Zukunft des Krankenhauses

Rotkreuzklinik: Gemeinderat Wertheim tendiert zu städtischer Lösung

Kehrt die Klinik in die städtische Trägerschaft zurück? Der Gemeinderat scheint diese Lösung zu favorisieren. Ein Bürgerentscheid wird eher unwahrscheinlicher. Dafür wäre eine Zweidrittelmehrheit notwendig.

Von 
Gerd Weimer
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Der Wertheimer Gemeinderat bei der Abstimmung über den Haushalt. © Gerd Weimer

Wertheim.. Der Gemeinderat verabschiedete bei seiner Sitzung am Montag den Haushalt 2024 mit großer Mehrheit. Nur Marlise Teicke (Grüne) und Manfred Busch (Freie Bürger) stimmten dagegen.

Zentrales Thema in den Redebeiträgen der Fraktionsvorsitzenden zum Haushalt 2024 war wenig überraschend die Zukunft des Wertheimer Krankenhauses. Beinahe alle Fraktionen sprachen sich für den Erhalt der ins Strauchlen geratenen Klinik aus – in städtischer Hand. Ob es – wie von Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez vorgeschlagen – zu einem Bürgerentscheid kommt, ist ungewiss. Dafür bräuchte es im Gemeinderat eine Zweidrittelmehrheit, was nach derzeitigem Stand eher unwahrscheinlich ist.

Axel Wältz (CDU) meinte, seine Fraktion – wie auch die CDU-Fraktion im Kreistag – seien „nicht die Erfüllungsgehilfen der einzelnen Verwaltungen“. Man werde auch weiterhin Anliegen von Bürgerschaft und Fraktion ins Rathaus beziehungsweise ins Landratsamt tragen und nicht umgekehrt. Patienten und Mitarbeiter stünden im Vordergrund.

Seit 1359 gebe es ein Spital oder eine Klinik. „Ein Wertheim ohne Krankenhaus ist für uns unvorstellbar“, so Wältz. „Immer wenn wir das Blaulicht hören, müssen wir froh sein, dass der Mensch darin in fünf Minuten im Wertheimer Krankenhaus sein kann, anstatt 30 oder 40 Minuten durch die Gegend nach Würzburg gefahren zu werden“, schilderte Axel Wältz die Situation.

„Wertheim verliert Attraktivität“

„Wie die notärztliche Versorgung in Wertheim funktionieren soll ohne eine zentrale Notaufnahme, das hat mir noch keiner erklären können – auch die nicht, die sagen, dass Geld wichtiger sei als die Notversorgung“, so der CDU-Fraktionschef. Es gebe viele Wünsche an die Kommunalpolitik. Die Mittel dafür würden nicht immer reichen. „Aber die Betroffenen, die mit Blaulicht im Krankenwagen liegen und die Angehörigen, die haben in diesem Moment nur einen Wunsch“, ergänzte er. „Nichts zu machen, ist der sicherste Weg alles zu verlieren.“ Es gebe immer Wege. Man müsse den Mut haben, sie zu gehen. Bürgerschaft und Mitarbeiter brauchten Klarheit und Sicherheit. Man könne nicht mehr zu lange warten. Die CDU-Fraktion wolle in Wertheim ein Haus der Grund- und Regelversorgung mit zentraler Notaufnahme erhalten. „Wir sind bereit, die Trägerschaft zu übernehmen und es wieder zu einem städtischen Krankenhaus werden zu lassen“, stellte Wältz klar. Dazu brauche es akzeptable Rahmenbedingungen und Entgegenkommen des bisherigen Trägers.

Die Verhandlungsteams sollten ein beschlussfähiges Ergebnis erarbeiten. „Ein gutes Verhandlungsergebnis ist eine unabdingbare Voraussetzung.“ Eine Lösung werde Geld kosten. Die ersatzlose Schließung aber auch. Nicht nur das Risiko für die Altersbezüge der Mitarbeiter von 44 Millionen wäre für den städtischen Haushalt zu bewältigen. Ohne Krankenhaus verlöre die Stadt an Attraktivität als Wohn- und Wirtschaftsstandort.

Die CDU-Fraktion sei bereit, selbst die Entscheidung zu treffen, signalisierte Axel Wältz, dass man einem Bürgerentscheid nicht zustimmen werde. Schon im Februar 2024 müsse man über eine städtische Trägerschaft beschließen. Stehen die Rahmenbedingungen fest, werde die CDU im Kreistag Unterstützung auf den Weg zu bringen.

„Riesiger Standortnachteil“

„Wir brauchen in unserer Stadt ein Krankenhaus der Basisversorgung, sowohl im chirurgischen, als auch im inneren medizinischen Bereich, inklusive Intensivbetten und Rund-um die Uhr-Notaufnahme“, sagte Patrick Schönig (SPD). Man wolle rasch alles dafür tun, damit dieses Ziel erreicht wird.

Für 50 000 Menschen sei die nächste Klinik über 30 Autominuten entfernt, für 20 000 sogar über 40 Minuten“, beschrieb auch Schönig die Situation und stellte die Frage, von wo ein Notärzte herkomme, wenn es in Wertheim keine Klinik gebe. Sollte das Krankenhaus schließen, wäre dies ein „riesiger Standortnachteil gegenüber anderen Kommunen“.

