Gesundheitsversorgung - Wertheimer Rotkreuzklinik sucht dringend Hebammen und plant Kooperation mit Schule in Alzenau / Caritas-Krankenhaus setzt auf Ausbildung

Neues Konzept soll Geburtshilfe an Rotkreuzklinik retten

Während das Caritas-Krankenhaus seinen Hebammen-Engpass seit Jahren überwunden hat und die Neckar-Odenwald-Kliniken eine freie Stelle zu besetzen haben, führt der Mangel die Geburtshilfe der Rotkreuzklinik vor Existenzfragen.

Von 
Katharina Buchholz
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Peggy Bürkle, leitende Hebamme im Caritas-Krankenhaus, im Gespräch mit einer Schwangeren. Auch das Bad Mergentheimer Krankenhaus musste vor einigen Jahren einen Engpass in der Hebammenversorgung überbrücken. © Caritas-Krankenhaus

Odenwald-Tauber. Die Räumlichkeiten der Wochenbettstation sind großzügig und modern ausgestattet. Pflegepersonal hilft den Frauen beim Stillstart und beim ersten Wickeln ihres Neugeboren.

Nebenan in den Kreißsälen unterstützen Hebammen und Ärzte die Gebärenden bei der Geburt. Fachkräfte informieren die Eltern in Kursen über die Pflege der Säuglinge oder geben Anleitung zur Babymassage. Ergänzt wird das Angebot der Station durch die gynäkologische Versorgung und Beratung. Die Vision, die Geschäftsführerin Alexandra Zottmann und Krankenhausdirektorin Cornelia Krause für die Geburtshilfe und die Gynäkologie an der Wertheimer Rotkreuzklinik haben und unter dem Stichwort „women’s care“ (Frauenpflege) zusammenfassen, klingt vielversprechend.

Die Wertheimer Rotkreuzklinik verfügt über neuwertige Räumlichkeiten und möchte künftig mit einem breiten Versorgungsangebot rund um die Themen Geburt, Frauengesundheit und Säuglingspflege punkten. © FN-Archiv/Buchholz

Durststrecke im Sommer

Der Real-Zustand ist ein anderer: Die Geburtshilfe der Wertheimer Klinik steht vor dem Kollaps. Vier von ehemals sechs bis sieben Hebammen halten den Kreißsaal am Laufen. Statt vier Ärzten stehen gerade zwei zur Verfügung. Der Posten des Chefarztes ist seit Jahren vakant. Für den August, so räumt die Klinikleitung ein, könne man nicht garantieren, dass zu jeder Zeit eine Geburt in ihrem Haus möglich sein wird. FN-Informationen zufolge war der Kreißsaal bereits im Juli an mehreren Tagen geschlossen.

Die Empfehlung an die Frauen lautet nun, vor der Fahrt ins Krankenhaus den Kreißsaal zu kontaktieren. Zu spät, kritisieren Insider, wurde das Personalproblem angegangen. So hatten die Hebammen im Mai über das soziale Netzwerk „Facebook“ einen Aufruf gestartet, in dem sie dringend Verstärkung suchten. Auf starken Druck der Frauen habe sich die Klinikleitung schließlich ebenfalls bewegt. Gelähmt durch die Pandemie sei viel auf der Strecke geblieben, sagt Alexandra Zottmann. „Die Hebammen haben zurückgesteckt.“ Mit dem Abflachen der Pandemie seien die Hebammen auf sie zugekommen. Man müsse überlegen, wie man den Weg weitergehen möchte. Nicht alle Entscheidungen, die von ihren Vorgängern getroffen wurden, seien für sie nachvollziehbar, kritisieren Zottmann und Krause. Als Beispiel nennen sie die eigenständige Wochenbettstation, die 2016 wenige Wochen nach dem Umzug ins neue Gebäude aufgelöst und mit einer anderen Bettenstation des Krankenhauses zusammengelegt wurde.

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600 Geburten angestrebt

Pläne, die Geburtshilfe umzugestalten, bestünden seitdem Krause und Zottmann im Jahr 2019 ihr Amt angetreten hatten, seien pandemiebedingt jedoch nicht umgesetzt worden. „Wir haben einen schönen Neubau mit toller Infrastruktur, der bisher nicht bespielt wurde, wie ursprünglich vorgesehen“, sagt Zottmann, die die Geburtshilfe als Teil des Versorgungsauftrags der Klinik sieht und deshalb nicht aufgeben möchte.

Die Räumlichkeiten des Hauses seien für rund 700 Geburten pro Jahr konzipiert, eingependelt hatte sich die Zahl vor Corona bei knapp 400. 600 Geburten pro Jahr sieht das neue Konzept vor. Erst dann rechne sich die Geburtshilfe für die Klinik. Bis in die zweite Hälfte des Jahres 2023 wolle man dieser Entwicklung, die das Potenzial einer Frauenstation nutzen und Raum für gebündelte Expertise bieten soll, auch finanziell gesehen Zeit geben. Konkret ist ab Herbst eine separate Station für Geburtshilfe und Gynäkologie geplant, die direkt neben den Kreißsälen liegt. Ab dem kommenden Jahr sollen Angebote von Säuglingspflege bis Inkontinenzberatung geschaffen werden.

