Interview

Landwirtschaft: So wichtig sind Subventionen

Die Familie Bund führt einen Biohof in Reicholzheim und erklärt, wie man von 54 Cent pro Liter Milch leben kann, warum ein Wegfall der Diesel-Subventionen Biobetriebe besonders trifft - und was sich endlich ändern muss.

Von 
Katharina Buchholz
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Zwei Generationen führen den Reicholzheimer Biohof mit 120 Milchkühen: Andreas, Ralf und Lukas Bund (von links) bewirtschaften 250 Hektar Ackerfläche. © Buchholz

Reicholzheim. Einen Anbindeplatz gibt es auf dem Biohof der Familie Bund noch. „Den haben wir stehenlassen, um Besuchern zu zeigen, wie viel Platz eine Kuh früher hatte: 99 Zentimeter in der Breite und 1,40 Meter Betonfläche in der Länge“, erklärt Lukas Bund. Er steht mit seinem Vater Ralf Bund und seinem Bruder im früheren Kuhstall des Aussiedlerhofs über Reicholzheim. Heute verbringen die Kälber hier ihre ersten Lebenstage.

Später wechseln die weiblichen Rinder und Milchkühe in den Hauptstall. Hier hat jede Kuh zirka 20 Quadratmeter für sich und kann frei entscheiden, ob sie überdacht oder im Freien stehen will. Lukas Bund öffnet die Tür: Neugierig blicken die Kühe dem 24-Jährigen entgegen.

Lukas, Sie sind gerade in den letzten Zügen Ihrer Ausbildung zum Landwirtschaftsmeister. Warum werden Sie Landwirt?

Lukas Bund: Der Beruf des Landwirts ist einer der vielschichtigsten Berufe überhaupt. Mir macht es unheimlich viel Spaß, in und mit der Natur zu arbeiten. In der ökologischen Landwirtschaft wirtschaftet man in Kreisläufen: Unser Betrieb ist so aufgestellt, dass wir keine Nährstoffe von außen zuführen müssen. Unser Tierbestand ist auf unsere Fläche abgestimmt. Wir produzieren nur so viel Gülle, wie es zu unserer Fläche passt.

Ihre Familie bewirtschaftet 250 Hektar Land und hält 120 Milchkühe und 120 weibliche Rinder als Nachzucht. Wie viel Arbeit fällt auf Ihrem Hof an?

Ralf Bund: Im Jahr kommen 11.000 Arbeitsstunden zusammen, wobei rund ein Drittel auf die Ackerwirtschaft entfällt.

Lukas Bund: Arbeitsstunden verteilen sich auf viereinhalb Arbeitskräfte – meine Eltern, meinen Bruder Andreas und mich. Während der Erntezeit werden wir von der Familie und Freunden unterstützt.

Und wie läuft ein Tag ab?

Lukas Bund: Wir starten um 5.30 Uhr mit zwei Leuten im Stall, ab 6.30 Uhr unterstützt eine weitere Person. Bis 8 Uhr melken wir, versorgen die Kälber und beobachten die Tiere. In der Regel bin ich den Vormittag über mit Füttern und Einstreuen beschäftigt. Mein Bruder ist als Landmaschinenmechaniker für die Maschineninstandhaltung zuständig. Außerdem müssen Haus- und Hofarbeiten erledigt werden. Zwischen 16.30 und 17 Uhr geht wieder die Stallzeit los. Fertig sind wir gegen 19 Uhr. Nicht zu vergessen: die Büroarbeit.

Ralf Bund: Meistens bin ich zwei bis drei Stunden pro Tag im Büro.

Lukas Bund: Neben üblichen Büroarbeiten ist es vor allem der bürokratische Aufwand, der immer enormer wird. In der Tierhaltung ist zum Beispiel das Arzneimittelmonitoring neu dazugekommen. Im Ackerbau kostet die Schlagdokumentation viel Zeit, bei der alle Maßnahmen, beispielsweise die Düngung, geplant und aufgezeichnet werden müssen.

Eckdaten des Biohofs Bund

Die Familie Bund führt den Aussiedlerhof bei Reicholzheim seit 1969. Die Generationen zuvor waren mit einem Hof in der Ortschaft ansässig.

Seit 2010 wirtschaftet der Milchviehbetrieb nach den Vorgaben des Verbands „Bioland“. Inhaber des Hofes sind in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Ralf Bund (58) sowie seine Söhne Andreas (30) und Lukas (24). Zudem arbeitet Mutter Beate mit.

In den Ställen der Familie Bund leben 120 Milchkühe plus deren weibliche Nachzucht in gleicher Größenordnung. Jede Kuh produzierten pro Jahr durchschnittlich 7700 Liter Milch. Diese wird von der Molkerei Zott im bayerischen Mertingen verarbeitet.

