Wertheim/Main-Tauber-Kreis. Bezirkskantor Carsten Wiedemann-Hohl ist seit März 2022 im Amt. Doch nun steht für ihn ein Wechsel in seine frühere Heimat an. Den Dirigentenstab und das Orgelpult übernimmt kein Geringerer als Professor Carsten Klomp.
Wertheim. „Guck mal, das ist hier“. Bezirkskantor Carsten Wiedemann-Hohl und Professor Carsten Klomp kommen gerade aus dem Inneren der Orgel. Die beiden sind dabei, die Amtsübergabe Schritt für Schritt zu vollziehen.
Dass sich die beiden Musiker wirklich gut verstehen, fällt sofort auf. Viele gemeinsam bestrittene Konzerte und die Liebe zur Musik eint die beiden. Es wird gescherzt und gelacht. Seit Tagen ist der Bezirkskantor dabei aufzuräumen, Noten zu sortieren. Gemeinsam mit seinem Amtsnachfolger sichtet er Daten und Formulare, gibt Informationen zu den Chören weiter.
Dekanatskantor in Deggendorf
Wiedemann-Hohl trat im April 2022 die Nachfolge von Katharina Wulzinger an und wird am 31. August seinen letzten Arbeitstag als Bezirkskantor in Wertheim haben. Der gebürtige Hesse hatte bereits nach seinem Studium eine Anstellung in Deggendorf. Und dorthin soll es nun zurückgehen. Er tritt die Stelle eines Dekanatskantors an. „Mein Sohn wird im Sommer eingeschult. Für mich und meine Frau stellte sich die Frage, wo das stattfinden soll. Die Idee hinter dem Wechsel war auch, beruflich etwas kürzer treten zu wollen. Deggendorf bietet für meine Frau ein gutes Arbeitsumfeld als Musiklehrerin. Dort ist alles fußläufig zu erreichen.“
Dennoch, das Weggehen falle ihm nicht leicht, gibt er zu. Als ihn kürzlich eine Chorgruppe nach einer Probe mit Geschenken überraschte, musste er schon schlucken.
Erinnerungen an verschiedene wunderbare Höhepunkte wird Carsten Wiedemann-Hohl mit nach Deggendorf nehmen, wie beispielsweise die an das Paulus-Oratorium Mitte Juli. „Geplant hatten wir dieses Konzert seit einem Jahr. Im Januar starteten die Proben. Am Ende war es eine ziemliche Punktlandung und hat allen Spaß gemacht“, sagt er.
Schöne Erinnerungen
In Erinnerung bleiben wird ihm ganz sicher auch der Rundfunk-Gottesdienst. „Das war eine Herausforderung, aber auch hier haben die Vorbereitung und Durchführung wirklich Spaß gemacht.“
Dass er das Bezirkskantorat in Wertheim in absolut kompetente Hände legt, ist für Wiedemann-Hohl beruhigend. Carsten Klomp wird am 1. Oktober das Amt des Bezirkskantors antreten und dafür – zum Erstaunen vieler – seine Professur an der Hochschule in Heidelberg aufgeben. „Im Grunde genommen sind die Gründe nicht viel anders als bei meinem Namensvetter. Ich komme sozusagen nach Hause“, sagt er. Seit vier Jahren wohnt Familie Klomp in Wertheim. Nach zwölfjähriger Tätigkeit an der Hochschule habe er gemeint, „jetzt ist’s auch mal gut“.
