Die Nachricht vom 7. September 2023 glich einem Paukenschlag: Die Rotkreuzklinik steckt in großen finanziellen Schwierigkeiten. Eine Lösung für das insolvente Haus ist bisher nicht in Sicht.
Wertheim. Die Pressemitteilung traf am 7. September um die Mittagszeit ein: „Die Rotkreuzkliniken München und Wertheim leiten ein Schutzschirmverfahren zur umfassenden Neuausrichtung und Sanierung ein“, lautete die Überschrift.
Obwohl die Klinik in Wertheim schon seit Jahren tief im Minus steckte, traf es die Stadt und die Region vollkommen überraschend. Vordergründig hatte nichts darauf hingedeutet, dass die Schwesternschaft München vom BRK die Reißleine zieht – offenbar um die eigene Existenz zu retten.
Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez brach eine Dienstreise ab und eilte zurück nach Wertheim. Seither ist die Rettung des Krankenhauses das dominierende Thema in der Stadt. Denn obwohl das Haus aus verschiedenen Gründen nicht den besten Ruf hatte: Verzichten möchte kaum jemand auf die Klinik, ist sie doch ein äußerst wichtiger Baustein der medizinischen Versorgung – über die Grenzen Wertheims hinaus.
Rechtsanwalt und Sanierungsspezialist Mark Boddenberg leitete das Schutzschirmverfahren, das Anfang Dezember ins Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung mündete. Boddenberg machte zunächst das, was wohl ein Insolvenzverwalter machen muss, wenn er erfolgreich eine Lösung herbeiführen will: Optimismus verbreiten. „Wir werden hier etwas Neues aufbauen. Ich gehe fest davon aus, dass wir am Ende ein Krankenhaus haben werden, in das die Patienten gerne kommen und in dem die Belegschaft engagiert arbeitet“, sagte er in einem Interview mit den FN zwei Wochen, nachdem er die Regie übernommen hatte.
Boddenberg führte die „hervorragende Bausubstanz“ an. Strukturelle und finanzielle Herausforderungen seien „lösbar“.
Auf einer öffentlichen Veranstaltung Ende Oktober stellte er zusammen mit dem Berater Christian Höftberger ein mögliches Konzept vor – weniger Betten, Konzentration auf „das, was wir können: Innere und Chirurgie“. Doch auf der Suche nach einem neuen Träger war Boddenberg nicht erfolgreich. Die BBT-Gruppe, die als Mehrheitsgesellschafter zusammen mit dem Landkreis die Caritas-Häuser in Tauberbischofsheim und Bad Mergentheim betreibt, winkte ab.
Relativ schnell war klar, dass Boddenberg eine Beteiligung der öffentlichen Hand anstrebt. Wenn sich kein anderer Träger finden ließe, müsse die Stadt Wertheim einspringen, machte er im Rathaus klar. Sonst würde das Haus endgültig schließen.
Beide Varianten bergen für den städtischen Haushalt erhebliche finanzielle Risiken. Übernimmt sie die Klinik , muss die Stadt für die Verluste aufkommen. Wie hoch die genau sind, vermag momentan niemand genau sagen.
Man geht von mindestens drei Millionen Euro pro Jahr aus. Im Raum steht auch, dass die Schwesternschaft dafür eine gewisse Zeit aufkommt. Aber selbst in diesem Fall stellt sich die Frage: Was passiert danach?
Bei einer Schließung müsste die Stadt, so ist es vertraglich vorgesehen, langfristig für die Kosten der Altersvorsorge aufkommen. Es geht um rund 40 Millionen Euro bei der Zusatzversorgungskasse, die nach und nach abgestottert werden müssten. Finanzpolitisch eine Wahl zwischen Pest und Cholera.
Wohin die Reise geht, wird der Gemeinderat demnächst entscheiden müssen. Dass er, wie von OB Herrera Torrez favorisiert, einen Bürgerentscheid anstößt, gilt mittlerweile als unwahrscheinlich.
Ob es Unterstützung von außen gibt, ist höchst ungewiss. Landrat Christoph Schauder gab bisher nicht zu erkennen, ob der für die medizinische Versorgung zuständige Kreis dazu bereit ist. Eine Pflichtträgerschaft des Kreises komme jedenfalls nicht in Frage, gab er zu verstehen.
Im Stuttgarter Gesundheitsministerium will man abwarten, wie das Insolvenzverfahren ausgeht, bevor „konkrete Überlegungen zu krankenhausplanerischen Maßnahmen bei einer Schließung der Rotkreuzklinik angestellt und geprüft werden“, hieß es auf FN-Anfrage. Das Ministerium werde „die Lage vor Ort bis dahin fortwährend im Blick behalten“.
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