Zum Hof gehören 250 Hektar Fläche, die sich fast ausschließlich auf Reicholzheimer Gemarkung befindet. 50 Hektar sind im Eigentum der Familie. Rund 60 Hektar werden als Grünland bewirtschaftet.

Auf den Flächen bauen die Landwirte zum Verkauf für den menschlichen Verzehr Weizen, Roggen, Dinkel, Hafer (Brotgetreide, Urmut (Pizzateig), Nacktgerste (Grütze), Zuckerrüben, Wassermelone sowie probeweise Kichererbsen an. Als Tierfutter auf dem Hof verwendet werden Klee (grün oder als Silage), Erbsen, Hirse, Mais, Triticale, Hafer und Wintergerste. kabu

Ralf Bund: Bei 200 Schlägen sitzt man dann schon mal fünf Minuten.

Lukas Bund: Wir sagen immer, die Stechuhr ist in unserem Betrieb schon lange kaputt.

Ihnen wird also selten langweilig?

Lukas Bund: Mein Bruder und ich haben vorgelebt bekommen, Arbeit nie als Arbeit zu sehen. Für uns ist das Berufung.

Jede Kuh hat einen Namen

Während Andreas Bund sich vor allem um den Ackerbau kümmert, ist die Tierhaltung das Gebiet seines Bruders.

„Kühe haben es mir angetan. Sie haben eine beruhigende Art und ein besonderes Wesen: Sie pflegen eine wertschätzende Art untereinander, sie sind neugierig und verspielt.“ Sechs Kuhfamilien leben auf dem Hof und jede Milchkuh trägt ab ihrem ersten Kalb einen Namen. „Wir geben für jede unserer Kühe alles, aber trotzdem sind sie keine Haustiere. Sie müssen eine artgerechte Leistung bringen“, erklärt Lukas Bund.

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Die Leistung der Kuh misst sich in der Milchmenge, die sie Tag für Tag für die Bauern produziert. Momentan sind das im Schnitt 24 Liter – die Menge schwankt je nach dem, wie viel Grünfutter die Kuh erhält oder wie lange das Abkalben zurückliegt. „Der Melkroboter macht die Kuh für uns gläsern: Auf dem Computer sehe ich, wie viel Milch aus welchem Euterviertel lief, welche Temperatur und welchen Salzgehalt sie hatte“, sagt Lukas Bund.

Melkroboter kostet viel Geld

Gemächlich trottet Kuh Emel in den Stand des Melkroboters. Der Arm der Maschine fährt an das Euter heran, scannt es ab. Saugvorrichtungen reinigen zischend die Zitzen, dann startet das Abpumpen der Milch. Der Roboter pocht rhythmisch.

Emel bleibt unbeeindruckt: Sie kaut ihr Kraftfutter, dessen Menge genau auf sie abgestimmt ist. Die Technik erleichtert die Arbeit, hat aber ihren Preis: So viel wie in ein halbes Einfamilienhaus hat die Familie in den Roboter investiert.

Welche Rolle spielen Subventionen für Ihren Betrieb?

Ralf Bund: Die Subventionen machen in unserem Betrieb rund 30 Prozent des Gewinnanteils aus. Für eine Entwicklung unseres Betriebs – etwa in Investitionen wie aktuell eine Photovoltaikanlage mit Eigenstromversorgung – sind diese Zahlungen unabdingbar. Wer will, dass sich Landwirtschaft weiterentwickelt, muss sie mit Geldtransformationsleistungen unterstützen. Wir haben zum Beispiel ein relativ hohes Tierwohlniveau. Die Investitionen, die dafür notwendig sind, fallen nicht vom Himmel. 1000 Mal lieber wäre es uns, wir hätten auskömmliche Marktpreise. Bezogen auf unseren Umsatz bräuchten wir 25 Prozent höhere Verkaufserlöse, dann könnte der Staat bei der jetzigen Kostenstruktur sein Geld behalten.

Können Sie das konkretisieren? Was bekommen Sie für einen Liter Milch?

Ralf Bund: Wir bekommen pro Liter 54 Cent. Unsere Produktionskosten liegen bei 69 Cent. Diese beinhalten alle Kosten inklusive unserer Arbeitszeit mit 18 Euro pro Stunde.

Für die Arbeit auf den Feldern und auf dem Hof sind zahlreiche schwere Maschinen notwendig. Das Futter für die Kühe wird jeweils frisch in einem Futtermischer (roter Anhänger) zubereitet. © Katharina Buchholz

Lukas Bund: Die Situation ist bei vielen Betrieben ähnlich. Die Subventionen gleichen die Preisdifferenz aus. Es ist seitens der Politik gewollt, Lebensmittel preiswert zu halten. Allerdings schauen die großen Lebensmittelkonzerne, dass genügend auf ihrem Konto landet.

