wunsch nach Sanierung der Sporthalle. Es gibt einige wichtige und notwendige Projekte.
Angesichts der gestiegenen Zinsen und hoher Baukosten kommt der Wohnungsbau derzeit zum Erliegen. Mietwohnungen werden immer teurer. Wie beurteilen Sie die Lage gerade im Hinblick auf Leute, die nicht so viel Geld verdienen? Muss die Stadt stärker tätig werden?
Herrera Torrez: Viele Menschen suchen nach Wohnraum zu einem akzeptablen Preis. Die städtische Wohnbaugesellschaft vermietet Wohnungen für einen Quadratmeterpreis von 4,50 bis 8,50 Euro. Mein Wunsch ist es, dass unsere Wohnbaugesellschaft weitere Angebote schafft. Deswegen sprechen wir darüber, wie wir „Oben am Knackenberg“ Wohnraum schaffen können. Mir hat die Planung, im Dreifingergebäude auf dem Reinhardshof sozialen Wohnungsbau zu ermöglichen, gut gefallen.
Das konnte leider nicht weiterverfolgt werden. Aber: Es geht halt nicht alles. Vor allem vor dem Hintergrund der aufgezählten Projekte und möglicherweise einem Krankenhausbetrieb. Da sprechen wir über Millionenbeträge. Die Möglichkeiten sind endlich.
Die Ampelkoalition in Berlin musste wegen des Urteils des Verfassungsgerichts massive Kürzungen im Haushalt vornehmen. Welche Auswirkungen erwarten Sie auf die Stadt? Was das neue Hallenbad angeht, hat die Stadt sich ja um Bundesmittel beworben.
Herrera Torrez: Das neue Hallenbad können wir ohne Unterstützung nicht umsetzen. Ob das Programm des Bundes kommt und ob wir berücksichtigt werden, steht nicht fest. Auch das Nahwärmenetz in Höhefeld soll mit Bundesmitteln umgesetzt werden. Wir gehen davon aus, dass wir im Januar Klarheit haben.
Welche Themen stehen neben dem Krankenhaus auf der kommunalpolitischen Agenda?
Herrera Torrez: Ich freue mich auf die Konzeption des Familienzentrums in Bestenheid. Spannend wird die Sanierung des ersten Abschnitts der L 2310 zwischen der Staustufe Faulbach und Bestenheid. Die Planung des Neubaus der Grundschule steht auf dem Programm. Die Kita in Kembach wird fertiggestellt. Sehr wichtig ist auch die Kommunalwahl im Juni. Ich hoffe, es gibt viele Menschen, die sich einbringen wollen. Man sieht derzeit akut, wie wichtig das ist.
Was wünschen Sie sich für das nächste Jahr?
Herrera Torrez: Dass wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Stadt fortsetzen. Dieses Jahr konnten wir wieder alle Veranstaltungen durchführen: Bürgerempfang, Altstadtfest, Michaelismesse. Auf den Ortschaften kamen zahlreiche schöne Veranstaltungen dazu. Die tollen Feste haben gezeigt: Wir können das alles stemmen, weil wir eine sehr gute Gemeinschaft haben, in der wir uns aufeinander verlassen können.
Trotz der anspruchsvollen Entscheidungen, die bevorstehen, soll diese Solidarität und Gemeinschaft weiter funktionieren.
Wie sieht es aus mit der Fußballkarriere?
Herrera Torrez: Ich wünsche mir in der Rückrunde ein bisschen mehr Einsatzzeit in der Fußballmannschaft des FC Eichel. Zuletzt saß ich häufig auf der Reservebank.
Liest Ihr Trainer die Zeitung?
Herrera Torrez: (lacht) Ich hoffe es.
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