Ortschaftsrat Bettingen - Gremium spricht sich gegen den Bau eines Kleinst-Hauses im Schlehenweg aus, obwohl alle Bauauflagen erfüllt würden

Mini-Haus in Bettingen: Echter Wohntrend oder nur Platzhalter?

Der Antrag auf Bau eines Mini-Hauses auf einem großen Grundstück in Bettingen könnte Auslöser für die Änderung von Bebauungsplänen werden. Am Montagabend sorgte er jedenfalls schon mal für Diskussion.

Von 
Heike Barowski
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Ein Tiny House bietet viele Vorteile. Als dauerhafter Bewohner muss man diese sehr reduzierte Lebensart mögen. In Bettingen soll jetzt so ein Kleinst-Haus entstehen. Doch der Ortschaftsrat sprach sich gegen das Vorhaben aus. © DPA/Nicolas Armer

Bettingen. Eigentlich hätte es eine ganz normale Ortschaftsratssitzung in Bettingen werden können, ohne großen Diskussionsbedarf um geplante Lagerhallen oder ähnliches. Das zumindest vermittelte die Tagesordnung. Doch der Teufel steckt, wie immer, im Detail. Denn ein Antrag für ein privates Bauvorhaben offenbarte ein akutes Problem mit dringendem Handlungsbedarf.

Grundstück erworben

Bernd Strobl wohnt mit seiner Familie in Bettingen. Vor Jahren bot sich ihm die Möglichkeit, ein Grundstück im Schlehenweg zu erwerben. Weil der Familie aber 500 Quadratmeter zu klein waren, erwarben sie das Nachbargrundstück dazu.

Über Kleinst-Häuser

„Tiny“ kommt aus dem englischen und bedeutet „sehr klein“. Tiny-Häuser werden auch als Mini-Häuser oder Kleinst-Häuser oder Single-Haus bezeichnet. Eine festgeschrieben größe für diese Unterkunft gibt es nicht.

Die kleinen Häuser können auf einen Anhänger gebaut sein oder direkt auf einem festen Fundament stehen.

Tiny-Häuser bieten viele Vorteile wie geringere Kosten in Anschaffung und Unterhalt, kleiner Flächenbedarf, und eine oft nachhaltige Bauweise. Das Leben im Klein-Haus ist mit einer Reduzierung auf das Notwendigste verbunden.

Die Erfindung der Mini-Häuser ist nicht neu. Mitte der 1920er Jahre wurden sogenannte „Motor-Homes“ auf Autos gebaut. Eine Dokumentation über Minihäuser aus der ganzen Welt und ein Buch über Tiny-Houses machten diese Lebensweise bekannter.

Vor Jahren schwappte der Trend aus den USA nach Europa. So wurden beispielsweise auf der Landesgartenschau in Würzburg 2018 auch Kleinst-Häuser vorgestellt. Inzwischen erfreuen sich diese Unterkünfte besonders in Urlaubsregionen großer Beliebtheit.

In Wertheim entstand vor ein paar Jahren das Tiny House Village auf dem Reinhardshof. Interessierte können sich hier in einen umgestalteten Frachtcontainer mit 26 Quadratmetern einmieten. hei

„Wir haben die Grundstücke gekauft, um für uns selbst dort ein kleines Häuschen zu bauen“, erklärte Strobl auf der Sitzung. Man habe sich, auch aufgrund der deutlich gestiegenen Preise für ein Kleinsthaus, ein sogenanntes Tiny-House, entschieden.

Laut Strobls Aussage soll es ein vollwertiges Modul-Haus (das erweiterbar ist) auf Fundament mit Satteldach und Terrasse werden. Mehrfach versicherte der Bauherr, dass alle Vorgaben des Bebauungsplans eingehalten würden.

Doch der Ortschaftsrat, der als erste Instanz seine Zustimmung zu sämtlichen Bauvorhaben geben muss, lehnte den Antrag ab: „Weil das Vorhaben vollkommen konträr zu den jetzigen Baugebieten ist – mit kleinen Bauplätzen und möglichst dichter Besiedelung.“

Als problematisch sieht Tschöp schon das Zusammenkaufen von mehreren Grundstücken an. Dieses Vorgehen wolle man in Zukunft nicht mehr unterstützen.

Vor allem bereite aber dem Ortschaftsrat Sorge, dass sich die Praxis breitmachen könnte, dass Investoren Grundstücke erwerben, und, weil diese mit einem Bauzwang belegt sind (nach einer vorgeschriebenen Zeit muss mit dem Bau begonnen werden), einfach ein kostengünstiges Tiny-House auf die Fläche setzen, nur um auf höhere Grundstückspreise zu spekulieren. Tschöp ist der Meinung, dass die Tiny-Häuser als Platzhalter dienen werden. Das Wesen der Nutzung, nämlich ein Grundstück kaufen, Wohnhaus darauf bauen und darin dann leben, sei in diesem Fall nicht mehr gegeben.

Die Aufhebung der Eigennutzungsklausel (Verpflichtung zur Eigennutzung bei Grundstückskauf) vor zwei Jahren im Wertheimer Gemeinderat würde dieses Vorgehen mittels Platzhalterhauses noch begünstigen.

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Per se nicht dagegen

„Wir sind per se gar nicht gegen den Bau eines Kleinst-Hauses. Aber wir sehen hier die Gefahr, dass wir einen Präzedenzfall schaffen“, so Ortsvorsteher Ralf Tschöp. In Kürze werden in Bettingen mit dem Schweizer-Stuben-Areal und „Wachholderbüschlein 4“ zwei weitere Baugebiete ausgewiesen, die durchaus sehr attraktive Lagen für Bauvorhaben aufweisen.

Ein Präzedenzfall?

Das sieht Strobl anders, da sein geplantes Modul-Haus auf dem letzten noch unbebauten Grundstück im Neubaugebiet entstehen würde. Auch wies Strobl darauf hin, dass beispielsweise das kleinste Fertighaus auch nur eine Grundfläche von 65 Quadratmetern habe.

Strobl sieht die Ablehnung seines Antrags durch den Ortschaftsrat als Willkür an, weil er sich an alle Bauauflagen halte.

„Ich finde, es ist unsere Pflicht, als Ortschaftsrat genau solche Entwicklungen im Auge zu behalten und deutlich zu sagen, dass wir uns das so nicht vorgestellt haben“, entgegnete Tschöp. Würde dieses Minimal-Haus auf einem entsprechend kleinen Grundstück von etwa 500 Quadratmetern stehen, fiele die Beurteilung des Antrags anders aus.

Einig waren sich der Bettinger Ortschaftsrat und der Bauherr zumindest in dem Punkt, dass in naher Zukunft die Vorschriften in den Bebauungsplänen angepasst und für Familie Strobl eine Lösung gefunden werden müsse. Die nächste Instanz, die über Bernd Strobls Bauantrag zu entscheiden hat, wird die Stadtverwaltung sein.

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Wertheim

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