Ralf Bund: Die Landwirtschaft hat einen der teuersten Arbeitsplätze überhaupt – in unserem Betrieb sind es zwischen 500.000 und 600.000 Euro. Sehr viele Maschinen, die wir vorhalten, können wir nicht ganzjährig auslasten. Zwar nutzen wir einen Mähdrescher gemeinsam mit einem Kollegen, mit einem dritten würde es jedoch nicht funktionieren, da wir die Maschinen zur gleichen Zeit brauchen.

Ökologischer Ackerbau erfordert mebhr Bodenbearbeitung als konventionelle Methoden. Trifft ein Wegfall der Diesel-Subventionen Biobetriebe also besonders hart?

Ralf Bund: Wir verbrauchen pro Hektar 110 Liter Diesel pro Jahr, während konventionelle Betriebe mit schätzungsweise 80 Litern auskommen.

Lukas Bund: Dazu muss man wissen, dass Grünfutterbergung – egal ob in konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Betrieben – energieintensiver ist als Getreidekulturen. Wir mähen die Luzerne drei bis vier Mal pro Jahr, dann wird geschwadert und der Klee muss ins Silo gefahren werden.

Was bedeutet für Sie der Wegfall der Diesel-Subvention?

Ralf Bund: Konkret sind es für uns 29 Euro pro Hektar. Aber: Wenn die Politik signalisieren würde, dass sie es mit dem Bürokratieabbau ernst nimmt, bin ich mir sicher, dass sich die Landwirte nicht an diesem Agrardiesel aufhängen würden. Das war nur der Punkt, an dem die Grenze überschritten wurde. Andere Vorgaben, beispielsweise dass wir nicht pflügen dürfen, wenn es gut geht, dass wir vier Prozent der Fläche stilllegen müssen, dass wir an jedem noch so fiktiven Gewässer vier Meter Fläche liegen lassen müssen, ärgert uns und tut zum Teil mehr weh als diese 21 Cent pro Liter Diesel. Was es braucht, ist ein klarer Schnitt: Die Politik sollte mit und nicht über die Landwirtschaft sprechen.

Wie sollten die Subventionen gestaltet werden?

Ralf Bund: Als einer der Vorsitzenden von Bioland habe ich mich schon bei der letzten Agrarreform dafür ausgesprochen, dass öffentliches Geld für öffentliche Leistungen fließen soll. Nicht unbedingt der Hektar aufgrund seines Daseins sollte mit Geld belegt, sondern Maßnahmen gefördert werden, die das Grundwasser schonen, die den CO2-Eintrag in die Luft zurückfahren, die den Humusaufbau begünstigen, die artgerechte Tierhaltung möglich machen. Wenn man das Geld deutlich umschichten und die Flächenprämie zugunsten der Förderungen für ökologische Maßnahmen weiter absenken würde – dann wäre man auf dem richtigen Weg.

Wie passt das zusammen – einerseits kritisieren Sie den Aufwand, der durch Auflagen entsteht, anderseits plädieren Sie dafür, Maßnahmen zugunsten der Natur besonders zu fördern?

Ralf Bund: Insgesamt müssten die Maßnahmen differenzierter sein. Nehmen wir als Beispiel die Gewässerrandstreifen: Da muss ich vier Meter liegen lassen, egal ob der Acker an der Tauber liegt oder an einem schmalen Graben. Bauern sind nicht stur oder blöd und kennen geologischen und topographischen Zusammenhänge ihrer Flächen sehr genau.

Lukas Bund: Die Landwirtschaft kann auch die Lösung für die Umweltprobleme sein. Keine Berufsgruppe wird die Klimakrise so hart treffen wie die Landwirtschaft.

Als Argument gegen Subventionen werden hohe Gewinne landwirtschaftlicher Betriebe angeführt.

Andreas Bund: Während der Corona-Pandemie haben die Landwirte in Deutschland profitiert, das stimmt. Aktuell sieht es wieder anders aus.

Lukas Bund: Für Milchviehbetriebe sind die Gewinne in den letzten zehn Jahren relativ konstant auf niedrigem Niveau geblieben. Nach Steuer und heruntergerechnet auf die Arbeitskraft bleibt nicht die Welt übrig.

Andreas Bund: Was sich hier widerspiegelt sind die Veränderungen an sich: Die Betriebe werden immer größer und jeder größere Betrieb muss mehr Gewinne erzielen.

Ralf Bund: Das war bei uns im Übrigen auch so. Nachdem Lukas im Jahr 2020 eingestiegen ist, ist unser Gewinn absolut gestiegen. Wenn man will, dass die junge Generation auf die Betriebe geht, muss diese adäquat entlohnt werden. Dass Lukas und Andreas 70 Stunden die Woche für weniger als Mindestlohn arbeiten, das geht nicht – bei aller Liebe für die Landwirtschaft.

Lukas, was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft als Landwirt?

Lukas Bund: Mehr Wertschätzung für und ein offener Umgang mit der Landwirtschaft.

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