Landwirtschaft

Landwirtschaft: Warum mehr Tierwohl auch ein Problem sein kann

Investitionen, gute Rahmenbedingungen für die tägliche Arbeit und Identifikation in der Bevölkerung: Laut Walter Sans die Bausteine für eine funktionierende Regionallandwirtschaft. Er sieht dieses Gleichgewicht gefährdet.

Von 
Dominic Eberwein
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Die Flasche ist nicht leer, jedoch dabei, leerer zu werden: Trotz eines Viehbestands von etwa 500 Tieren und ungebrochener Solidarität der örtlichen Bevölkerung fürchtet der findige Milchbauer Walter Sans um die Zukunft seines Berufsstands. © Dominic Eberwein

Walldürn. Ein Berufsleben voller Hingabe, fruchtbarer Kundengespräche und innovativer Ideen – und doch spricht der Walldürner Landwirt Walter Sans mit sorgenvoller Miene über die Zukunft seines Vermächtnisses. Seit gut drei Jahren hat der 54-jährige vermehrt mit steigenden Preisen in allen Bereichen zu kämpfen, insbesondere die Energiekosten setzen ihm zu. „Seit dem 1. Januar dieses Jahres zahle ich für meinen Strom zehn Cent pro Kilowattstunde mehr. Bei etwa 200 000 Kilowattstunden Verbrauch im Jahr können Sie sich die Kosten selbst ausrechnen“, so Sans. Da sich die Liste der Ursachen für den immensen Kostendruck wegen hoher Bauzinsen, sowie stetig steigender Preise auf diverse Futtersorten erweitern lässt, hat sich der Milchbauer gemeinsam mit seinen Mitarbeitern den bundesweiten Bauernprotesten angeschlossen. Er selbst war an zwei Tagen in Walldürn vor Ort, an weiteren Tagen der Protestwoche nahmen drei seiner Mitarbeiter teil, natürlich auf dem Traktor. „Ich habe sie an diesen Tagen komplett freigestellt, denn es ist wichtig zu zeigen, dass Bauern für die deutsche Bevölkerung auf der Straße sind“, so Sans. Er sieht seine Zunft gegenüber der Politik gesprächsbereit, wenn man denn tatsächlich auf Augenhöhe mit ihr diskutieren würde. Konkret kritisiert der gebürtige Walldürner gefasste „Beschlüsse ohne Einbezug von Fachbehörden, wie dem Bauernverband“. Außerdem würden Menschen, die von seinem Beruf wenig bis keine Ahnung hätten, zu stark in seine Arbeit eingreifen.

Es müsste, so Sans, am Ende auf einen „Vergleich“ zwischen Politik, Bevölkerung und Landwirten hinauslaufen. Dieser sollte so ausfallen, dass Planungssicherheit die souveräne Umsetzung schnell getroffener Entscheidungen im Alltag erlaubt. „Wir stehen hier an einer Front. Wenn zum Beispiel aufgrund ungünstiger Witterung kurzfristige Entscheidungen getroffen werden müssen, belastet das immer die Kosten“, sagt Sans. Bis jetzt könne er sich mithilfe seiner sieben festen Mitarbeiter und rumänischer Hilfskräfte über Wasser halten, aber für die Zukunft gingen ihm langsam die Ideen aus. Es werde Tierwohl gefordert, aber die Kosten dafür drückten die Gewinnmarge mittlerweile dramatisch. „In erster Linie muss Geld verdient werden, sonst kann ich auch nicht innovativ sein“, sagt der Landwirt. Er denkt dabei auch an seine Söhne, die mit Mitte 20 für den Bauernberuf brennen. Doch auch für sie wird das Prinzip des Investitionskreislaufs künftig gelten.

Sans eröffnete 2015 auf seinem Hof das „Milchhäusle“ , mit dessen Hilfe er deutlich mehr Kontakt zu lokalen Kunden generieren konnte. Bis vor einem Jahr waren Einzelabteile für frisch geborene Kälber zu finden. Sie dienten dazu, die Tiere besser im Blick zu halten, zugleich sollte der Kontakt zu anderen Kälbern aus hygienischen Gründen möglichst beschränkt bleiben.

Doch die Menschen aus Walldürn und Umgebung schauen nicht nur wegen den regionalen Erzeugnissen vorbei. Nicht selten wollen Mütter mit ihren Kindern die Geburten hautnah miterleben – und bedauerten dann die Trennung von Kuh und Kalb nach einer halben Stunde. Für Sans war es ein Zeichen, sich etwas Neues einfallen zu lassen: Doppelabteile. Hier werden die Kälber paarweise einquartiert, die Einzelabteile wurden restlos ersetzt. Die Anpassungen kosteten Bauer Sans 50 000 Euro.

Für ihn ist es Beleg einer lebendigen regionalen Landwirtschaft durch Identifikation. Die Menschen stünden dahinter. Allerdings nütze dies wenig, wenn geringer werdende Gewinnmargen den Handlungsrahmen schmälern oder Subventionen über die Köpfe der Bauern hinweg einfach eingeschmolzen würden. „Innovation kann man sich in guten Jahren leisten, ansonsten kreisen die Fragen um die Bezahlung der Mitarbeiter und das Futter“, fasst der Landwirt zusammen.

Was auf der Wunschliste steht

Auf seiner Wunschliste stünden beispielsweise breitere Laufgänge in den Ställen, da gerade jüngere Kühe bei beengten Raumverhältnissen ängstlich reagieren. Es wäre ein weiterer Meilenstein, um die oberste Regel des Hofs zu unterstreichen: Ruhe. „Je langweiliger der Tag einer Kuh ist, desto leistungsfähiger ist sie“, merkt Sans mit einem leisen Lächeln an.

Der Bio-Markt sei auch auf dem Hof Sans immer wieder Thema, aktuell jedoch mehr als Denkanstoß, denn als verlässliche Einnahmequelle. Seit zwei bis drei Jahren sei der Biomarkt „praktisch tot“. Er erwarte in diesem Sektor aufgrund stagnierender Nachfrage derzeit kein weiteres Wachstum. Das Hauptproblem liege laut Sans darin, dass die Stückkosten viel höher seien, als in der konventionellen Landwirtschaft.

Und doch biete ihm die Bio-Landwirtschaft immer wieder Ideen für mögliche Verbesserungen des Tierwohls. Zum Beispiel: Muss beim Melken am Ende wirklich jeder Liter Milch gemolken werden muss? Ob diese Fragen in Zukunft nicht nur Theorien, sondern auch rentable Bioprodukte hervorbringen können, steht auf einem anderen Blatt. Auf diesem stehen bereits heute die Worte Investitionen, Fachkompetenz und Identifikation.

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