Sein Weg ist von einer steilen Karriere gekennzeichnet. So war Klomp mit 29 Jahren der jüngste Landeskantor. Beruflich habe er alles erreicht, was möglich gewesen sei. „Als Carsten mir sagte, dass er geht, fiel die Entscheidung recht schnell. Ich freue mich darauf, wieder das zu machen, was ich studiert habe und eigentlich immer machen wollte.“
Allerdings gibt Klomp zu, dass er sich auf eine Bezirkskantorenstelle beispielsweise in Mosbach garantiert nicht beworben hätte. „Dann hätte ich ja die Fahrerei weiterhin gehabt“, sagt er und offenbart damit ein weiteres Argument für den beruflichen Wechsel von Heidelberg nach Wertheim. Zeitweise hatte Klomp die Vertretung des Bezirkskantors übernommen, als Wulzinger in der Coronazeit ging. Damals habe er jedoch über einen Wechsel noch nicht nachgedacht. „Da wusste ich auch noch nicht, wie sehr mich die Fahrerei nerven würde“, gibt er unumwunden zu. 250 Fahrten später, mit 500 Umleitungen, 1500 Baustellenampeln, einem mitgenommenen Reh und einem mitgenommenen Dachs war es dann soweit. Formal gesehen bedeute der Wechsel einen Rückschritt, gibt Klomp zu. Allerdings er habe in seinem Leben alles erreicht, was zu erreichen möglich war – er sehe deshalb diesen Schritt hin zur Familie als gut und richtig an. Lediglich eine Stelle als Thomas-Kantor oder im Hamburger Michel hätten ihn noch reizen können, aber weil sich Wibke und Carsten Klomp beruflich immer aneinander orientierten, käme dies sowieso nicht in Betracht.
Die gesamte Familie war an der Entscheidungsfindung beteiligt, wie Klomp erzählt. Allerdings hatten sich die Dekanin und der Kirchenmusiker, die in den gleichen Feldern arbeiten, vor Jahren vorgenommen, niemals die gleiche Stelle anzutreten. „Dann unterhält man sich ja nur noch über die Arbeit und die gleichen Leute und Dinge“, lautete die damalige Begründung. Doch nun kommt es genau so.
Einen kleinen Disput am Abendbrottisch, bei dem es beispielsweise um eine nötige Orgelsanierung geht, schließt Carsten Klomp zwar nicht ganz aus. Er ist sich aber ganz sicher, „dass man auch als Paar toll zusammenarbeiten kann. Es macht Spaß mit meiner Frau gemeinsam zu arbeiten“, sagt er.
Klomp wird die Stelle des Bezirkskantors zu 65 Prozent ausfüllen, weil er weithin in der Landeskirche mit 35 Prozent in der Arbeitsrechtskommission sitzen wird. Damit werde es Arbeitsbereiche geben, die der zukünftige Kantor nicht ganz mit der gleichen Intensität umsetzen kann wie Carsten Wiedemann-Hohl. Was es genau sein wird, konnte er noch nicht sagen.
„Die Orgelmusik zur Marktzeit hat sich innerhalb kürzester Zeit zu einem großen Erfolg entwickelt. Deswegen werden wir das Angebot auf jeden Fall weiterführen.“ Spielten bislang beide Musiker, so muss Klomp die Musik zur Marktzeit in Zukunft allein bestreiten. Auch vierhändig gespielte Konzerte wird es in dieser Art wohl in Wertheim vorerst nicht mehr geben können. „In Wertheim gab es das Privileg, zwei qualifizierte Musiker zu haben, die gut miteinander arbeiten und gemeinsame Projekte umsetzen konnten. Stimmt’s?“, dabei schaut Carsten Klomp seinen Amtsvorgänger fragend an. „Auf jeden Fall“ erwidert der und nickt. Beide Musiker sind sich einig, dass man trotz der Entfernung auch in Zukunft auf die ein oder andere Art zusammenarbeiten wird.
Chorarbeit ausbauen
Weiterentwickeln will der zukünftige Kantor die Chorarbeit. So soll ein Kammerchor wieder ins Leben gerufen werden und aus dem Jugendchor möchte Klomp eine Mädchen-Kantorei machen. Letzteres sei ein Versuch, der durchaus eine Herausforderung werden könnte. Entscheidungen seien aber noch nicht getroffen.
Auf die Frage, worauf er sich als neuer Kantor am meisten freut, blitzt sein Humor durch: „Nicht mehr fahren zu müssen“, sagt er und lacht. Doch sofort wird er ernst: „Das tolle an Kirchenmusik ist, dass es ein wahnsinnig vielfältiges Arbeitsgebiet umfasst. Man ist als Musiker an verschiedenen Positionen gefordert und kann gestalten. Ich freue mich darauf, dieses Arbeitsfeld beackern zu können. Das hat mir als Professor gefehlt.“
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