Wertheim. Einst Anlass für heftig ausgetragene Streitigkeiten, jetzt Heimat vieler Tier- und Pflanzenarten. Das dem Gewerbegebiet entzogene Gelände auf dem Reinhardshof entwickelt sich prächtig, berichtete die Stadtverwaltung.
Nachdem es jahrelangen Streit um die Ausweitung des Gewerbegebiets Reinhardshof gegeben hatte, fand der eingesetzte Runde Tisch vor zwei Jahren einen Kompromiss. Ein Teil der vorgesehenen Fläche wurde dem Naturschutz überlassen. Die Pflege der etwa 20 Hektar Fläche, die sich nordwestlich der Rotkreuzklinik befindet, sollte gewährleisten, dass es nicht zu einer Verschlechterung des ökologischen Zustands kommt.
In Zusammenarbeit mit dem BUND und dem Nabu entwickelte die Stadt einen Pflegeplan, den Jens Rögener vom Umweltamt der Stadtverwaltung am Montag in der Sitzung des Bauausschusses vorstellte. Rögener zog auch ein erstes Fazit der bisherigen Aktivitäten: „Die Lebensräume haben sich sehr gut entwickelt, die Besiedelung mit Zielarten ist wunschgemäß verlaufen.“
Auf dem Gelände leben, wie Rögener ausführte, auch bedrohte Arten, die teils sogar auf der sogenannten Rote Liste stehen: etwa das Rebhuhn, aber auch laut Einordnung der Behörden „stark gefährdete Arten“ wie der Baumpieper, der Bluthänfling, der Feldschwirl, oder die Feldlerche.
Bedrohte Arten
Nicht nur Vögel sind auf dem Gelände vertreten, sondern auch Reptilien und Amphibien wie die Zauneidechse, die Blindschleiche, die streng geschützte Gelbbauchunke, Erdkröten, Gras- und Teichfrösche sowie der Bergmolch. Hinzu kommen noch die Tagesfalter Wiesenknopf-Ameisenbläuling und der Große Feuerfalter. Auf dem Gelände tummeln sich also jede Menge Arten, was so nicht ohne Pflegearbeit der Fall wäre.
Die Arbeit teilen sich das Umweltamt, der Bauhof und ehrenamtliche Helfer des Nabu sowie der Jagdpächter Günter Kronmüller, den man auf dem Gelände fast täglich antrifft. Zusammen haben sie für die einzelnen Lebensräume Leitbilder, Ziele und Maßnahmen definiert. So soll sichergestellt werden, dass für die Arten letztendlich Bedingungen herrschen, die den Bestand oder dessen Ausweitung sichern.
In den Unterlagen der Stadtverwaltung finden sich 21 verschiedene Maßnahmen. Rögener nannte beispielhaft die Schafbeweidung im Winterhalbjahr. Die derzeit 800 Schafe seien das „Rückgrat der Pflege“.
Als weitere Maßnahme führte Jens Rögener das Zurückdrängen der Landreitgrasbestände an. Das Gras verdränge alle anderen Pflanzenarten. Man versuche die Ausbreitung durch Mahd, Grubbern oder Abschieben aufzuhalten.
Damit die Tiere genügend Wasser bekommen, legten die Helfer zum Beispiel Kleingewässer an. Allerdings drohten diese Pfützen im Sommer auszutrocknen, Jagdpächter Günter Kronmüller verhinderte dies, in dem er für Nachschub sorgte und einzelne Stellen abdichtete. Wer das Gelände mit dem Auge absucht, findet auch nicht wenige Hügel oder Steinhaufen. Diese dienen als Zauneidechsenbiotope.
Biotope
Zusätzlich zu dem Gelände gibt es am südlichen Rand des Gewerbegebiets auch das sogenannte „Grüne L“, dessen Name sich von seiner Form ableitet und das als Kompensation für einen Abschnitt des Gewerbegebiets dient. Seit 2019 wachsen hier neue Gebüsche und Pflanzen wie Wiesenknopf, Ampfer und Wasserdost. Zudem existieren 3400 Quadratmeter große Eidechsenbiotope. Die ausgesäte Gründlandmischung habe sich prächtig entwickelt, berichtete Rögener. Der Große Feuerfalter sei schnell heimisch geworden.
Ekkehardt Ebert (Bürgerliste), bekanntermaßen selbst Nabu-Aktivist, bestätigte, dass die Zusammenarbeit zwischen Stadt, dem Jagdpächter und den Naturschützern hervorragend funktioniere.
Michael Althaus (CDU) erkundigte sich nach den Kosten des Projekts für die Stadt. Jens Rögener schätzt sie auf etwas mehr als 2000 Euro pro Jahr. Der große Vorteil: Die Schafbeweidung sei kostenlos. Für das „Grüne L“ seien deswegen auch kaum Pflegemaßnahmen erforderlich. Stadtbaumeister Armin Dattler erläuterte, dass die Kosten für die Ausgleichsfläche in den Grundstückspreis einfließe. Zwischen fünf und zehn Euro werden pro Quadratmeter dafür fällig. „Das sollte es uns wert sein“, meinte OB Markus Herrera Torrez.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/wertheim_artikel,-wertheim-naturschutzflaeche-in-wertheim-entwickelt-sich-praechtig-_arid,2018889.html