Im Moment ist der Kreißsaal der Rotkreuzklinik nur dünn mit Hebammen besetzt. © Buchholz

Die größte Herausforderung – Krause spricht gar von „der größten Hürde – für den Neubeginn ist jedoch die Akquise von Fachkräften. Entsprechend sei die Klinik unter anderem über Agenturen auf der Suche nach Personal, das die Chance nutzen wolle, zu gestalten. Mit diesem Argument möchte die Klinikleitung im Wettkampf um die Köpfe punkten. Auch, was die bisherige Zusammenarbeit mit den Hebammen in Freiberuflichkeit angehe, sei man für Diskussionen offen und zu Mischlösungen bereit.

Intensive Suche hatte Erfolg

Denn: Hebammen und Ärzte sind nicht nur in Wertheim gefragt. Das rund 40 Kilometer entfernte Kreiskrankenhaus Buchen braucht einen Geburtshelfer sowie einen Oberarzt. „Wir suchen momentan eine Hebamme. Das ist mitunter schwierig, aber es hat bisher noch immer geklappt“, zeigt sich Dr. Winfried Munz, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe der Neckar-Odenwald-Kliniken zuversichtlich. Probleme, den Dienstplan zu besetzen, gebe es hier nicht.

Am Caritas-Krankenhaus in Bad Mergentheim hat man den Hebammenmangel, der dort vor zwei bis drei Jahren bestand, überwunden. „Wir haben auf mehreren Wegen intensiv nach neuen Kolleginnen gesucht und hatten schließlich Erfolg“, berichtet die leitende Hebamme Peggy Bürkle. Außerdem setze die Klinik verstärkt auf die Ausbildung – etwa über Kooperationen mit der Hebammenschule in Aschaffenburg-Alzenau sowie ab Herbst mit der Technischen Hochschule Nürnberg.

Geburtskliniken in Zahlen

Caritas-Krankenhaus:

  • Einzugsgebiet: bis zu rund 50 Kilometer um Bad Mergentheim (bis zu einer Fahrtzeit von rund einer Stunde).
  • Hebammen: Team aus 14 angestellten Hebammen, zudem zwei freie Begleitbeleghebammen.
  • Geburten: 2019: 1156; 2020: 1135; bis einschließlich 30. Juni 2021: 622.
  • Entwicklung während Pandemie: In den Monaten März und April 2021 ließ sich ein leichter Geburtenrückgang verzeichnen, da in dieser Hochphase der dritten Corona-Welle strenge Sicherheitsmaßnahmen getroffen wurden.
  • Corona-Maßnahmen: Die Väter durften ihre Frauen zwar in der gesamten Corona-Zeit während der Geburt im Kreißsaal begleiten. Besuche auf der geburtshilflichen Station waren im März und April 2021 jedoch nicht möglich.

Neckar-Odenwald-Kliniken:

  • Einzugsgebiet: hauptsächlich Neckar-Odenwald-Kreis, zusätzlich Main-Tauber-Kreis sowie aus dem Landkreis Miltenberg und dem Odenwaldkreis.
  • Hebammen: Team aus acht freiberuflichen Hebammen (laut Homepage).
  • Geburten: 2019: 483 (Buchen), 598 (Mosbach); 2020: 702 (B) 147 (M); 2021: 430 (Stand: 8. Juli).
  • Entwicklung während Pandemie: Geburten nehmen leicht zu.
  • Corona-Maßnahmen: Die Väter durften während der gesamten Coronapandemie dabei sein, es gab am Standort Buchen keinerlei Beschränkungen bezüglich der Begleitung vor, während und nach der Geburt.

Rotkreuzklinik:

  • Einzugsgebiet: Wertheim und Umkreis Würzburg, zirka 50 Prozent aus dem Bereich Main-Spessart.
  • Hebammen: aktuell vier freiberufliche Hebammen; bei 600 Geburten plant die Klinik mit acht bis zehn Geburtshelfern.
  • Geburten: 2019: 389; 2020: 338; 2021: 157 (Stand: 20. Juli);
  • Entwicklung während Pandemie: 2020 etwas weniger Geburten als in den Vorjahren, aber „kein dramatischer Rückgang“. Tendenz im ersten Halbjahr 2021: erneuter Rückgang.
  • Corona-Maßnahmen: Bis zum Ende der dritten Welle war kein Besuch der Väter am Wochenbett gestattet. Im Kreißsaal durften sie ihre Frauen unterstützen. kab

Den Nachwuchs hat auch die Wertheimer Klinikdirektorin Cornelia Krause im Blick: Im nächsten Jahr werde die Zusammenarbeit mit Alzenau anlaufen. Hoffnung, dass sich die Personalsituation entspannt, schöpfen Krause und Zottmann aus Bewerbungen von zwei Hebammen zum Jahresende. Gespräche mit Kandidaten auf den Chefarztposten stünden an und sollen Ende August abgeschlossen sein. Ihr Wunsch sei, die Stelle noch in diesem Jahr zu besetzen.

Und wenn sich kein Personal findet? „Dann werden wir mit dem Team noch mal in Gespräche gehen: Wenn alle Karten gezogen sind, müssen wir uns austauschen, wie es weitergeht“, sagt Zottmann. Dann gehe es weniger darum, was die Klinik anbieten wolle, sondern um das, was strukturell noch leistbar sei. „Ist dann dauerhaft eine 24/7- und 365-Tage-Besetzung möglich? Im allerschlimmsten Fall wird die Geburtshilfe geschlossen werden müssen. Das ist aber der wirklich allerletzte Schluss für mich“, bekräftigt Zottmann.

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Wertheim

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