Die finanzielle Seite bereite Kopfzerbrechen. Es stehe die Frage im Raum, was sich die Stadt noch leisten könne, wenn man die Klinik übernehme. Im Grunde sei die Trägerschaft gar nicht die Aufgabe der Stadt.

Von Bund und Land gebe es nur warme Worte. Die Krankenhausreform werde im Bundesrat blockiert, weshalb es keine Überbrückungshilfen für strauchelnde Häuser gebe. Die Nachbarkommunen seien nicht bereit, finanziell zu helfen. „Je weiter weg man von Wertheim schaut, umso begeisterter sind die Leute von der Schließung der Klinik, da man ja dann das eigene Haus stärkt“, so Schönig. Klassischer Wettbewerb in der medizinischen Grundversorgung sei „Gift für die Gesellschaft“. Konkurrenz beim Notfall, bei einem Herzinfarkt oder Schlaganfall „furchtbar und perfide“.

Der Landkreis müsse eigentlich eine Gemeinschaft sein, in der man solidarisch mit den anderen Kommunen verbunden ist. Was man vom Landrat höre, sei „absolut enttäuschend“. Die Einschätzung, die Klinik in Wertheim sei durchaus verzichtbar, sei aus Sicht der Gesundheitsholding, an der der Landkreis beteiligt ist, „absolut durchschaubar“. „Der Landrat ist allerdings nicht nur Landrat für Tauberbischofsheim und Bad Mergentheim, sondern auch für Wertheim oder Freudenberg“, so Schönig, der Solidarität erwartet. Angesichts der unklaren Situation erscheine der Haushalt 2024 „quasi wie Makulatur“.

Songrit Breuninger (Freie Bürger) sagte, „unsere Bürgerinnen und Bürger haben ein Anrecht auf eine ordnungsgemäße, ärztliche Notfallversorgung mit einer gut funktionierenden stationären Behandlung“.

Bisher sei keine keine tragfähige Lösung in Aussicht. Mehrere Möglichkeiten müssten noch ausgiebig diskutiert und erörtert werden.

Viele Fragezeichen

Es gebe „wenig Hoffnung auf Unterstützung des Kreises, des Landes, des Bundes und der angrenzenden Kommunen, die unser Krankenhaus auch sehr rege nutzen“. Ein Bürgerentscheid sei „grundsätzlich ein gutes Medium, um die Bürgerschaft um ihre Meinung und ihre Mitwirkung zu bitten“. Doch es gebe „sehr viele Fragezeichen“. Bisher sei nicht bekannt, welche finanzielle Belastung die Trägerschaft in städtischer Hand bedeuten würde.

Viele Fragen, wie nach den künftigen Kosten, wer das Management übernehmen soll, oder wie das verloren gegangene Vertrauen in der Bevölkerung wieder aufgebaut werden könne, und ob die hiesigen Ärzte wieder Patienten in das Krankenhaus zuweisen, könnten vor einem Bürgerentscheid kaum beantwortet werden. „Ich hoffe und wünsche uns allen, dass wir zu diesem höchstbrisanten Problem baldmöglichst eine für alle tragfähige Lösung finden werden“, so Songriet Breuninger abschließend.

„Wir sind der Meinung , dass Wertheims Bürgerschaft ein Recht auf ein Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung hat“, sagte Richard Diehm (Grüne). Seine Fraktion sei bereit, „Verantwortung für diese Stadt zu übernehmen“. Der Gemeinderat sei „viel näher an der Thematik“ und habe alle nötigen Informationen über Kosten und Nutzen – und deren Konsequenzen.

„Absolutes Muss“

Die Bürgerschaft könne diese Entscheidung „eigentlich nur aus dem Bauch heraus treffen“. Deswegen würde die Grünen-Fraktion einem Bürgerentscheid nicht zustimmen, und stattdessen eine Abstimmung im Gemeinderat favorisieren. „Je früher desto besser“, so Diehm. Man könne könne jetzt schon signalisieren, dass „eine Rekommunalisierung unumgänglich“ sei.

Auch Diehm führte die „ansonsten unzumutbar lange Wege für Patienten an. „Wir alle wissen, dass Zeit gerade bei Schlaganfall- und Herzinfarkt über Leben und Tod, aber auch über gesundheitliche Einschränkungen entscheidet“. Leider stehe die Finanzierung der Krankenhäuser bis zum Abschluss und Umsetzung der geplanten Krankenhausfinanzierungsreform noch auf unsicheren Beinen, „aber wir wollen alles dafür tun, dass unsere Bürgerinnen und Bürger nicht darunter leiden müssen“. Ein defizitäres Hallenbad sei wünschenswert, ein Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung ein absolutes Muss, so Diehm.

Stefan Kempf ging für die Fraktion Bürgerliste/FDP nur kurz auf den „aktuell schwierigen Zustand unseres Krankenhauses“ ein. „Erst Schutzschirm- jetzt Insolvenzverfahren, wir hoffen natürlich das Beste und werden das Thema wohlwollend begleiten und für den Erhalt kämpfen. Auch im Kreistag“, sagte er.

Über die weiteren Ausführungen der Fraktionsvorsitzenden berichten die FN in der morgigen Ausgabe.

Redaktion Reporter Wertheim

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