FN-Interview - Die neue Leiterin der Stadtbibliothek, Sigrid Born, über ihren Start mitten in der Pandemie, Eindrücke und Ziele / Lesetipps für alle Altersklassen

Leiterin der Wertheimer Stadtbibliothek: Sie blättert schon mal zum Ende vor

Sigrid Born ist Bibliothekarin und gelernte Buchhändlerin, studierte Bibliothekswesen, arbeitete in verschiedenen Büchereien. Seit 1. September 2021 führt sie die Stadtbücherei in Wertheim. Im Gespräch mit den FN zieht sie ein erstes Resümee.

Von 
Heike Barowski
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Sigrid Born trat am 1. September 2021 die Stelle als Leiterin der Wertheimer Stadtbücherei an – mitten in die Pandemie kein ganz leichter Start. © Heike Barowski

Wertheim. Ihr Start war mitten im Lockdown völlig unaufgeregt, beinah unbeachtet von der Öffentlichkeit. Es gab weder einen Empfang noch eine offizielle Vorstellung „der Neuen ander Spitze“ der Wertheimer Stadtbücherei. So ganz unrecht war es Sigrid Born nicht. Sie braucht keine Vorschusslorbeeren, sondern will sich durch Erfolge einen Namen machen. Im Interview mit den Fränkischen Nachrichten erzählt sie von ersten Herausforderungen, aber auch von ihren Zielen.

Frau Born, ihr Start als neue Leiterin der Stadtbücherei fiel mitten in einen Lockdown, der zahlreiche Herausforderungen mit sich brachte. Haben Sie sich das so vorgestellt?

Sigrid Born: Nicht so ganz, denn durch die Beschränkungen und Vorschriften wird die Kontaktarbeit zur Stadt und zu Kooperationspartnern sehr erschwert. Für mich sind diese persönlichen Beziehungen sehr wichtig und diese sind in der Zeit zum Erliegen gekommen. Auch das Alltagsgeschäft ist ein ganz anderes geworden. Veranstaltungen können nicht mehr durchgeführt werden. Dazu kommen die sich ständig verändernden Rahmenbedingungen, unter denen die Büchereien öffnen können.

Welche Herausforderungen gab es am Anfang zu meistern?

Born: Für mich ganz persönlich war es die Einarbeitung in das EDV-System. Ich hatte bisher nur mit Bibliotheca 2000 gearbeitet. Auch die anderen Strukturen in der Bibliothekslandschaft in Baden-Württemberg waren neu für mich.

Welchen ersten Eindruck hatten Sie von der Wertheimer Stadtbücherei?

Born: Vor meinem Dienstantritt präsentierte sich mir die Bücherei als groß, teils auf neuestem Stand, kundenfreundlich, bunt, gemütlich.

Nach einigen Monaten haben Sie sicher ihr Bild etwas korrigieren müssen. Was bewerten Sie in der Einrichtung grundsätzlich positiv und wo „klemmt“ es?

Born: Als sehr positiv empfinde ich die Aufstellungsarten mit teils Klarschriftsystematik und Interessenkreisen und einer Frontalpräsentation, dass unterschiedliche Medienarten angeboten werden, die technische Ausstattung, das Lesecafé – auch wenn es zur Zeit nicht als Café bedient werden kann. Der Lesegarten ist wirklich toll! Arbeitsabläufe dagegen müssen automatisiert werden. In meinen Augen gehören auch gemütlichere Sitzgelegenheiten zu einem gelungenen Angebot einer Bücherei. Schön wäre auch ein separater Veranstaltungsraum und Gruppenarbeitsraum innerhalb der Bücherei. Das verwaiste Erdgeschoß sollte auch überdacht werden.

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Welches große Ziel und erste kleinere Zwischenziele wollen Sie in Angriff nehmen?

Born: Arbeitsabläufe automatisieren und den Etat nach bestimmten Kriterien für Medien festlegen. Nötig ist auch eine intensive Kontaktarbeit innerhalb des Hauses und enge Zusammenarbeit mit anderen städtischen Einrichtungen, wie beispielsweise mit dem Referat Bildung und Familie aber auch dem Referat Öffentliche Ordnung und natürlich innerhalb des Referats Kultur. Längerfristig will ich gemeinsam mit dem gesamten Team an einem bargeldlosen Zahlungsverkehr arbeiten. Sogenannte „Makerspaces“ – das sind offene Räume, in denen Menschen ihre kreativen Ideen umsetzen können – anzubieten, wäre wichtig. Digitale Klassenführungen sind eine sinnvolle Ergänzung. Vor allem sollte das Erdgeschoß der Bücherei ins Bewusstsein der Zielgruppe der Jugendlichen rücken.

Frau Born, Sie haben seit ihrem Start mit der Pandemie und den Auswirkungen zu kämpfen. Was beobachten Sie in diesem Zusammenhang?

Born: Die Besuche in der Bibliothek sind fast um die Hälfte zurückgegangen, die Ausleihe sogar um fast ein Drittel. Dafür ist die Ausleihe von elektronischen Medien im zweiten Jahr in Folge gestiegen.

Wie kann man ihrer Meinung nach in naher Zukunft den Trend der sinkenden Besucherzahlen umkehren?

Born: Sollten die Corona-Zahlen es zulassen und die Beschränkungen wegfallen, muss die Veranstaltungsarbeit intensiviert und die Kontaktarbeit angegangen werden, um die Bücherei wieder ins Bewusstsein der Bevölkerung zu bringen.

Die nächste Frage geht an Sie nicht nur als Lektorin, sondern als Vielleserin. Welches Buch hat Sie persönlich zuletzt beeindruckt und warum?

Born: Das war „Allein auf dem Meer“ von Vick Chris. Es ist eine realitätsnahe und wahnsinnig spannende Geschichte um einen Überlebenskampf auf dem Meer. Schonungslos und bis ins kleinste Detail schildert der Autor in seinem ersten Kinderbuch die schönen aber auch erbarmungslosen Seiten des Meeres.

Was liegt bei Ihnen zur Zeit auf dem Nachttisch?

Born: Der Roman von Jenny Colgan „Hochzeit in der kleinen Sommerküche am Meer“. Darin geht es um Flora, von London auf ihre schottische Heimatinsel Mure zurückgekehrt, betreibt sie jetzt ein uriges, sehr beliebtes Café und hilft ihren Brüdern auf dem elterlichen Hof. Nur dass ihr Freund Joel ständig auf Reisen ist, schmälert ihr Glück. Ist er wirklich der Richtige?

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Beschreiben Sie einmal ihr Leseverhalten.

Born: Ich lese aufgrund meiner Rezensionstätigkeit überwiegend Kinderbücher. Ich kann quer lesen, habe manchmal zwei Bücher und muss gestehen, dass ich ab und an zum Ende des Buchs blättere und dort kurz reinlese. Auf Reisen lese ich meist am ebook-Reader. Ich habe keinen festen Ort oder Zeit. Ich lese dort, wo ich gerade bin und es zeitlich passt. Das kann auch gern einfach am Strand oder im Hängesessel auf der Terrasse sein.

Wie viele Bücher nehmen Sie mit, wenn Sie in den Urlaub fahren?

Born: Die Anzahl ist unterschiedlich, aber mindestens zwei – falls eines der beiden mir nicht gefällt.

Als Bibliothekarin können Sie täglich „aus dem Vollen schöpfen“. Für wahre Leseratten ist die Entscheidung, welches Buch man als nächstes lesen will, manchmal schwierig. Bitte geben Sie uns ein paar Tipps.

Born: Zum Vorlesen eignet sich „Der kleine Siebenschläfer“ von Sabine Bohlmann. Das sind Sammelbände, in denen es um den kleinen Siebenschläfer, seine Schnuffeldecke und seine Freunde geht. Gemeinsam erleben sie den Winter, entdecken das Weihnachtsgefühl und so lassen sich viele Gutenachtgeschichten erzählen. Für jugendliche Selbstleser ist „Der rätselhafte Hundedieb“ von Henriette Wich ein guter Tipp. Die Freunde Lulu, Umut, Paul und Elsa bilden ein Detektiv-Team und wittern nach dem Besuch von Umuts Onkel einen neuen Fall. Erst recht, als Paul am nächsten Morgen feststellt, dass sein Hund verschwunden ist. Erwachsenen lege ich den Roman von Martin Suter „Einer von euch“ ans Herz, weil er die Lebensgeschichte von Bastian Schweinsteiger erzählt, teils biografisch, teils fiktiv, wie er als Kind war, wie er Erfolge und Niederlagen erlebt hat und wie er die Frau seines Lebens gefunden hat.

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Wertheim

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